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Sophienlust Bestseller Box 2 – Familienroman. Marisa FrankЧитать онлайн книгу.

Sophienlust Bestseller Box 2 – Familienroman - Marisa Frank


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der Tür zu Klaus Meinradts Zimmer blieb sie einen Moment nachdenklich stehen. Dann entschloß sie sich doch, hineinzugehen.

      Der Mann lag reglos in seinem Bett, den Kopf hatte er zur Wand gedreht. Alles deutete darauf hin, daß er tief und fest schlief. Nur sein unregelmäßiger, heftiger Atem machte deutlich, wie erregt der Kranke war.

      Das Klappern der Tür ließ ihn zusammenfahren, aber er drehte sich nicht um.

      Leise kam Mandy näher. Ihr Herz krampfte sich vor Mitleid zusammen, und am liebten hätte sie seine dunkle wirre Haarflut gestreichelt. Aber eine innere Scheu hielt sie davon zurück. Ratlos stand sie an seinem Bett und suchte fieberhaft nach den richtigen Worten. Aber das grenzenlose Mitleid verschloß ihre Lippen.

      Nach einer Weile drehte sich Klaus langsam zu ihr um. »Sie, Mandy?« fragte er tonlos, und seine Augen hatten jeden Glanz verloren.

      Die junge Krankenschwester sah, daß er geweint hatte. Seine Lider waren gerötet und um seinen Mund zuckte es noch immer schmerzlich.

      »Kann ich Ihnen irgendwie helfen, Herr Meinradt?« fragte sie vorsichtig und trat noch einen Schritt näher. Fast berührte sie seine Hand, die zu einer Faust geballt war.

      »Mir helfen?« Er lachte bitter auf. »Mir kann niemand mehr helfen. Ich habe meine Frau und mein Baby auf dem Gewissen. Und da kommen Sie und wollen mir helfen.« Er lachte, bis ihm Tränen aus den Augenwinkeln liefen.

      Ein eisiger Schauder rann Mandy über den Rücken. »Nicht, nicht, so hören Sie doch bitte auf«, bat sie verzweifelt.

      Aber Klaus hatte ihre Worte gar nicht wahrgenommen. Sein Gesicht hatte sich zu einer Grimasse verzogen.

      Mandy wußte nicht, was sie tun sollte. In ihrer Verzweiflung hob sie die Hand, als ob sie ihn schlagen wollte. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen vor Angst.

      Mit weit aufgerissenen entsetzten Augen starrte Klaus Meinradt die junge Krankenschwester an, die sich mehr um ihn kümmerte, als es eigentlich ihre Pflicht war.

      »Nur zu, schlagen Sie mich nur«, flüsterte er kaum hörbar. »Ich habe es verdient, Schwester Mandy. Schlagen Sie mich ruhig, denn ich muß büßen. Büßen für den Tod meiner geliebten Frau, den ich allein verschuldet habe.«

      Sein Stöhnen ging in leises Wimmern über, aber zum Glück war der irre Ausdruck in seinen Augen verschwunden. Jetzt wußte Mandy, daß er das Schlimmste überstanden hatte. Den Rest mußte die Zeit heilen.

      Mitleidig strich sie ihm über sein tränenüberströmtes Gesicht. »Vergessen Sie nicht, daß Sie noch einen Sohn haben. Ulli braucht Sie jetzt dringender denn je. Er hat nur noch seinen Vater.«

      Klaus Meinradt wischte sich über das Gesicht. »Sie haben recht, Mandy«, antwortete er leise. »Ich muß leben für meinen Sohn. Ulli ist ja alles, was mir von meiner Familie noch geblieben ist.«

      »Ja, Ulli und Timo«, antwortete Mandy, und der Blick ihrer großen dunklen Augen drückte die ganze Liebe aus, die sie für den gebrochenen Mann empfand.

      Aber Klaus Meinradt war gefangen in einem Käfig aus Trauer und Schuld, aus dem es vorläufig kein Entrinnen gab.

      *

      Der rote Kleinbus mit der Aufschrift »Kinderheim Sophienlust« hielt vor der breiten Freitreppe des ehemaligen Herrenhauses.

      »Nur nicht so drängeln«, rief Fabian Söller, ein hochaufgeschossener Junge, der das Glück gehabt hatte, den Bus als erster verlassen zu können.

      »Red doch nicht so einen Quatsch«, schimpfte Pünktchen, die als eine der letzten an die Reihe kam. »Mir trocknet durch die Hitze fast das Hirn ein, und außerdem fangen meine Ferien erst in dem Moment an, wenn ich diese Treppe hier betrete.« Die Dreizehnjährige, die wegen ihrer unzähligen Sommersprossen nur Pünktchen genannt wurde, baute sich vor Fabian auf, der aber offensichtlich weder Angst noch Respekt vor ihr hatte.

      »Nun halt aber die Luft an, Angelina«, sagte er unerschrocken und lachte über das ganze Gesicht, bis auch Pünktchen nicht anders konnte, als mitzulachen.

      Von einem der oberen Fenster aus wurden die ankommenden Kinder beobachtet. Heidi stand in ihrem Zimmer auf einem Hocker und starrte nach unten. Hinter ihr befand sich Ulli, der ungeduldig an ihrem bunten Röckchen zupfte. »Sag schon, was siehst du?« fragte er fordernd.

      »Nichts. Sei still«, antwortete das blonde Mädchen mit den lustigen Rattenschwänzchen und kam sich ungeheuer wichtig dabei vor. »Jetzt wird’s lustig bei uns in Sophienlust«, ließ sie sich nach einer Weile zu einer Erklärung herab. »Jetzt sind nämlich Ferien.«

      »Was sind Ferien?« Ulli klatschte begeistert in die Hände, weil sich Heidi offensichtlich auch freute. Warum, das begriff er natürlich nicht.

      »Wenn Ferien sind, dann sind alle Kinder den ganzen Tag zu Hause. Dann haben wir immer jemanden zum Spielen, und dann ist auch immer etwas los.« Heidi hüpfte von ihrem Stuhl herunter und nahm Ulli bei der Hand.

      »Wohin gehen wir denn jetzt?«

      »Na, die anderen begrüßen. Komm, Timo, du darfst auch mit.« Der braun-weiß gefleckte Hund mit dem riesengroßen Kopf und dem massigen Leib erhob sich schwerfällig. Für diese Körperfülle waren seine Beinchen viel zu kurz, aber das schien ihn weniger zu stören.

      »Wuff«, machte er zur Bestätigung, daß er verstanden hatte. Dann tappte er geduldig hinter den beiden Kindern her, wobei er es noch immer vermied, sein einstmals verletztes Hinterbein zu stark zu belasten.

      »Heidi, Ulli, wir haben Ferien«, rief Irmela Groote, ein fünfzehnjähriges Mädchen mit langem blonden Haar. Weit breitete sie die Arme aus, und Heidi rannte sofort auf sie zu.

      »Na, ist das eine Begrüßung«, staunte Frau Rennert, die Heimleiterin, und stemmte die Hände in die Hüften. »Und wer küßt mich?« Forschend schaute sie in die Runde.

      Einen Augenblick blieb die Rasselbande verblüfft stehen, aber dann stürmten die Kinder von allen Seiten auf sie zu.

      »Ich, Tante Ma! Ich auch, und ich auch!« rief es von allen Seiten, und gleich darauf hingen die Jungen und Mädchen vom Kinderheim Sophienlust am Hals der älteren Frau, die sie lachend abwehrte.

      »Nicht so stürmisch, ich falle ja um. Laßt doch noch ein bißchen von mir übrig.« Frau Rennert hatte Mühe, das Gleichgewicht halten zu können.

      Nur Ulli stand staunend ein kleines Stückchen entfernt und beobachtete das Schauspiel. Plötzlich verzogen sich seine roten Lippen zu einem Schmollmund, und Tränen liefen über seine Pausbacken.

      »Ich will zu meiner Mutti und meinem Vati«, schluchzte er und rieb sich mit beiden Händen die Augen.

      Tollpatschig rieb Timo, der Hund, seine Nase an Ullis Beinen, als ob er ihn trösten wollte. Aber Ulli reagierte überhaupt nicht. Er weinte und weinte, als ob er gar nicht mehr aufhören wollte.

      Erst als sich der allgemeine Tumult ein bißchen gelegt hatte, merkte Frau Rennert, daß mit dem kleinen Jungen, der sonst immer so fröhlich war, etwas nicht stimmte. Noch immer liefen ihm die Tränen über das Gesicht, aber jetzt war kein Ton, kein Schluchzer mehr zu hören.

      »Ulli, was hast du denn?« fragte die Heimleiterin verblüfft und ging auf das Kind zu. »Du weinst ja. Tut dir etwas weh?« Die ältere Frau kniete vor ihm nieder und nahm ihn in ihre Arme.

      »Du kannst mir ruhig sagen, was du hast, Ulli. Ich werde es auch bestimmt niemandem weitererzählen«, versprach sie.

      »Ich will auch in den Himmel. Dorthin, wo meine Mutti jetzt ist. Und das darfst du ruhig jedem erzählen. Das kann jeder wissen.« Tapfer schluckte er die aufsteigenden Tränen hinunter.

      Zuerst war Frau Rennert erleichtert darüber, daß dem Kind nichts weh tat, aber dann ergriff sie Mitleid mit diesem Jungen, weil sie ihm nicht helfen konnte. Sie konnte nur versuchen, Ulli zu trösten, denn seine Mutter war schon seit über einem Monat tot.

      »Zu deiner Mutti kannst du nicht, mein Schatz, das habe ich dir schon erklärt.


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