Perry Rhodan Neo Paket 24. Perry RhodanЧитать онлайн книгу.
Verpackungsmüll und Gläser. Mücken tanzten im Halbdunkel, und die Holzbalken an der Decke waren von der Salzluft angegriffen und benötigten dringend einen neuen Anstrich. Rhodan versuchte sich zu erinnern, wann er Bull das letzte Mal zu Hause besucht hatte. Es musste länger her sein, als er sich eingestehen mochte, denn ihm fiel wieder ein, dass Autum Legacy sich damals noch darüber beklagt hatte, dass der Bungalow zwar durchaus im Stil der Achtziger eingerichtet war, aber der falschen Achtziger. Und die gegenseitigen Besuche von ihm und Thora sowie Reginald und Autum waren schon eine ganze Weile kein Thema mehr.
»Reg!«
Rhodan eilte zur Küche. Auch dort bot sich ein Bild der Verwahrlosung. Eine dicke Fettschicht hatte Herd und Töpfe überzogen, der Boden war voller Krümel, und in der Spüle stapelten sich leere Flaschen. Insbesondere die Whiskyflaschen gaben Rhodan zu denken. Bull hatte schon immer gern einen guten Tropfen genossen, aber er war nie ein Trinker gewesen.
Auf der Wohnzimmeranrichte stand ein gerahmtes Foto von Bulls Töchtern. Daneben lag ein weiteres Bild auf dem Gesicht. Rhodan richtete es auf: Es zeigte Reginald Bull, Autum Legacy und die Mädchen, an einem Sonnentag vor langer Zeit. In der Nähe entdeckte er einen Thermostrahler, die Dienstwaffe eines Flottenoffiziers. Sie war nicht gesichert. Rhodan runzelte die Stirn, nahm die Waffe, sicherte sie und legte sie wieder zurück. Dann trat er an den nächsten Positronikzugang und kontrollierte den Status des Hauses. Wie erwartet, waren die meisten automatischen Systeme ausgeschaltet, ebenso die Servoroboter. Das war nicht gut. Die Privatsphäre des Protektors in allen Ehren – aber wenn es wirklich einen Notfall gab, war es die Aufgabe dieser dienstbaren Geister, Hilfe zu rufen.
Rhodan folgte einer Spur zertretener Salzstangen, zerknüllter Servietten und klebriger Getränkeflecken zur hinteren Tür hinaus auf die Veranda. Dort trafen sich alle Müllpfade in einem kleinen Chaos zu Füßen des alten Rattansessels, der auf den Goshunsee hinausblickte.
Keine Spur von Bull. Aber Rhodan hörte deutlich die Schläge eines Hammers aus dem großen Schuppen zwischen Haus und Ufer. Er setzte sich schon in Bewegung, dann hielt er inne. Über dem Geländer der Veranda hing achtlos hingeworfen ein getragenes Hemd. Und daneben, am Eckpfosten der kurzen Treppe, hing Bulls Zellaktivator an seiner Kette.
Nun machte sich Rhodan ernstlich Sorgen. Wieso hatte Bull den Aktivator abgelegt? Und ganz davon abgesehen: Etwas so Wertvolles sollte man nicht einfach irgendwo rumliegen lassen ...
Rhodan nahm den Zellaktivator an sich, eilte die Treppe hinab und ging weiter zum Schuppen. Das Hämmern wurde lauter, von einzelnen Flüchen durchsetzt. Rhodan atmete erleichtert aus. Das war definitiv Bull, und solange er noch fluchte, ging es ihm gut.
Am Eingang des Schuppens bot sich Rhodan ein denkwürdiger Anblick. Bull, von dem Rhodan nur die Beine sah, lag drinnen auf dem Rücken wie ein Kfz-Mechaniker unter einer großen Holzkonstruktion, bei der es sich mit viel Phantasie um den Rumpf eines breiten Boots handeln konnte. Neben Bull stand eine halb volle Flasche Whisky. Überall lag Werkzeug verstreut, an der Wand stapelten sich Planken und Gestänge sowie verschiedenste Bauteile aus Holz und Metall. Es roch nach heißen Sägespänen, Teer und Öl. Zwar hatte sich Bull schon immer als Bastler bestätigt ... doch dies war etwas anderes. Das Ding war rau. Es war schmutzig. Es war ... fundamentaler als Bulls frühere Projekte.
»Was hast du vor?«, fragte Rhodan laut. »Die erste Überquerung des Goshunsees nur mit Muskelkraft?«
Reginald Bull schreckte auf, schlug sich den Kopf an und stieß einen Schrei aus. »Au, verdammt!« Hastig kam er unter dem Rumpf hervorgekrochen und starrte Rhodan mit einer Mischung aus Vorwurf und Unglauben an. »Du! Du bist ein Mistkerl, weißt du das?«
»Tut mir leid, dass du dir den Kopf gestoßen hast, Reg.«
»Das meine ich nicht.« Bull klopfte mit der Faust auf sein Werk. »Das hier ist mir wichtig. Musst du dich darüber lustig machen? Na, wenigstens hast du erkannt, was es sein soll.«
»Du überschätzt mich«, gestand Rhodan. »Was soll es denn werden?«
»Es ist ein Tretboot.«
»Ein Tretboot?« Rhodan glaubte, sich verhört zu haben.
»Ein Tretboot.« Als wäre damit alles geklärt, griff Bull nach der Flasche, bot sie Rhodan an und nahm, als dieser den Kopf schüttelte, selbst einen Schluck.
»Du sitzt in deinem Schuppen und baust ein Tretboot«, konstatierte Rhodan verwirrt.
»Ich hatte das schon ewig vor. Weißt du noch, im ersten Jahr, als Autum bei mir einzog? Da redeten wir häufig darüber, dass es keine Tretboote auf dem See gibt.«
Rhodan schüttelte bedauernd den Kopf
»Was ist ein ordentlicher See ohne Tretboote?«, fuhr Bull unbeirrt fort. »Ich will es dir sagen: eine Spielwiese für Vollidioten und ihre Jetskis. Kein Mensch weiß mehr die Langsamkeit eines einfachen Tretboots zu schätzen.« Er wischte sich die Stirn und grinste schwach. »Eigentlich ist die Idee sogar noch älter. Ich wollte schon immer mal ein Boot bauen.«
»Wenn du dich unbedingt umbringen willst, gibt es schnellere Wege, weißt du«, sagte Rhodan und ließ den Aktivator an seiner Kette baumeln.
Etwas an seiner Stimme ließ das Grinsen aus Bulls Gesicht verschwinden. »Woher hast du den?«, fragte er.
»Gefunden«, antwortete Rhodan wahrheitsgemäß. »Draußen an der Veranda.«
Bull grunzte.
»Wie lange trägst du ihn schon nicht mehr?«
Sein Freund zuckte die Achseln. »Ich lege ihn immer mal wieder ab. Dachte mir, vielleicht hält er so länger.«
»Macht er Probleme?«, erkundigte sich Rhodan besorgt. Er wusste noch gut, wie machtlos er sich gefühlt hatte, als bei seinem eigenen Zellaktivator Funktionsstörungen aufgetreten waren.
»Ach, ein bisschen«, wehrte Bull ab. »Wird schon wieder, nehme ich an.«
Zweifelnd zog sich Rhodan eine Kiste heran und setzte sich. »Was ist los, Reg? Marcus sagt, du bist seit Tagen abgetaucht.«
»Kommt drauf an.« Bull kratzte sich am Kopf. »Was für ein Tag ist es denn?«
»Mittwoch. Es ist Mittwoch, Reg.«
Bull nickte. »Marcus ist prima. Ohne ihn wüsste ich nicht mal, wo ich meine Hosen habe.«
»An die immerhin hast du gedacht.« Rhodan musterte Bulls schweißfleckiges Unterhemd. »War es deine Idee, Marcus aus dem Ruhestand zu holen?«
»Du warst nicht da. Stellte sich raus, dass Systemadmiral und Protektor ein bisschen viel für einen alten Sack wie mich ist. Auf Marcus ist Verlass.«
»Marcus ist neunzig«, sagte Rhodan. »Und trägt keinen Aktivator.«
»Danke.« Bull trank einen weiteren Schluck. »Jetzt komme ich mir wie ein Arschloch vor.«
»Ernsthaft, Reg.« Allmählich wurde Rhodan ungeduldig. »Ist es die Arbeit? Der Aktivator? Ist es Autum? Wenn es irgendwas gibt, was ich ...«
Bull wedelte mit dem Finger, als hätte Rhodan ihm gerade ein beleidigendes Angebot gemacht. »Wo warst du? Also zuletzt, meine ich. Du bist von Arkon heimgekommen und dann gleich wieder weg.«
»Ich war auf Olymp. Willst du wissen, warum?«
Bull stellte die Flasche neben sich auf dem Boden ab und reckte aufmerksam den Kopf wie ein Schüler in einem Klassenraum ohne Stühle.
»Also schön. Der Kaiser von Olymp ...?«
»Ja?«, fragte Bull. »Kenne ich.«
»Der ist meine Tochter.«
Bull zeigte erst keine Regung. Dann blinzelte er. »Sag das noch mal.«
»Anson Argyris.«
»Ja?«
»Ist Nathalie.«
»Anson Argyris ist Nathalie«, wiederholte Bull.
»Reg!«, klagte