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Gesammelte Werke von Guy de Maupassant. Guy de MaupassantЧитать онлайн книгу.

Gesammelte Werke von Guy de Maupassant - Guy de Maupassant


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Kreuz, indem er die Lippen bewegte, als hätte er gebetet, und sagte:

      – Der heilige Antonius schütze mich, der die Versuchung überwand. Ich bin von nun an aus Marmor.

      Langsam kam die Nacht und sank mit durchsichtigem, leichtem Schleier über die weite Ebene, die sich rechts von ihnen erstreckte. Der Zug fuhr an der Seine hin, und das junge Paar blickte auf den Fluß, der wie ein breites glitzerndes Metallband, in dem sich rote Reflexe spiegelten, vom Himmel gefallene Lichter, die die untergehende Sonne in purpurner Lohe herabwarf, neben der Eisenbahn hinzog.

      Allmählich erstarb dieser Schein, ward dunkel, und die Landschaft tauchte ins Schwarze hinab, mit jenem düsteren Schauer, jenem Schauer des Todes, den die Dämmerung immer auf die Erde wirft.

      Die Melancholie der Abendstimmung, die durch das offene Fenster fiel, drang in ihre Seelen, und die beiden, die noch eben so lustig waren, schwiegen nun.

      Sie hatten sich dicht aneinander gedrängt um das Sterben des schönen Maitages zu beobachten.

      In Mantes wurden im Zug die Lampen angezündet, und das gelbe, zitternde Lampenlicht fiel auf die gelben Polster.

      Duroy umarmte seine Frau und preßte sie an sich. Sein glühender Wunsch von vorhin wandelte sich in sanfte Zärtlichkeit, in eine erschlaffende Zärtlichkeit, die tröstende Liebkosungen begehrt, wie die, womit man ein Kind einschläfert.

      Er flüsterte:

      – Ich will Dich so lieb haben, meine kleine Magda.

      Der süße Ton seiner Stimme bewegte die junge Frau, daß ihr ein plötzlicher Schauer über den Leib lief und sie ihm die Lippen darbot, indem sie sich zu ihm herabbeugte, denn er hatte seine Wange an ihre Brust gelehnt.

      Sie fanden sich in einem langen stummen Kuß, fuhren dann auf, ein kurzer atemloser Kampf folgte, dann fanden sie sich, – überstürzt und unbequem.

      Darauf blieben sie eng umschlungen liegen, beide etwas enttäuscht, müde und noch zärtlich, bis der Pfiff der Lokomotive eine nahe Station anzeigte.

      Sie sagte, indem sie sich mit den Fingerspitzen die zerzausten Haare ordnete:

      – Das ist zu dumm, wir benehmen uns wie die Kinder.

      Aber er küßte ihre Hände abwechselnd, eine nach der andern mit fieberhafter Hast und sprach:

      – Ich liebe Dich zum Wahnsinnigwerden, meine kleine Magda.

      Bis Rouen blieben sie nun fast unbeweglich, Wange an Wange sitzen, durch das Fenster in die Nacht hinausstarrend in der ab und zu aus einem Haus ein Licht aufblitzte. Sie träumten, glücklich, einander so nahe zu sein und in steigender Erwartung einer zärtlicheren, freieren Liebe.

      Sie stiegen in einem Hotel ab, dessen Fenster auf den Quai gingen und legten sich zu Bett, nachdem sie nur eine Kleinigkeit zu Abend gegessen.

      Das Zimmermädchen weckte sie am andern Morgen, als es eben acht Uhr war. Nachdem sie eine Tasse Thee getrunken, die auf dem Nachttisch stand, blickte Duroy seine Frau an, dann packte er sie mit plötzlichem Ansturm, wie ein Glücklicher der einen Schatz gefunden hat, in die Arme und stammelte:

      – Meine kleine Magda, ich habe Dich so lieb. Ich habe Dich so lieb, so lieb!

      Sie lachte mit ihrem zutraulichen, zufriedenen Lächeln und flüsterte, indem sie ihm seine Küsse zurück gab:

      – Vielleicht … ich Dich auch!

      Aber ihn beunruhigte dieser Besuch bei seinen Eltern. Er hatte schon längst seine Frau vorbereitet und ihr Reden gehalten; aber er meinte, es wäre gut, wieder anzufangen:

      – Du weißt, sie sind Bauern, einfache Landleute, wie sie wirklich sind, keine Theaterbauern.

      Sie lachte:

      – Das weiß ich. Du hast es mir doch oft genug gesagt! Aber nun steh mal auf, daß ich auch aufstehen kann.

      Er sprang aus dem Bett und zog die Socken an.

      – Weißt Du, bei meinen Eltern zu Haus ist es aber nicht elegant. In meinem Zimmer steht nur ein altes Bett mit Strohsack. Sprungfedermatrazen giebt es nicht in Canteleu.

      Sie schien glückselig zu sein:

      – Desto besser. Es ist reizend auch mal schlecht zu schlafen .. mit … mit Dir, und wenn einen dann die Hähne wecken.

      Sie hatte einen Morgenrock übergeworfen, einen langen Rock aus weißem Flanell, den Duroy sofort wieder erkannte. Der Anblick berührte ihn peinlich. Warum? Seine Frau besaß, das wußte er ganz genau, wohl ein Dutzend Morgenkleider, da brauchte sie allerdings nicht ihre reiche Ausstattung fortzuwerfen, um ein neues zu kaufen. Aber trotzdem hätte er es gern gesehen, wenn ihre Wäsche, die sie am Tage und bei Nacht, in der Stunde der Liebe trug, nicht dieselbe gewesen wäre, die sie zu Lebzeiten des andern angehabt. Es war ihm, als ob der weiche, warme Stoff etwas von Forestiers Berührung behalten hätte.

      Er trat ans Fenster und steckte sich eine Cigarette an. Der Anblick des Hafens, des breiten Flusses, der von Schiffen wimmelte, mit schlanken Masten, von dickbauchigen Dampfern, die mit großem Lärm an den Quais mittels der Schiffskrahne gelöscht wurden, packte ihn doch, obgleich es für ihn ein altgewohnter Anblick war, und er rief:

      – Donnerwetter, ist das hübsch!

      Magdalene lief herbei, lehnte sich auf ihres Mannes Schulter und blieb so, zu ihm gebeugt, ganz starr, entzückt und bewegt von dem Anblick, indem sie fortwährend sagte:

      – Ach ist das hübsch, ist das hübsch! Ich habe ja gar nicht geahnt, daß es so viele Schiffe giebt!

      Eine Stunde später fuhren sie davon, denn sie wollten bei den Eltern frühstücken, die sie schon seit ein paar Tagen benachrichtigt hatten. Ein offener Wagen, dessen rostige Federn einen Lärm verursachten, wie in einer Kesselschmiede, brachte sie hin. Sie fuhren zuerst durch eine ziemlich häßliche, breite Straße, dann kamen sie durch Wiesen, die ein Bächlein durchfloß und fingen darauf an, die Anhöhe hinan zu fahren.

      Magdalene war müde. Sie war eingenickt bei den warmen Sonnenstrahlen, die sie so köstlich auf dem Sitz des alten Wagens wärmten, als läge sie ausgestreckt in einem lauen Bade von Licht und frischer Landluft.

      Ihr Mann weckte sie:

      – Sieh doch mal! sagte er.

      Auf zweidrittel der Höhe, an einem berühmten Aussichtspunkt, der allen Reisenden gezeigt wird, hielt der Wagen.

      Von hier aus hatte man den Blick über das langgestreckte, breite Thal, das der glitzernde Fluß in großen Windungen von einem Ende zum andern durchzog. Dort drüben kam er her, zahlreiche Inseln lagen in seinem Lauf, und ehe er Rouen durchfloß, beschrieb er einen Bogen.

      Dann sah man die Stadt auf dem rechten Ufer im Morgennebel halb versteckt, mit Sonnenreflexen auf den Dächern und ihren tausend schlanken Kirchtürmen, spitz oder gedrungen, zart und zierlich gearbeitet wie riesige Schmucksachen, mit den eckigen oder runden Zinnen die mit heraldischen Mauerzacken gekrönt waren; mit ihren Sturmglocken und Glockentürmen, ein ganzes Meer von gotischen Kirchenspitzen, die alle der schlanke Turm der Kathedrale überragte, eine wundersame Nadel aus Bronze, häßlich, seltsam und gigantisch, der höchste Turm der Welt!

      Gegenüber, auf der andern Seite des Flusses erhoben sich, rund und an ihrer Spitze ausgebuchtet, die schmalen Fabrikschornsteine der weiten Vorstadt Saint-Sever.

      Zahlreicher, als ihre Brüder die Kirchtürme, schoben sie weit hinaus in die ferne Ebene ihre langen Reihen von Ziegelsteinsäulen vor, und bliesen zum blauen Himmel schwarze Rauchwolken empor.

      Und am höchsten von allen, so hoch wie die Pyramide von Cheops, das zweithöchste Bauwerk von Menschenhand, beinahe ebenso hoch, wie seine stolze Schwester, die Kathedrale, reckte sich dort der große Schornstein von ›La Foudre‹ empor, wie der König des rauchenden Viertels der Arbeit; ebenso wie seine Nachbarin die Königin all der kirchlichen Bauten war.

      Dort hinten, hinter dem Arbeiterviertel, erstreckte sich ein Tannenwald, und die Seine setzte, nachdem sie zwischen


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