Die Abenteuer des Kapitän Hatteras. Jules VerneЧитать онлайн книгу.
Schiff sogleich; man kam in Gefahr, wider Eismassen aus süßem Gewässer zu stoßen, welche an der Durchsichtigkeit und einer Felsen gleichen Härte zu erkennen waren. Richard Shandon versah sich zur Ergänzung seines Trinkwassers täglich mit einigen Tonnen solchen Eises.
Der Doktor konnte sich nicht an die optischen Täuschungen gewöhnen, welche die Strahlenbrechung in diesen Gegenden erzeugte; in der Tat, mancher Eisberg, der zehn bis zwölf Meilen von der Brigg entfernt war, kam ihm wie eine kleine weiße Masse in nächster Nähe vor.
Endlich war die Mannschaft, teils durch das Fortziehen des Schiffes längs der Eisfelder, teils durch das Fernhalten drohender Blöcke vermittels langer Stangen, vor Ermüdung fast erschöpft, und doch war Freitag, den 27. April, der Forward noch auf der Linie des Polarkreises zurückgehalten.
Achtes Kapitel – Gespräche der Mannschaft
Inzwischen gelang es der Forward, indem er geschickt in den Fahrwassern durchglitt, einige Minuten weiter nördlich zu dringen; aber anstatt dem Feind auszuweichen, musste man bald ihn angreifen; Eisfelder von mehreren Meilen Umfang waren im Anzuge, und da diese Massen in Bewegung oft einen Druck von mehr als zehn Millionen Tonnen darstellen, so musste man sich sorgfältig hüten, nicht erdrückt zu werden. Es wurden daher im Innern des Schiffes Eissägen hergerichtet, dergestalt, dass sie unverzüglich in Anwendung gebracht werden konnten.
Ein Teil der Mannschaft ließ sich diese harten Arbeiten philosophisch gefallen, aber andere beklagten sich oder wollten gar den Gehorsam verweigern. Als man zur Herrichtung der Instrumente schritt, tauschten Garry, Bolton, Pen und Gripper ihre verschiedenen Ansichten.
»Beim Teufel!« sagte munter Bolton. »Es kommt mir, ich weiß nicht wie, der Gedanke, dass es in Waterstreet eine hübsche Schenke gibt, wo man zwischen einem Glas Gin und einer Flasche Porter nicht übel beisammen sitzt. Du siehst das von hier aus, Gripper?«
»Die Wahrheit zu sagen«, entgegnete der Matrose, der im Allgemeinen meist übler Laune war, »ich versichere dich, dass ich das von hier aus nicht sehe.«
»Es ist nur eine Redensart, Gripper; es ist wohl klar, dass es in den Schneestädten, welche Herr Clawbonny bewundert, nicht das kleinste Wirtshaus gibt, worin ein braver Matrose sich mit einigen Gläschen Branntwein erquicken könnte.«
»Darüber kannst du wohl sicher sein, Bolton; und du könntest wohl noch beifügen, dass man nicht einmal hier sich gehörig erquicken kann. Eine sonderbare Idee, den in den Nordmeeren Reisenden jeden geistigen Trunk zu versagen!«
»Schön!« erwiderte Garry. »Hast du denn vergessen, Gripper, was dir der Doktor gesagt hat? Man muss sich jedes aufregenden Getränkes enthalten, wenn man dem Skorbut widerstehen, sich gesund halten und weit fahren will.«
»Aber ich begehre nicht weit zu fahren, Garry, und ich finde, dass es schon etwas Schönes ist, bis hierher gekommen zu sein, dann kann man sich weigern dahin vorzudringen, wohin der Teufel nicht leiden mag, dass man dringe.«
»Ei nun, man wird es auch nicht tun«, versetzte Pen. »Wenn ich denke, dass ich schon vergessen habe, wie der Gin schmeckt!«
»Aber«, sagte Bolton, »erinnere dich doch, was der Doktor gesagt hat.«
»Oh!« entgegnete Pen mit seiner groben, brutalen Stimme. »Wer weiß, ob man nicht unterm Vorwand der Gesundheit sich einfallen lässt, den Trank zu sparen?«
»Dieser Teufel von Pen hat vielleicht recht«, erwiderte Gripper.
»Geht doch!« versetzte Bolton. »Dafür ist seine Nase zu rot; und wenn Pen bei einer Fahrt unter solcher Zucht ein wenig von seiner Farbe verliert, so wird er es nicht zu beklagen haben.«
»Was geht meine Nase dich an?« erwiderte barsch der Matrose, der sich an wunder Stelle getroffen fühlte. »Meine Nase bedarf deinen Rat nicht, begehrt ihn nicht; kümmere dich doch um das, was dich angeht!«
»Nun! Werde doch nicht böse, Pen, ich glaubte nicht, dass du eine so empfindliche Nase hast. Oh! Ich bin auch kein Verächter eines Gläschens Whisky, zumal bei solcher Kälte; aber, wenn es schließlich mehr schadet als nützt, so lass ich es auch gerne.«
»Du magst es lassen«, sagte der Heizer Waren, der sich in das Gespräch mischte; »ei, das tut wohl nicht jeder andere!«
»Was meinst du damit, Waren?« versetzte Garry, und sah ihm fest ins Gesicht.
»Ich meine damit, dass es aus diesem oder jenem Grunde Likör an Bord gibt, und denke mir, dass man dahinten ihm sich nicht ganz entzieht.«
»Und was weißt du davon?« fragte Garry.
Waren wusste nichts zu antworten.
»Du siehst wohl, Garry«, fuhr Bolton fort, »dass Waren nichts davon weiß.«
»Nun«, sagte Pen, »wir wollen vom Kommandanten eine Ration Gin verlangen; wir haben es wohl verdient, und da werden wir sehen, was er antworten wird.«
»Ich rate euch, so etwas nicht zu tun«, erwiderte Garry.
»Und weshalb?« schrien Pen und Gripper.
»Weil der Kommandant es euch abschlagen wird. Ihr wusstet ja, als ihr mit in See gingt, die Schiffsordnung; damals musstet ihr euch darüber besinnen.«
»Übrigens«, erwiderte Bolton, der sich gern auf Garrys Seite stellte, dessen Charakter ihm gefiel, – »Richard Shandon ist ja nicht Herr an Bord; er hat zu gehorchen, wie wir.«
»Und wem denn?« fragte Pen.
»Dem Kapitän.«
»Ah! Immer der leidige Kapitän!« schrie Pen. »Und seht ihr nicht, dass es ebensowenig einen Kapitän an Bord gibt als ein Wirtshaus auf diesen Eisbänken? Auf diese Art will man uns nur höflich verweigern, was wir zu fordern berechtigt sind.«
»Ja doch, es gibt einen Kapitän«, versetzte Bolton; »und ich wollte um zwei Monate Sold wetten, dass wir ihn bald zu sehen bekommen werden.«
»Gut«, sagte Pen, »dem wollte ich schon ein paar Worte ins Angesicht sagen!«
»Wer redet vom Kapitän?« fragte ein anderer der Anwesenden, der Matrose, der etwas abergläubisch war.
»Weiß man etwas Neues über den Kapitän?« fragte er.
»Nein«, war die einstimmige Antwort.
»Nun, ich versehe mich, dass wir ihn eines schönen Morgens in seiner Kabine zu Hause finden, ohne dass jemand wüsste, wie oder woher er angekommen sei.«
»Geh doch!« erwiderte Bolton. »Du meinst, Clifton, der