Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
jetzt zu ihm zurück. Heute abend auf Wiedersehen!
Er küßte lange ihre Hand und ging davon, ohne ein Wort zu erwidern.
Abends sahen sie sich nur beim Essen, und dann zogen sie sich beide auf ihre Zimmer zurück, sie waren beide totmüde.
Karl Forestier wurde am andern Tage ohne Pomp auf dem Kirchhof von Cannes begraben, und Georg wollte den Schnellzug nach Paris benutzen, ein Uhr dreißig.
Frau Foreftier hatte ihn an den Bahnhof gebracht. Sie gingen ruhig auf dem Bahnsteig auf und ab, warteten auf die Abfahrt und sprachen von gleichgiltigen Dingen.
Der Zug kam, er zählte nur fünf Wagen, ein richtiger Eilzug.
Der Journalist belegte einen Platz, und stieg dann wieder aus, um noch ein paar Augenblicke mit ihr zu sprechen. Plötzlich überkam ihn eine Traurigkeit, ein Kummer, die Angst sie zu verlassen, als ob er sie auf immer verlieren würde.
Ein Schaffner rief:
– Marseille! Lyon! Paris! Einsteigen!
Duroy stieg ein und lehnte sich ans Fenster, um ihr noch ein paar Abschiedsworte zu sagen. Die Lokomotive pfiff, und der Zug setzte sich in Bewegung.
Der junge Mann beugte sich aus dem Wagen und sah der jungen Frau nach, die unbeweglich auf dem Bahnsteig stand und ihm gleichfalls nachblickte. Plötzlich als er sie fast aus dem Gesichtstreis verloren, legte er die Finger an den Mund und warf ihr eine Kußhand zu.
Sie erwiderte die Kußhand kaum merklich, zögernd, nur angedeutet.
Zweiter Teil
I
Georg Duroy führte wieder sein altes Leben.
In dem kleinen Erdgeschoß der Rue de Constantinople lebte er sehr solide, wie jemand der ein neues Leben beginnen will. Sogar seine Beziehungen zu Frau von Marelle hatten einen ehelichen Anstrich angenommen, als ob er sich schon im voraus auf das kommende Ereignis vorbereiten wollte; und seine Geliebte, die sich nachgerade über die ruhige Einförmigkeit ihres Verkehrs wunderte, sagte lachend:
– Du bist wahrhaftig noch hausbackener, wie mein Mann, da brauchte ich wirklich nicht zu wechseln.
Frau Forestier war noch nicht zurück gekommen. Sie blieb noch etwas in Cannes. Er bekam einen Brief von ihr, in dem sie ihre Rückkehr erst für Mitte April in Aussicht stellte, und mit keinem Wort ihren Abschied erwähnte. Er wartete. Er faßte jetzt den Entschluß alles in Bewegung zu setzen, um, wenn sie etwa zögerte, sie zur Heirat zu zwingen.
Aber er vertraute auf sein Glück, vertraute auf die Verführungskraft die er in sich fühlte, jene unwiderstehliche Gewalt, der alle Frauen unterlagen.
Ein paar kurze Zeilen benachrichtigten ihn, daß die Stunde der Entscheidung gekommen war:
»Ich bin wieder in Paris. Ich erwarte Sie.
Magdalene Forestier.«
Mehr schrieb sie nicht. Der Briefträger hatte den Brief um neun Uhr gebracht. Am selben Tage trat er um drei Uhr bei ihr ein. Sie streckte ihm beide Hände entgegen, ein liebenswürdiges Lächeln auf den Lippen. Ein paar Sekunden lang blickten sie sich an, dann sagte sie:
– Es war zu gut von Ihnen, daß Sie damals gekommen sind unter den fürchterlichen Umständen.
Er antwortete:
– Ich hätte alles gethan was Sie wollten.
Und sie setzten sich. Sie fragte genau nach Walters, nach den Redaktionskollegen, nach der Zeitung. Sie dachte noch oft an die Zeitung:
– Es fehlt mir doch viel in meiner Verlassenheit, ich bin wirklich ganz Journalist geworden, ich liebe nun mal diesen Beruf. – Dann schwieg sie.
Er glaubte zu verstehen. Er meinte aus diesem Lächeln, aus dem Ton ihrer Stimme etwas zu hören, wie eine Aufforderung. Und obgleich er sich vorgenommen hatte die Dinge nicht zu übereilen, stammelte er:
– Nun warum … warum sollten Sie … den Beruf nicht wieder ergreifen, unter … unter … dem Namen Duroy?
Sie wurde plötzlich wieder ernst, legte ihm die Hand auf den Arm und sagte:
– Wir wollen noch nicht davon sprechen.
Aber er erriet, daß sie annahm, fiel ihr zu Füßen und küßte leidenschaftlich ihre Hände, indem er stammelte:
– Dank, o Dank. Ich liebe Dich! Ich liebe Dich!
Sie stand auf. Er auch, und er merkte, daß sie sehr blaß war. Da begriff er, daß er ihr gefiel, vielleicht schon seit langem, und da sie einander gegenüber standen, schloß er sie in die Arme, küßte sie auf die Stirn mit langem, zärtlichem, innigem Kuß.
Als sie sich losgemacht, barg sie den Kopf an seiner Brust und sagte ernst:
– Lieber Freund, hören Sie einmal. Ich bin noch zu gar nichts entschieden, vielleicht sage ich allerdings ›ja,‹ aber Sie müssen mir versprechen, unbedingt zu schweigen, bis ich Sie von dem Versprechen entbinde.
Er schwur und ging glückselig davon.
Und von nun an war er sehr zurückhaltend mit seinen Besuchen und drängte sie nicht zur Entscheidung, denn sie hatte eine Art und Weise von der Zukunft zu sprechen, immer zu sagen ›nachher‹, Pläne zu machen für sie beide, die eine bessere und zartere Antwort waren, als eine förmliche Verlobung.
Duroy arbeitete viel, gab wenig aus, versuchte etwas zu sparen, um wenn er heiratete nicht ohne Mittel zu sein, und ward nun so geizig, wie er vorher verschwenderisch gewesen war.
Der Sommer verstrich, dann der Herbst ohne daß jemand etwas ahnte, denn sie sahen sich wenig und nur auf die unschuldigste Weise der Welt.
Eines Abends sagte Magdalene zu ihm und blickte ihm in die Augen:
– Haben Sie von unseren Absichten nie etwas an Frau von Marelle gesagt?
– Nein! Ich hatte Ihnen Verschwiegenheit gelobt und habe also keinem lebenden Wesen einen Ton gesagt.
– Nun, dann wäre es an der Zeit sie zu benachrichtigen. Ich werde es Walters sagen. Es geschieht diese Woche, nicht wahr?
Er war rot geworden:
– Ja, schon morgen.
Sie wandte langsam die Augen, als wollte sie seine Verlegenheit nicht bemerken und sprach:
– Wenn es Ihnen recht ist, können wir Anfang Mai heiraten, das würde sehr schön passen.
– Ich thue alles, was Sie wollen.
– Den zehnten Mai, er fällt auf einen Sonnabend, hätte ich gern, denn es ist mein Geburtstag.
– Gut, den zehnten Mai.
– Ihre Eltern wohnen doch bei Rouen. Sie sagten mir’s wenigstens.
– Ja in Canteleu bei Rouen.
– Was thun sie denn?
– Sie sind … sie sind … kleine Rentner.
– Ach, ich möchte sie gern kennen lernen.
Er war sehr erschrocken und zögerte:
– Sie sind nun mal … sie sind …
Dann faßte er einen mannhaften Entschluß und sagte:
– Liebe Freundin, sie sind einfache Bauern. Sie haben ein Wirtshaus und haben sich’s am Munde abgedarbt, mich etwas lernen zu lassen. Ich brauche nicht über sie zu erröten. Aber ihre … Einfachheit, ihre …