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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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Kopf zuckte.

      Er nahm die andere Hand, die sie auf die Stuhllehne gestützt hatte, aber sie entzog sie ihm heftig; dann murmelte sie wie stumpfsinnig:

      – O … mein Gott!

      Er kniete vor ihr hin, aber er wagte nicht sie zu berühren, und er stammelte mehr bedrückt durch ihr Schweigen, als er es durch einen Wutausbruch hätte sein können:

      – Clo, liebe kleine Clo, denke Dich doch einmal in meine Lage, überleg Dir einmal wie es mit mir steht. Ja, wenn ich Dich hätte heiraten können, Dich, da wäre ich ja so glücklich gewesen! Aber Du bist verheiratet! Was sollte ich denn thun? Überleg Dir doch einmal, bitte überleg Dir doch. Ich muß mir eine Stellung in der Welt machen, und so lange ich kein Heim habe, kann ich es nicht. Ach, wenn Du wüßtest …..es hat Stunden gegeben, wo ich Deinen Mann hätte ermorden können.

      Er sprach mit seiner weichen, verschleierten, verführerischen Stimme, die wie Musik ins Ohr klang.

      Er sah, wie zwei dicke Thränen langsam in die starren Augen der Geliebten stiegen und dann die Wangen hinabperlten, während sich schon zwei andere wieder am Lidrande bildeten.

      Er stammelte:

      – Ach weine doch nicht. Ich bitte Dich, weine doch nicht, es zerreißt mir das Herz.

      Da nahm sie sich zusammen, so sehr sie konnte, um stolz und würdig zu erscheinen und fragte mit jenem meckernden Ton einer Frau, die halb im Schluchzen ist:

      – Wer ist sie?

      Er zögerte eine Sekunde, aber dann sah er ein, daß er es ja doch sagen mußte und sprach:

      – Magdalene Forestier.

      Frau von Marelle bebte am ganzen Leib, dann blieb sie starr und stumm und dachte so angespannt nach, als hatte sie ganz vergessen, daß er ihr zu Füßen kniete.

      Und zwei helle Tropfen stiegen unausgesetzt in ihren Augen auf, fielen herab und bildeten sich wieder.

      Sie erhob sich. Duroy erriet, daß sie gehen wollte ohne ihm ein Wort zu sagen, ohne Vorwurf, aber auch ohne ihm zu verzeihn. Das verletzte ihn und demütigte ihn tief, er wollte sie zurückhalten, umfaßte ihr Kleid und umspannte ihre runden Beine, die er durch den Stoff sich strecken fühlte, um ihm zu widerstehen.

      Er flehte:

      – Ich beschwöre Dich, so darfst Du nicht fortgehen.

      Da blickte sie ihn an von oben bis unten mit jenem feuchten, verzweifelten Auge, reizend und traurig zugleich, das den tiefsten Schmerz eines Frauenherzens enthüllt, und stammelte:

      – Ich habe … ich habe Dir nichts zu sagen … ich will gar nichts ….. Du hast ganz recht ….. Du hast Dir das gewählt, was für Dich paßt.

      Und indem sie zurücktrat, machte sie sich frei und ging davon, ohne daß er versucht hätte sie länger zurück zu halten.

      Er war allein. Er erhob sich, ganz verstört, als hätte er einen Schlag auf den Kopf bekommen; dann fand er sich damit ab und brummte:

      – Ach was! Meinethalben, es ist ‘runter von der Leber, es hat keine Szene gegeben, das ist mir noch das liebste! – Und plötzlich, wo ihm dieses Riesengewicht von der Seele gefallen, fühlte er sich frei und befreit, zufrieden mit seinem neuen Los und fing an mit den Fäusten gegen die Wand zu trommeln, in der Trunkenheit des Erfolges und einer Art überschäumenden Kraftgefühls, als hätte er sich mit dem Schicksal selbst geschlagen.

      Als Frau Forestier ihn fragte:

      – Hast Du es Frau von Marelle gesagt? – antwortete er ganz ruhig:

      – Gewiß.

      Ihr helles Auge ruhte forschend auf ihm:

      – War sie nicht sehr erregt?

      – Nein, durchaus nicht! Sie fand unsere Verbindung im Gegenteil sehr passend.

      Die Neuigkeit wurde bald bekannt. Die einen waren sehr erstaunt, andere behaupteten, das hätten sie vorher gesehen; wieder andere lächelten, indem sie durchblicken ließen, das wundere sie weiter nicht.

      Der junge Mann unterzeichnete von nun ab seine Feuilletons: D. von Cantel, die Lokalnachrichten: Duroy und die politischen Artikel, die er von Zeit zu Zeit jetzt schrieb: du Roy. Er verbrachte jetzt die Hälfte seiner Zeit bei seiner Braut, die ihn mit schwesterlicher Zärtlichkeit behandelte, in die sich jedoch wirkliche, wenn auch noch unterdrückte Liebe mischte, etwas wie ein heimlicher Wunsch, wie eine Schwäche.

      Sie hatte beschlossen, daß die Hochzeit ganz im stillen stattfinden sollte, nur in Gegenwart der Zeugen, und am selben Abend wollten sie nach Rouen fahren. Am nächsten Tage würden sie dann die alten Eltern des Journalisten aufsuchen und ein paar Tage bei ihnen bleiben.

      Duroy hatte sich alle Mühe gegeben, sie von diesem Plane abzubringen, aber da es ihm nicht gelungen, so hatte er sich endlich darein gefügt.

      Am zehnten Mai also kamen die jungen Leute, nachdem sie kurz auf dem Standesamt gewesen, nach Haus um zu packen. Sie hatten eine kirchliche Trauung, da sie doch niemand eingeladen hatten, für unnötig erachtet.

      Mit dem Sechs-Uhrzug abends fuhren sie vom Bahnhof Saint-Lazare nach der Normandie davon.

      Bis sie im Wagenabteil allein saßen, hatten sie kaum zwanzig Worte mit einander gewechselt. Sobald der Zug in Bewegung war, blickten sie sich an und fingen an zu lachen, um eine gewisse Verlegenheit zu verbergen, die sie nicht zeigen mochten.

      Der Zug glitt langsam durch den langgestreckten Bahnhof Batignolles, dann durcheilte er die kahle Ebene, die sich von den Festungswerken bis zur Seine erstreckt.

      Duroy und seine Frau wechselten ab und zu ein paar gleichgiltige Worte und blickten dann wieder aus dem Fenster.

      Als sie über die Brücke von Asnières fuhren, freuten sie sich über den mit Schiffen bedeckten Strom, an dem Angler saßen, auf dem Ruderer ihre Boote lenkten.

      Die leuchtende Maisonne fiel in schrägen Strahlen auf die Boote und auf den ruhig daliegenden Fluß, der unbeweglich schien, ohne Strömung, als sei er geronnen unter der Hitze und dem Licht des sterbenden Tages. In der Mitte des Stromes glitt ein Segelschiff dahin, das nach beiden Seiten zwei große dreieckige Segel entfaltet hatte um auch den geringsten Lufthauch aufzufangen. Es sah aus, wie ein riesiger Vogel, der davon ftiegen will.

      Duroy sagte:

      – Ach ich liebe die Umgegend von Paris so sehr. Ich denke noch immer an die Bratfische hier draußen, die besten die ich je gegessen.

      Sie antwortete:

      – Und die Boote! Ach es ist doch zu schön bei Sonnenuntergang über das Wasser zu gleiten.

      Dann schwiegen sie, als wagten sie nicht, diese Ergüsse über ihr vergangenes Leben fortzusetzen. Sie blieben stumm und genossen vielleicht schon leise den poetischen Zauber, mit dem die Reue Verlornes umkleidet.

      Duroy saß seiner Frau gegenüber, er nahm ihre Hand und küßte sie langsam:

      – Wenn wir wieder zu Hause sind, wollen wir manchmal nach Chatou zum Essen hinausfahren? Nicht?

      Sie flüsterte:

      – Ach wir werden so viel zu thun haben – in einem Ton, der soviel sagen sollte als: Wir müssen das Angenehme dem Nützlichen opfern.

      Er hielt noch immer ihre Hand und fragte sich ängstlich, wie er den Übergang zur Zärtlichkeit finden sollte.

      Die Unschuld eines jungen Mädchens hätte ihn nicht in Verlegenheit gesetzt, aber die Gerissenheit und Erfahrung, die er in Magdalene witterte, machte ihn befangen.

      Er fürchtete, ihr thöricht vorzukommen, entweder zu schüchtern oder zu roh vorzugehen, zu langsam oder zu schnell.

      Er drückte ab und zu ihre Hand, aber sie gab den Druck nicht zurück.

      Er sprach:

      – Es ist doch zu komisch, daß Du meine Frau bist. Das schien sie in Erstaunen zu setzen. –


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