Zwei Jahre Ferien. Jules VerneЧитать онлайн книгу.
oder mehr südlicheren Wege. In Sicht der Yacht kam kein einziges vorüber. Wieder brach die Nacht herein, welche noch schlimmer zu werden drohte, und wenn der eigentliche Sturm sich auch zeitweilig beruhigte, so wehte doch der Wind immer recht steif von Westen her.
Wie lange diese Fahrt andauern sollte, davon hatten natürlich weder Briant noch seine Kameraden eine Ahnung. Vergeblich suchten sie in der Weise zu manövrieren, um den Schoner nach den neuseeländischen Gewässern zurückzuleiten; es fehlte ihnen jedoch an Kenntnissen, seine Richtung bestimmt zu beeinflussen, und überdies an Kraft, die schweren Segel beizusetzen.
Unter diesen Verhältnissen gewann Briant, der eine seinem Alter überlegene Tatkraft entwickelte, allmählich ein Übergewicht über seine Gefährten, dem sich auch Doniphan nicht entziehen konnte. Gelang es ihm auch, trotz Mokos Unterstützung, nicht, die Yacht wieder nach Westen zurückzusteuern, so benutzte er doch seine geringen Kenntnisse, um diese unter möglichst guten Bedingungen forttreiben zu lassen. Er schonte sich keinen Augenblick, wachte Tag und Nacht und lugte immer nach dem Horizont hinaus, um eine Aussicht auf Rettung zu entdecken. Gleichzeitig ließ er auch mehrere Flaschen mit einem Bericht über den Verbleib des »Sloughi« ins Meer werfen, und wenn das auch ein sehr unzuverlässiges Hilfsmittel war, wollte er es doch nicht vernachlässigen.
Inzwischen trieb der Westwind die Yacht immer weiter über den Stillen Ozean hinaus, ohne dass es möglich war, deren Lauf zu hemmen oder nur ihre Geschwindigkeit zu vermindern.
Wir wissen schon, was sich weiter zutrug. Wenige Tage, nachdem der Schoner durch die Wasserstraßen des Golfes Hauraki hingerissen worden war, brach ein Sturm los, der zwei volle Wochen lang mit außergewöhnlicher Heftigkeit wütete. Von ungeheuren Wellen auf und ab geschleudert, hundertmal nahe daran, durch andonnernde Wassermassen zertrümmert zu werden, was ohne seine besonders feste Bauart und seine vortrefflichen nautischen Eigenschaften gar nicht hätte ausbleiben können, war der »Sloughi« schließlich auf ein unbekanntes Stück Erde im Stillen Ozean geworfen worden.
Welches Los erwartete nun dieses Pensionat von Schiffbrüchigen, welche wohl achtzehnhundert Meilen weit von Neuseeland verschlagen waren? Von welcher Seite würde ihnen die Hilfe kommen, die sie in sich selbst nicht finden konnten …?
Jedenfalls hatten ihre Familien gar zu viel Ursache, sie mit dem Schoner untergegangen zu glauben.
Diese Ursache war nämlich folgende:
Als in Auckland das Verschwinden des »Sloughi« in der Nacht vom 14. zum 15. Februar bemerkt worden war, benachrichtigte man davon den Kapitän Garnett und die Familien der unglücklichen Kinder. Wir brauchen wohl die Wirkung dieses traurigen Vorfalles, der in der Stadt allgemeine Bestürzung erregte, nicht eingehender zu schildern.
Wenn seine Sorrtaue aus irgendeinem Grund nachgegeben hatten, so war der Schoner doch vielleicht nicht über den Golf selbst hinausgetrieben. So durfte man hoffen, ihn noch wiederzufinden, obwohl der steife Westwind eine recht schmerzliche Beunruhigung erweckte.
Ohne eine Minute Zeit zu verlieren, traf der Hafenkapitän Anstalt, der Yacht zu Hilfe zu kommen. Zwei kleine Dampfer sollten den ganzen Golf Hauraki durchsuchen. Die ganze Nacht über kreuzten sie umher, während der Seegang immer schwerer wurde, und als sie mit Tagesanbruch zurückkehrten, raubten ihre Meldungen den von dieser schrecklichen Katastrophe betroffenen Familien den letzten Schimmer von Hoffnung.
Wenn diese Dampfer zwar den »Sloughi« nicht aufgespürt hatten, so hatten sie doch einzelne Stücke aufgefischt. Diese letzteren bestanden aus den ins Meer gefallenen Trümmern des Backbords nach der Kollision mit dem peruanischen Dampfer »Quito«, eine Kollision, von der letzterer nicht einmal Kenntnis hatte.
Auf diesen Bruchstücken waren noch drei bis vier Buchstaben des Namens »Sloughi« deutlich zu erkennen. Es schien also unzweifelhaft, dass die Yacht verunglückt und vielleicht ein Dutzend Meilen von der Küste Neuseelands mit Mann und Maus untergegangen war.
1 (hier) schriftliche Verpflichtung, eine Anzahl emittierter Wertpapiere zu kaufen <<<
2 dünne Stricke, womit größere Taue angezogen werden <<<
3 langes, dickes Brett; Bauholz für den Schiffsbau <<<
Viertes Kapitel
Erste Untersuchung des Uferlandes. — Briant und Gordon im Strandwald. — Vergeblicher Versuch, eine Grotte zu finden. — Eine Inventur der Vorräte. — Nahrungsmittel, Waffen, Kleidungsstücke, Bettzeug, Geräte, Werkzeuge und Instrumente. — Erstes Frühstück. — Erste Nacht.
———
Die Küste war verlassen, wie Briant es erkannt hatte, als er sich auf der Rah des Fockmastes zum Auslugen befand. Seit einer Stunde lag der Schoner auf dem Uferlande, und noch war von keinem Eingeborenen etwas bemerkt worden. Weder unter den Bäumen, welche von dem hohen Ufer aufragten, noch neben dem Rand des Rios, der jetzt von der anschwellenden Flut erfüllt war, sah man ein Haus, eine Hütte oder nur ein Zelt. Nicht einmal ein Eindruck eines menschlichen Fußes zeigte sich auf der Oberfläche des Strandes, den das an- und ablaufende Wasser mit einer langen Anhäufung von Varec eingefasst hatte. In der Mündung des kleinen Flusses schaukelte kein Fischerboot, und längs des ganzen Umfanges der Bai, zwischen den beiden Vorgebirgen im Norden und im Süden, wirbelte keine Rauchsäule in die Luft.
In erster Linie hatten Briant und Gordon den Gedanken, unter die Baumgruppen einzudringen, um die höhere Wand zu erreichen und wenn möglich zu erklimmen.
»Da wären wir nun auf dem Lande; das ist ja schon etwas«, sagte Gordon. »Doch welches ist dieses Land, das ganz unbewohnt scheint …?«
»Die Hauptsache bleibt doch, dass es nur nicht unbewohnt ist«, erwiderte Briant. »Für einige Zeit haben wir ja Mundvorrat und Munition. Es fehlt uns zunächst nur ein Obdach, und ein solches müssen wir finden … Mindestens für die Kleinen … Vorwärts also!«
»Ja,