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Elfenzeit 6: Zeiterbe. Uschi ZietschЧитать онлайн книгу.

Elfenzeit 6: Zeiterbe - Uschi Zietsch


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dort. Ich würde mit Ihnen am Flussufer des Oust entlang spazieren, Sie in das Schloss der Rohan entführen und Ihnen die Schätze zeigen, die sich dort in den endlosen Regalen der imposanten Bibliothek finden lassen.« Philippe beugte sich nun ebenfalls verschwörerisch vor. »Jetzt im Sommer sind auch viele der anderen Räumlichkeiten offen zu besichtigen, die sonst nur von den Abkömmlingen der bretonischen Könige bewohnt werden.«

      »Von richtigen Königen? Dann sind Sie wohl auch einer, wenn Sie dort so einfach hineindürfen«, witzelte Rian mit kindlich-unschuldigen Kichern.

      Der Kerl aalte sich sichtlich in ihrer Aufmerksamkeit und David betete einmal mehr darum, dass sie bald in Rennes landen würden.

      Doch Zeit war eine widerspenstige Sache. Immer, wenn man wünschte, dass sie schneller lief, tat sie das genaue Gegenteil. Der Flug schien endlos zu dauern. David drückte sich tiefer in den Sitz und stierte durch das Seitenfenster in den trüber werdenden Himmel. Das weiße Wolkenmeer hatte sich zu einer Hügellandschaft aus Grautönen aufgebauscht. Vereinzelte Regentropfen klatschten gegen die Scheibe und zogen auf dem Glas ihre Bahn, bis sie sich in sich selbst verloren hatten.

      Als die Maschine endlich landete, hatte sich das Wetter zu einem eindrucksvollen Gewitter zusammengebraut. Ein grauschwarzes Monster, das von Westen her näherkam. Wenn David sich also nicht gänzlich irrte, würden sie direkt darauf zu steuern und mitten hineinfahren müssen, um nach Paimpont zu gelangen.

      »Keine Sorge, mein Mietwagen wird direkt an den Ausgang des Terminals gebracht«, erklärte Philippe Bourdieu und führte Rian beflissentlich Richtung Zollkontrolle, während David gemächlich folgte.

      Das Gepäck des Franzosen bestand aus einem kleinen Rollkoffer, den er mit in die Passagierkabine gebracht hatte. Ihres bestand aus dem, was sie in den Taschen trugen. Und versteckt am Gürtel. Damit war der Weg frei, um den Flughafen zügig zu verlassen.

      Wie von Rians neuem Verehrer versprochen, stand sein bestellter Wagen bereits bereit. Eine funkelnagelneue schwarze Limousine mit getönten Scheiben und Ledersitzen.

      Sehr angenehm. Dies versprach nicht nur ein trockenes, sondern auch ein außerordentlich bequemes Plätzchen auf der Rückbank, während Rian vorne für die gute Laune ihres rekrutierten Chauffeurs sorgen würde.

      Philippe steuerte den Wagen routiniert von der Flughafenumgehung auf die Autobahn 24 Richtung Lorient und damit indirekt auf Paimpont zu. Im Radio dudelten typisch französische Chansons, während von draußen der Regen unerbittlich herniederprasselte. Rian hatte es mit ihrer unvergleichlichen Art geschafft, Philippe dazu zu überreden, einen Zwischenstopp an ihrem Zielort einzulegen.

      Das in der Fahrzeugkonsole eingelassene Navigationsgerät zeigte für die eingetragene Strecke eine Fahrtzeit von knapp einer Stunde an. Für David hieß das, einmal mehr quälende Warterei und Nichtstun, während seine Gedanken zurück zu Nadja drifteten. Immer wieder stellte er sich dieselben Fragen.

      Was mochte der Getreue nur mit ihr vorhaben? Was er getan hatte, war Hochverrat an seiner Königin.

      Die Dunkle Königin und ihre Eroberungspläne. Auch das war etwas, mit dem sie sich beschäftigen mussten, sobald sie den Auftrag der Dame vom See erledigt hatten. Seit der Getreue Bandorchu mit Hilfe des Zeitgrabs in Newgrange zurück und in diese Welt geholt hatte, standen die Tore zum Schattenland offen.

      Die einstige Königin von Earrach hatte nicht nur ihr Exil verlassen, sie hatte eine ganze Armee mitgebracht. Genau wie Fanmór, der sich dank Pirx gerade noch rechtzeitig auf dem Schlachtfeld gegen sie gestellt hatte.

      Der Kampf war eher ein Kräftemessen gewesen. Am Ende hatte die Dunkle Königin sich zurückgezogen. Wohin, das wussten aktuell nur ihre Anhänger.

      Und der Getreue hatte sich gar nicht erst daran beteiligt, sondern war mit Nadja verschwunden. Vielleicht gehört ihre Entführung zu einem viel größeren Plan, den sie alle nur noch nicht durchschaut hatten. Möglicherweise war es eine Finte, um sie abzulenken. Fortzulocken und blind für die im Hintergrund ablaufenden Geschehnisse zu machen. Aber welche mochten das sein?

      David knurrte vor Ärger so laut auf, dass Philippe am Steuer zusammenfuhr und David sich einen bösen Blick seiner Schwester einfing.

      »Ignorier meinen Bruder einfach, Phil. Manchmal hat er diese Anfälle. Aber keine Angst, er ist harmlos«, beschwichtigte sie den Hasenfuß mit ihrem charmantesten Lächeln, während sie mit ihrer Hand sein Knie tätschelte.

      David musste gegen seinen Willen grinsen. Die Menschen waren schon ein seltsames Volk. Manche so mutig und andere so schwach. Natürlich war Nadja genau genommen eine Halbelfe, aber ihre Mutter Julia Oreso war es nicht. Und gerade sie hatte, genau wie ihre Tochter, bewiesen, wie stark ein so zierliches, sterbliches Wesen sein konnte. Ihre Autorität lief zwei Schritte voraus. Diese Frau bekam für gewöhnlich, was sie wollte. Nur, dass sie dafür keine Elfenmagie einsetzte.

      »Am besten, ihr nehmt euch ein Zimmer im Le Relais De Brocéliande. Da seid ihr mitten im Zentrum der Stadt und könnt einige der Sehenswürdigkeiten zu Fuß erreichen. Das angeschlossene Restaurant hat einen guten Ruf«, erklärte Philippe ihnen, während er die Autobahn wieder verließ und auf die Landstraße Nummer 773 Richtung Norden abbog.

      Wenige Minuten später hatten sie ihr Ziel erreicht. Ein malerisches Örtchen, direkt an jenen gewaltigen Wald angrenzend, den man in Sagen und Geschichten Brocéliande nannte. Es wurde Zeit, sich von Philippe zu verabschieden. Wie, das sollte Rians Sorge sein.

      »Du hast ja meine Nummer«, sagte Philippe nach einigem Hin und Her, während sie im Regen standen und langsam aufweichten. »Eine kurze Textnachricht genügt und ich hole dich ab.« Er blickte zu David und verzog entschuldigend das Gesicht. »Euch, meine ich natürlich. Ihr seid beide willkommen.«

      »Das ist so lieb von dir, Phil. Wirklich«, antwortete Rian, küsste ihn mit spitzen Lippen auf die Wange und trat dann an Davids Seite. »Fahr vorsichtig, ja? Die Straßen können rutschig sein bei so einem Wetter.«

      Philippe nickte mit seligem Lächeln. Noch einmal zögerte er, schien mit sich selbst zu ringen. Dann stieg er ein, wendete die Limousine und brauste so zackig davon, dass links und rechts die Wasserfontänen spritzten.

      »Gut gemacht, Schwesterherz«, sagte David und grinste.

      »Er war wirklich nett«, erwiderte sie, während sie sich in einer nutzlosen Geste die Hand über den Kopf hielt und lachte. »Wir sollten schauen, dass wir schleunigst ein Zimmer und danach etwas Ordentliches zu essen bekommen.«

      In dem Moment krachte es. Ein Donnerschlag, so laut, dass sich die Zwillinge unwillkürlich duckten. Ein Blitz zuckte zwischen den Wolken hervor und erleuchtete den gesamten Himmel. Und nicht nur ihn.

      Kurz bevor es wieder dunkel wurde, glaubte David etwas am Rand des angrenzenden Waldes vorbeihuschen zu sehen. Ein Tier vielleicht. Doch es war auf eine unwirkliche und doch seltsam vollkommene Art schneeweiß und dabei gleichzeitig geradezu ätherisch durchscheinend.

      2.

       Den Feind im Nacken

      London – Freitag, 26. April 1715

      Wir werden dich jagen, Weltvernichter!

       Wir werden dich stellen!

       Wir werden dich zur Strecke bringen.

       Dein Blut und Wasser werden die Opferschale füllen,

       um den Zorn Gottes zu zügeln,

       solltest du weiterhin dem Teufel mit Zahl und Schieber huldigen.

      Edmond Halley schluckte schwer und ließ die Hand sinken. Der Brief glitt ihm aus den zitternden Fingern und segelte zu Boden. Die Zeilen waren in großen, schwungvoll gezogenen Linien auf das Papier gesetzt. Ein geradezu kunstvolles Schriftbild. Der Inhalt dagegen zeugte von einer kleingeistigen Seele, von purem Hass, Rückwärtsgewandtheit und Aberglaube. Eine höchst gefährliche Mischung.

      Als Wissenschaftler und logisch veranlagter Mensch hatte Edmond mit der Veröffentlichung seiner Arbeit in gewissem Maße Unglaube und auch Widerstände in der weniger gebildeten Bevölkerung erwartet.


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