Zurück auf Gestern. Katrin LankersЧитать онлайн книгу.
verreist?«, rätselte ich. »Damit man den Zeitunterschied einstellen kann und immer weiß, wie spät es gerade zu Hause ist? Mein neues Handy kann das auch.«
»Meinst du?« Lulu zog schon wieder einen Kussmund. »Und wie klappt man die beiden Teile jetzt wieder zusammen? Ich sehe keine Scharniere oder so etwas.«
»Keine Ahnung.« Ich drehte die Kugelhälften hin und her und legte die glatten Flächen schließlich aufeinander, sodass wieder eine vollständige Kugel entstand. Die beiden Zifferblätter waren so eingearbeitet, dass sie sich dabei nicht im Wege waren. Trotzdem ließen sich die zwei Hälften nicht mehr aneinander befestigen.
»Komisch. Vorhin hingen sie doch noch fest zusammen.« Ich drückte und drehte, aber jedes Mal, wenn ich die Hände ein Stück auseinandernahm, lösten sich auch die Hälften voneinander. Während ich zuvor noch den Eindruck gehabt hatte, eine solide Kugel in Händen zu halten, schienen die beiden einzelnen Teile nun alles andere als gewillt, sich wieder zu einem Ganzen zusammenzufügen.
»Sehr komisch«, bestätigte Lulu. »Vielleicht eine Art Magnetismus?«
»Wenn es ein Magnetismus ist, dann funktioniert er jedenfalls nicht mehr.« Ich zuckte mit den Schultern. Die Tatsache, dass die beiden Hälften offenbar von Anfang an getrennt gewesen waren, wir den Anhänger also nicht zerbrochen hatten, beruhigte mich so sehr, dass ich mich nun nicht darum sorgte, wie man sie wieder miteinander verbinden konnte. Ich würde den Anhänger in den nächsten Tagen zu Alexa bringen und ihn reparieren lassen, falls das möglich war. Vielleicht konnte mir Omilis Freundin sogar mehr über dieses besondere Schmuckstück erzählen. Immerhin kannte sie sich mit Schmuck aus.
Und dann hatte ich plötzlich eine Idee.
»Gib mir mal deine Kette«, bat ich Lulu.
»Wieso?«
»Gib einfach her.«
Zögerlich zog sie sich die gedrehte Kette über den Kopf, die ich ihr erst kurz zuvor umgehängt hatte, und reichte sie mir.
»Was hast du vor?«
»Versuch es doch wenigstens mal für einen kleinen Moment mit Geduld«, wimmelte ich sie ab, legte die eine Halbkugel auf meinem Schoß ab und fädelte die Kette von Lulu in die andere.
»Das ist für mich ein Fremdwort und mit Fremdwörtern hab ich es nicht so«, moserte Lulu. Doch ihr skeptischer Gesichtsausdruck wich einem breiten Lächeln, als ich ihr die Kette zurückgab, an der nun eine der Halbkugeln baumelte.
»Das ist nicht dein Ernst, oder?«
»Ich mache das nur, um zu verhindern, dass du in diesem knallroten Ding auf die Schulparty gehst«, erwiderte ich, nahm meine eigene Kette ab und fädelte die andere Halbkugel darauf, bevor ich sie mir wieder über den Kopf zog. »Du hast gesagt, wenn du den Anhänger tragen darfst, würdest du in Jeans und T-Shirt gehen. Und ich nehme dich beim Wort.«
»Okay, schon gut.« Lulu streckte mir die Zunge raus. »Ich habe verstanden, Miss Stil-Ikone. Ach, und übrigens: danke! Das ist unfassbar lieb von dir.«
Lulu drückte mir einen Schmatzer auf die Wange. Dann schälte sie sich aus dem Kleid und schlüpfte stattdessen in einen ausgewaschenen Jeansrock mit einem breiten pinken Lackgürtel sowie in ein schwarzes Shirt mit einem pinken Stern aus Pailletten. Von meinem Jeans-und-T-Shirt-Outfit war sie damit natürlich Lichtjahre entfernt, doch im Gegensatz zu der Version Bratschlauch in Rot war sie darin ein Hingucker im besten Sinne.
»Jetzt aber mal ehrlich.« Lulu ließ sich wieder neben mich aufs Bett fallen. »Willst du wirklich, dass wir diese Anhänger heute Abend tragen?« Ihre Finger betasteten vorsichtig die Halbkugel. »Keine Angst mehr, dass sie kaputtgehen?«
»Kaputt sind sie ja nun schon.« Ich zuckte mit den Schultern. »Irgendwie hab ich das Gefühl, dass es richtig ist«, versuchte ich zu erklären. Tatsächlich hatte ich plötzlich sogar das seltsame Gefühl, dass meine Großmutter genau das gewollt hätte. »Diese beiden Halbkugeln sind wie Freundschaftsanhänger. Wie diese Herzen, die man in der Mitte durchbricht, und dann steht darauf Beste Freundinnen oder für immer oder so was. Nur dass unsere Anhänger nicht annähernd so kitschig sind, sondern etwas Besonderes.«
»So wie wir.« Lulu nahm meine Hand und drückte sie.
In diesem Moment flog die Zimmertür auf und knallte gegen Lulus Kleiderschrank.
»Seid ihr bald fertig?« Lucas’ Kopf erschien im Türrahmen. »Wir müssen langsam mal los!«
»Raus!« Lulu schnappte sich ein Kissen und warf es Richtung Tür, aber ihr Bruder war schon wieder verschwunden, nicht ohne die Tür lautstark ins Schloss krachen zu lassen.
»Kannst du nicht anklopfen?«, brüllte Lulu ihm hinterher. »Was, wenn ich nackt gewesen wäre?«
Ein kräftiges Klopfen ließ die Tür erzittern.
»Idiot«, grummelte Lulu. »Sei bloß froh, dass du keinen so blöden Bruder hast wie ich.«
Lieber fünf Brüder wie deinen als eine Stiefschwester wie Sophie, hätte ich widersprechen können. Aber ich hielt sicherheitshalber den Mund. Ich versuchte grundsätzlich, jedes Gespräch mit Lulu über ihren Bruder zu vermeiden. Denn leider war Lucas das einzige Geheimnis, das zwischen Lulu und mir existierte. Beziehungsweise: meine Gefühle für ihn.
Es war wenige Tage nach der Geburtstagsparty passiert, auf der Lulu und ich beste Freundinnen geworden waren. Man muss dazu erklären, dass Lulu an diesem Tag nicht in der Schule gewesen war, sondern mit einer Sommergrippe zu Hause im Bett gelegen hatte. Ansonsten wäre die ganze Sache vermutlich anders abgelaufen.
Ich hatte überraschend meine Tage bekommen und natürlich trug ich eine weiße Jeans, klar … Als ich in der Pause bemerkte, was los war – ich erspare euch an dieser Stelle die buchstäblich blutigen Details –, rannte ich kopflos in die nächste Toilette. Dort hockte ich ziemlich verzweifelt auf dem Klodeckel und grübelte, wie ich diese Kabine je wieder verlassen konnte, ohne mich vor der gesamten Schule zu blamieren. Als ich bemerkte, dass es nicht einmal Toilettenpapier gab, begannen meine Tränen zu laufen. Da hörte ich, dass jemand hereinkam. Na, toll!
»He, was ist los?«, fragte der Jemand. Von einer Sekunde auf die andere wurde mein Elend noch elendiger. Dieser Jemand war ein Junge! Als wäre die ganze Situation nicht schon schlimm genug, war ich aus Versehen in die Jungentoilette gestürmt.
Ich antwortete nicht, sondern zog bloß geräuschvoll die Nase hoch. Hoffentlich ging der Typ weg, wenn ich ihn ignorierte. Doch natürlich wurde mir dieser Wunsch nicht erfüllt.
»Brauchst du Hilfe? Soll ich vielleicht einen Lehrer holen?«, ließ er nicht locker.
»Nein«, quietschte ich. »Auf keinen Fall.«
»Du bist ja ein Mädchen«, stellte der Jemand überrascht fest.
»Sag bloß«, erwiderte ich ironisch und seufzte.
»Und was machst du hier drin?«
»Mädchenprobleme.«
»Oh.« Der Jemand hatte offensichtlich verstanden, um welche Art von Problem es sich handelte. »Kann ich dir trotzdem irgendwie helfen? Brauchst du vielleicht irgendwas?«
»Falls du nicht eine Binde und eine frische Jeans dabeihast, nein, danke«, erwiderte ich mit dem Mut der Verzweiflung.
»Leider nicht.« Der Jemand klang, als täte es ihm tatsächlich leid. »Aber ich könnte dir ein paar Papierhandtücher anbieten. Und meinen Hoodie. Den kannst du dir vielleicht um den Bauch knoten …«
»Ehrlich jetzt?« Plötzlich fühlte ich mich ein bisschen weniger schrecklich.
Statt einer Antwort reichte er mir eine Handvoll Papiertücher und einen Kapuzenpulli über die verschlossene Tür. Einen ziemlich gut riechenden Pulli, wie ich flüchtig bemerkte.
»Danke.« Als ich mir den viel zu großen