Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
früh kann ich mich doch nicht bei ihr melden lassen?
– Aber natürlich! Sie ist schon auf. Du wirst sie in meinem Arbeitszimmer finden, sie stellt eben ein paar Notizen für mich zusammen.
Der andere wollte nicht hinaufgehen:
– Nein, das geht nicht.
Forestier nahm ihn bei den Schultern, drehte ihn auf den Absätzen herum, stieß ihn zur Treppe und rief:
– Aber so geh doch, Du Dümmlack! Du kannst doch gehen, wenn ich Dir’s sage. Du wirst doch nicht verlangen, daß ich, um Dich vorzustellen und die Geschichte auseinanderzusetzen, wieder die drei Treppen hinaufklettere.
Da war Duroy entschlossen:
– Danke, ich gehe. Ich werde ihr sagen, daß Du mich gezwungen hast, einfach gezwungen, sie aufzusuchen.
– Gewiß, sie wird dich schon nicht auffressen, sei nur ganz ruhig. Vor allen Dingen vergiß nicht heute nachmittag um drei.
– Nein, keine Bange!
Und Forestier ging in seinem eiligen Schritt davon, während Duroy langsam Stufe um Stufe die Treppe hinaufstieg, indem er sich überlegte, was er wohl sagen sollte. Er war doch etwas in Unruhe über die Aufnahme, die er finden würde.
Der Diener machte auf, eine blaue Schürze vorgebunden und einen Besen in der Hand:
– Der gnädige Herr ist aus, sagte er, ohne die Frage abzuwarten.
Duroy ließ sich nicht abweisen:
– Fragen Sie die gnädige Fran, ob sie mich nicht annehmen kann und sagen Sie ihr, daß mich ihr Herr Gemahl schickt, den ich eben auf der Straße getroffen habe.
Dann wartete er. Der Mann kam wieder, öffnete eine Thür rechts und sagte:
– Die gnädige Frau läßt bitten.
Sie saß in einem Schreibtischstuhl, in einem kleinen Zimmer, dessen Wände gänzlich versteckt waren unter ganzen Reihen von Büchern auf schwarzen Holzgestellen. Die Einbände, in verschiedenen Farben, rot, gelb, grün, violett und blau, brachten Farbe in den Raum und etwas Abwechselung in die monotonen Reihen der Bücher.
Sie drehte sich lächelnd um, in ihrem weißen, spitzenbesetzten Morgenrock und reichte ihm die Hand, wobei ihr nackter Arm sich aus den weiten Ärmeln vorschob.
– Schon? – fragte sie. Dann fuhr sie fort:
– Das soll kein Vorwurf sein, nur eine Frage.
– O gnädige Frau, ich wollte nicht heraufkommen, aber Ihr Herr Gemahl, den ich unten traf, hat mich dazu gezwungen. Es ist mir so peinlich, daß ich gar nicht wage, Ihnen zu sagen, was mich herführt.
Sie bot ihm einen Stuhl an:
– Bitte, nehmen Sie Platz und reden Sie.
Zwischen den Fingern drehte sie einen Gänsekiel und vor ihr lag ein großes Blatt Papier, schon halb beschrieben: beim Eintritt des jungen Mannes hatte sie aufgehört.
Sie machte den Eindruck, als wäre sie ganz zu Haus am Arbeitstisch, wie in ihrem Salon, bei ihrer gewöhnlichen Beschäftigung. Ein leichter Duft entströmte dem Morgenrock, der Duft frischer Wäsche. Und Duroy suchte zu erraten und glaubte den jungen, weißen, runden, warmen Leib, den der weiche Stoff umschloß, zu sehen.
Da er nichts sagte, begann sie:
– Nun, was wünschen Sie?
Er stammelte zögernd:
– Ja, ich wage es wirklich nicht… ich habe nämlich gestern bis sehr spät noch gearbeitet… und heute morgen… sehr zeitig… um diesen Artikel zu schreiben… den Herr Walter über Algerien haben will – aber ich kriegte nichts Rechtes fertig und habe meine Versuche zerrissen! Ich bin eben an diese Arbeit nicht gewöhnt, und ich war zu Forestier gekommen, um ihn zu bitten, mir zu helfen! Nur das eine Mal!
Sie unterbrach ihn herzlich lachend, glückselig, fröhlich und geschmeichelt:
– Und er hat Ihnen gesagt, Sie sollen zu mir kommen? Das ist wirklich sehr nett!
– Ja, gnädige Frau, er hat mir gesagt, daß Sie mich aus der Verlegenheit ziehen würden, besser als er selbst. Aber wissen Sie, ich wagte es doch nicht, ich wollte es nicht, Sie werden begreifen…
Sie stand auf:
– Das wird reizend, wenn wir so zusammen arbeiten. Das ist eine wundervolle Idee von Ihnen. Da kommen Sie mal her, setzen Sie sich hier auf meinen Stuhl, denn bei der Zeitung kennt man meine Handschrift. Und ich werde Ihnen einen Artikel zurechtdeichseln, einen Artikel, Sie sollen mal sehen.
Er setzte sich, nahm die Feder, breitete vor sich ein Blatt Papier aus uud wartete.
Frau Forestier, die stehen geblieben war, sah seinen Vorbereitungen zu. Dann nahm sie eine Cigarette vom Kamin und steckte sie an:
– Ich kann nicht arbeiten ohne zu rauchen! Also nu sagen Sie mal, was wollen Sie denn erzählen?
Er blickte sie erstaunt an:
– Ja… das weiß ich eben nicht… deswegen bin ich doch zu Ihnen gekommen!
Sie meinte:
– Na ich werde Ihnen die Sache schon machen. Ich braue die Sauce, aber den Braten müssen Sie schon geben.
Er war in großer Verlegenheit. Endlich sagte er zögernd:
– Ja, ich möchte nämlich meine Reise von Anfang an erzählen.
Da setzte sie sich ihm gegenüber auf die andere Seite des großen Tisches und blickte ihm in die Augen:
– Gut, dann erzählen Sie mir’s zuerst, mir ganz allein. Wissen Sie, ganz gemütlich, vergessen Sie nichts, ich werde schon das aussuchen, was wir brauchen können.
Aber da er nicht wußte, wie er anfangen sollte, fing sie an, ihn auszuhorchen, wie ein Priester bei der Beichte, stellte bestimmte Fragen, die ihm gewisse Einzelheiten wieder ins Gedächtnis führten, die er vergessen, und Leute, die er kennen gelernt, Menschen, denen er einmal begegnet.
Als sie ihn dazu gebracht hatte, daß er so während einer knappen Viertelstunde gesprochen, unterbrach sie ihn plötzlich:
– Nun fangen wir an, ja? Wir wollen so thun als teilten Sie einem Freunde Ihre Eindrücke mit. Auf die Art können Sie eine Menge Unsinn reden und allerlei Bemerkungen einflechten, die sehr natürlich klingen und komisch dazu. Also nun los:
»Mein lieber Heinrich! Du willst gern etwas über Algerien wissen. Also hör zu. Ich werde Dir, da ich in der kleinen Lehmhütte, die mir als Wohnung dient, doch nichts anzufangen weiß, eine Art Tagebuch senden, Tag um Tag. Stunde um Stunde. Es wird zwar manchmal etwas gepfeffert werden, na – aber Du brauchst es ja nicht gerade den Damen Deiner Bekanntschaft zu zeigen.«
Sie unterbrach sich, um ihre ausgegangene Cigarette wieder anzustecken. Und sofort hörte das Kreischen der Gänsefeder auf dem Papier auf.
– Wir wollen fortfahren, sagte sie.
»Algerien ist ein großer, französischer Besitz an der Grenze jener mächtigen unbekannten Gegenden, die man die Wüste nennt, die Sahara, Zentral-Afrika u.s.w. u.s.w.
Algier ist die Eingangspforte, die weiße reizende Eingangspforte zu diesem merkwürdigen Erdteil.
Aber man muß erst herkommen und das ist nicht gerade jedermanns Sache. Du weißt, daß ich ein ausgezeichneter Reiter bin, da ich doch des Obersten Pferde zureite, nun man kann wohl ein guter Reiter sein und doch ein schlechter Seemann. Und das trifft bei mir zu.
Erinnerst Du Dich des Oberstabsarztes Simbretas, den wir immer Doktor Kotze nannten? Wenn wir uns gern mal vierundzwanzig Stunden im Lazarett jenes gesegneten Landes ausruhen wollten, so meldeten wir uns krank.
Er saß auf seinem Stuhl, die mächtigen Schenkel in seiner roten Hose auseinandergesperrt, die Hände auf den Knieen, die Arme im rechten Winkel, die Ellbogen in der Luft, rollte seine