Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.
Nein, ich werde sie sehr lieb haben. Wir wollen sie besuchen, ich will es, wir werden darüber noch sprechen. Ich stamme auch von kleinen Leuten, aber ich habe meine Eltern verloren. Ich habe niemand auf der Welt …
Sie streckte ihm die Hände entgegen und fügte hinzu:
– … als Sie.
Er fühlte sich weich geworden, bewegt, überwunden, wie es ihm noch nie bei einer Frau geschehen.
– Ich habe an etwas gedacht, sagte sie, aber es ist nicht leicht zu erklären.
Er fragte:
– Was denn?
– Nun lieber Freund, ich bin wie alle Frauen, ich habe meine … Schwächen, meine Kleinlichkeiten. Ich liebe alles was glänzt, was gut klingt, ich wär’ zu gern adlig gewesen. Könnten Sie nicht bei Gelegenheit unsrer Heirat sich … sich nobilitieren?
Sie war nun ihrerseits rot geworden, als ob sie ihm etwas Taktloses vorgeschlagen hätte. Er antwortete ganz einfach:
– Daran habe ich schon öfters gedacht, aber ich glaube, das ist nicht so leicht.
– Warum denn?
– Ich fürchte, mich lächerlich zu machen.
Sie zuckte die Achseln:
– Aber warum, warum? Das thun sie doch alle und niemand findet etwas dabei. Sie trennen einfach Ihren Namen und schreiben: »Du Roy!« Das geht doch sehr gut.
Er antwortete sofort wie jemand, der die Sache bereits erwogen hat:
– Nein, das geht nicht. Das ist zu gewöhnlich, zu gemein, zu abgedroschen. Ich hatte gedacht ich könnte vielleicht den Namen meiner Heimat annehmen, etwa zuerst als litterarisches Pseudonym. Dann könnte ich ihm allmählich meinen Namen hinzufügen und ihn später vielleicht, wie Sie mir vorgeschlagen haben, trennen.
Sie fragte:
– Ihre Heimat ist Canteleu?
– Jawohl!
Sie zögerte:
– Nein die Endung liebe ich nicht. Wenn man aber das Wort Canteleu etwas änderte?
Sie hatte eine Feder vom Tisch genommen und warf nun ein paar Namen hin, um zu sehen wie sie aussähen. Plötzlich rief sie:
– Warten Sie, ich glaube, jetzt hab’ ich’s. Und sie hielt ihm ein Stück Papier hin, auf dem er las: ›Frau Duroy von Cantel‹.
Er dachte ein paar Augenblicke nach, dann erklärte er mit Entschiedenheit:
– Ja, das geht sehr gut!
Sie war entzückt und wiederholte:
– Duroy von Cantel, Duroy von Cantel! Frau von Cantel, Frau von Cantel! Das ist famos. Das ist famos!
Sie fügte mit überzeugter Miene hinzu:
– Und Sie werden sehen, wie leicht das die Menschen annehmen. Aber man muß die Gelegenheit beim Schopfe fassen. Später könnte es zu spät sein. Schon von morgen an müssen Sie Ihre Artikel unterzeichnen ›D. von Cantel‹, und die Lokalnachrichten einfach ›Duroy.‹ Das geschieht ja in der Presse immerfort und kein Mensch wird etwas dabei finden, wenn Sie einen Decknamen annehmen. Bei der Hochzeit können wir das dann noch ein wenig verändern, indem wir unseren Freunden sagen: Aus Bescheidenheit hätten Sie den Adel in Duroy wegen Ihrer Stellung unterdrückt, oder wir sagen überhaupt gar nichts. Wie heißt Ihr Vater mit Vornamen?
– Alexander.
Sie sagte zwei oder drei Mal hinter einander:
– Alexander Alexander … – dem Klang der Silben lauschend, und dann schrieb sie auf ein weißes Blatt:
Herr und Frau Alexander du Roy von Cantel haben die Ehre Ihnen die Vermählung ihres Sohnes, des Herrn Georg du Roy von Cantel mit Frau Magdalene Forestier anzuzeigen.
Sie hielt das Blatt ein Stück von den Augen, ganz entzückt von der Wirkung und sagte:
– Wenn man es nur ein bißchen zu drehen und zu wenden weiß, kriegt man alles fertig, was man will.
Als er auf der Straße stand und nun fest entschlossen war, sich von jetzt ab du Roy und sogar du Roy von Cantel zu nennen, war es ihm als hätte er nun wirklich eine besondere Wichtigkeit gewonnen. Er ging mit größerer Sicherheit dahin, den Kopf erhoben, stolzer den Schnurrbart gedreht, wie ein wahrer Edelmann, und es wandelte ihn die Lust an jedem Vorübergehenden zu sagen:
– Ich heiße du Roy von Cantel.
Aber kaum war er zu Hause angelangt, so beunruhigte ihn der Gedanke an Frau von Marelle, und er schrieb ihr sofort und bat sie um ein Stelldichein am folgenden Tage.
»Das wird eine schwierige Geschichte werden«, dachte er, »das giebt einen ekligen Zusammenstoß.«
Dann fand er sich mit jener natürlichen Leichtlebigkeit damit ab, die ihn über die unangenehmen Dinge des Lebens hinweghuschen ließ. Und er machte sich an einen Artikel über neue Steuern, die erhoben werden müßten, um das Gleichgewicht des Staatshaushaltes herzustellen. Er forderte für das einfache Adelsprädikat eine Steuer von hundert Franks jährlich und für die Titel vom Baron bis zum Prinzen Steuern von fünfhundert bis tausend Franken.
Das unterzeichnete er: D. von Cantel.
Am folgenden Tage erhielt er ein Stadttelegramm von seiner Geliebten mit der Nachricht, sie würde um ein Uhr kommen.
Er erwartete sie mit einiger Erregung, jedoch fest entschlossen, die Dinge bis zum äußersten zu treiben und sofort mit der Thür ins Haus zu fallen und alles zu sagen, wobei er dann nach der ersten Erregung ihr genau alle Gründe auseinander setzen wollte, um ihr zu beweisen, daß er nicht auf ewige Zeiten Junggeselle bleiben könnte und er daran habe denken müssen, da nun einmal Herr von Marelle beharrlich leben blieb, eine andere zu seinem legitimen Ehegespons zu machen.
Aber er war doch erregt, und als die Glocke klang, klopfte ihm das Herz.
Sie fiel ihm um den Hals:
– Guten Morgen, Liebling! Aber dann fand sie, daß er sie nur kühl umarmte, betrachtete ihn und fragte:
– Was hast Du denn?
– Setz Dich bitte, sagte er, wir müssen einmal was Ernstes reden.
Sie setzte sich, ohne den Hut abzunehmen, schlug nur den Schleier auf und wartete.
Er hatte die Augen gesenkt und suchte wie er anfangen sollte. Endlich begann er langsam:
– Liebe Freundin, ich muß Dir etwas gestehen, was mich in große Verlegenheit setzt und mich sehr traurig macht. Ich liebe Dich! Ich liebe Dich aus tiefster Seele, und ich kann Dir sagen, daß die Befürchtung, Dir weh zu thun, mich trauriger stimmt, als das was ich Dir mitzuteilen habe.
Sie ward bleich, zitterte und stammelte:
– Was ist denn los? So sag doch!
Er antwortete in entschlossenem Ton, mit jener geheuchelten Niedergeschlagenheit, die man annimmt, um ein glückliches Unglück mitzuteilen:
– Ich will heiraten.
Sie stieß einen Seufzer aus, wie eine Frau, die in Ohnmacht fällt, einen schmerzlichen Seufzer, der aus der Tiefe ihrer Seele kam, dann schnappte sie nach Luft und konnte nicht sprechen vor Atemnot.
Als er sah, daß sie nichts sagte, begann er:
– Du kannst Dir nicht vorstellen, was ich gelitten habe, ehe ich zu diesem Entschluß gekommen bin. Aber ich habe keine sichere Stellung, kein Geld, ich bin allein, verloren in Paris. Ich mußte jemand mir zur Seite haben, vor allem jemand der mir einen Rat geben könnte, einen Trost, eine Stütze. Ich habe sozusagen eine Verbündete, eine Genossin gesucht und gefunden.
Er schwieg, in der Hoffnung sie würde antworten, und war auf einen fürchterlichen Wutausbruch, auf allerlei Gewaltthätigkeiten und Beschimpfungen gefaßt.
Sie