Zwei Jahre Ferien. Jules VerneЧитать онлайн книгу.
Fußsteg. Alte morschgewordene Stämme lagen hier und da auf der Erde, und Briant und Gordon sanken bis ans Knie in den Teppich von weichem Laub ein. Die Vögel dagegen entflohen so furchtsam, als hätten sie menschlichen Wesen schon misstrauen gelernt. Danach schien es also, als ob diese Küste, wenn sie auch nicht selbst bewohnt war, doch dann und wann von Eingeborenen des Nachbargebietes besucht wurde.
In zehn Minuten hatten die beiden Knaben das Gehölz durchschritten, dessen Dichtheit sich nahe der felsigen Rückseite vergrößerte, die gleich einer Mauer auf eine mittlere Höhe von hundertachtzig Fuß schroff emporstieg. Es wäre höchst wünschenswert gewesen, dass der Fuß dieser Felswand irgendeine Ausbuchtung enthielte, in der man hätte Obdach suchen können. Hier hätte ja eine gegen den Seewind durch die Bäume geschützte und vor dem Ansturm des Meeres gesicherte Höhle einen vortrefflichen Zufluchtsort geboten; hier hätten die jungen Schiffbrüchigen sich vorläufig einrichten und so lange aushalten können, bis eine eingehende Untersuchung der Küste ihnen gestattete, mit mehr Sicherheit ins Innere des Landes vorzudringen.
Unglücklicherweise entdeckten Gordon und Briant an dieser Wand, welche so schroff wie eine Festungsmauer abfiel, weder eine Grotte, noch auch nur einen Einschnitt, durch den sie hätten bis zum Scheitel derselben gelangen können. Um zu dem Inneren des Gebietes zu gelangen, mussten sie wahrscheinlich dieses steile Ufer, dessen Anordnung Briant, als er sich von den Rahen des »Sloughi« aus umsah, überblickt hatte, vollständig umwandern.
Etwa eine halbe Stunde lang zogen beide längs des Strandes am hohen Ufer hin nach Süden zu hinab. Damit erreichten sie die rechte Seite des Rios, der in vielen Windungen nach Osten zu verlief. War dieses Ufer von schönen Bäumen beschattet, so begrenzte das andere eine Landschaft von ganz verschiedenem Aussehen — ohne Grün und ohne jede Bodenunebenheit. Man hätte einen ungeheuren Sumpf vor sich zu sehen geglaubt, der sich bis zum südlichen Horizont hin ausdehnte.
Getäuscht in ihrer Hoffnung, bis zur Höhe des steilen Ufers emporklimmen zu können, von wo aus sie ohne Zweifel das Land hätten auf einen Umkreis von mehreren Meilen überschauen können, kehrten Briant und Gordon nach dem »Sloughi« zurück.
Doniphan und einige andere liefen auf den Felsen hin und her, während Jenkins, Iverson, Dole und Costar sich mit dem Einsammeln von Muscheln belustigten.
In einem Gespräch, das sie mit den Größeren hatten, setzten Briant und Gordon diese von dem Erfolg ihres kurzen Ausflugs in Kenntnis. Bevor diese Untersuchungen nicht weiter ausgedehnt werden konnten, erschien es ratsam, den Schoner nicht zu verlassen. War dieser auch in seinem ganzen Rippenwerke erschüttert und lag er ziemlich tief nach Backbord geneigt, so konnte er doch an Ort und Stelle, wo er fest lag, als einstweilige Wohnung dienen. Hatte sich das Deck auch über dem Volkslogis geöffnet, so boten doch der Salon und die übrigen Räume des Hinterteils ein hinreichendes Obdach gegen den stürmischen Wind. Die Küche hatte ebenfalls durch das Streifen über die Klippen nicht gelitten — zur großen Befriedigung der Kleinen, welche die Frage der Mahlzeiten vor allem anderen interessierte.
In der Tat war es ein Glück zu nennen, dass die Knaben nicht nötig hatten, die zu ihrer Einrichtung nötigsten Gegenstände nach dem Strand zu schaffen. Selbst wenn ihnen das gelungen wäre, mit welchen Schwierigkeiten, welchen Anstrengungen wäre es verknüpft gewesen! Blieb der »Sloughi« innerhalb der Klippenbank eingeklammert sitzen, wie hätten sie die Bergung des gesamten Materials bewerkstelligen sollen? Das Meer musste die Yacht doch bald demolieren, und was hätten sie dann von den Konserven, Waffen, dem Schießbedarf, den Kleidern, der Bettwäsche und den Geräten aller Art wohl retten können? Glücklicherweise hatten jene Flutwellen den »Sloughi« bis über den Klippengürtel hinausgeworfen. Wenn er damit auch niemals wieder flott werden konnte, so war er wenigstens bewohnbar geblieben, da sein Oberwerk sowohl dem Wellenschlage als auch dem nachfolgenden Stoße widerstanden hatte und nichts ihn wieder aus diesem sandigen Bette reißen konnte, in das sein Kiel tief eingesenkt war. Unter der abwechselnden Einwirkung der Sonne und des Regens musste er wohl endlich aus den Fugen gehen, seine Wand musste sich öffnen und das Verdeck schließlich aufspringen, sodass das Obdach, welches er jetzt noch bot, einmal unzulänglich zu werden drohte.
Doch bis dahin hatten die jungen Schiffbrüchigen entweder eine Stadt oder ein Dorf gefunden, oder wenn der Sturm sie auf eine ganz öde Insel verschlagen hatte, würden sie doch eine Grotte in den Uferfelsen entdeckt haben.
Am besten erschien es also, vorläufig an Bord des »Sloughi« zu bleiben, und dazu richtete man sich noch an demselben Tage ein. Eine an Backbord — nach welcher Seite die Yacht gesenkt lag — befestigte Strickleiter gestattete den Großen wie den Kleinen die Treppenkappe des Verdecks zu erreichen. Moko, der etwas vom Kochen verstand, wie es ihm als Schiffsjungen zukam, beschäftigte sich, unterstützt von Service, dem es Vergnügen machte, bei der Zubereitung der Speisen zu helfen, mit der Herrichtung einer Mahlzeit. Alle verzehrten dieselbe mit größtem Appetit, und Jenkins, Iverson, Dole und Costar verfielen selbst in ihre frühere gewohnte Heiterkeit. Nur Jacques Briant, ehemals der Singvogel des Pensionats, hielt sich auch jetzt noch beiseite. Eine solche Veränderung seines Charakters, seiner Gewohnheiten musste überraschen. Jacques aber, der jetzt höchst schweigsam geworden war, wusste sich allen diesbezüglichen Fragen seiner Kameraden geschickt zu entziehen.
Stark ermüdet nach so vielen Tagen und so vielen Nächten der Angst während des furchtbaren Sturmes, dachten endlich alle daran, sich schlafen zu legen. Die Kleinen verteilten sich in die Zimmer der Yacht, wo die Großen sich ihnen bald anschlossen. Briant, Gordon und Doniphan wollten jedoch der Reihe nach Wache halten. Konnten sie nicht den Überfall einer Bande wilder Tiere oder vielleicht gar eines Haufens Eingeborener erwarten, welch letztere gewiss nicht weniger zu fürchten waren? Doch nichts von dem geschah. Die Nacht verlief ohne Störung und als die Sonne aufging, machten sich alle nach einem Dankgebet zu Gott an die durch die Umstände gebotene Arbeit.
Zuerst galt es, sich über die Vorräte der Yacht Rechenschaft zu geben und dann das Material an Waffen, Instrumenten, Geräten, Werkzeugen, Kleidungsstücken usw. aufzunehmen. Die Frage bezüglich der Nahrung erschien als die dringendste, da die Küste ja völlig verlassen schien. Die Hilfsquellen hier beschränkten sich offenbar auf die Ausbeute der Fischerei oder