Die Templer im Schatten 2: Blutregen. Stefan BurbanЧитать онлайн книгу.
fasziniert wie beeindruckt.
Christian hatte ein provisorisches Lager erwartet, in dem Gesetzlose und Vogelfreie ihr erbärmliches, menschenunwürdiges Dasein fristeten. Die Wahrheit konnte nicht weiter entfernt sein. Inmitten des Sherwood Forest hatte sich ein kleines Dorf entwickelt. Es gab ausreichend Hütten für alle Bewohner, einen Schmied, eine kleine Schenke, eine Bierbrauerei und sogar eine Schule für die Familien, die es bis hierher geschafft hatten.
Bei ihrem Eintreffen strömten die Bewohner aus ihren einfachen, nichtsdestoweniger zweckdienlichen Behausungen. Hände streckten sich Robin ehrfurchtsvoll entgegen und dieser bemühte sich, sie alle zu berühren und auch ja keinen zu vergessen.
Christian stand mit offenem Mund daneben. Mit der Zeit verzog sich seine Miene zu einem Ausdruck der stillen Zustimmung. Nachdem alle begrüßt waren, kehrte wieder langsam Ruhe ein. Robin kehrte an Christians Seite zurück, mit einer Mimik, die man nur als Scham bezeichnen konnte.
»Das muss dir nicht peinlich sein«, schalt der Vampirtempler den Bogenschützen sanft. »Die Menschen hier verehren dich. Das würden sie nicht, wenn du ihre Zuneigung nicht wert wärst.« Christian deutete auf die Hütten und Menschen, die das kleine Tal säumten. »Das hier sagt mehr aus als all deine Ausführungen zuvor. Du bist der Anführer dieser Leute. Nicht, weil dich dein Adelsstand über sie erhebt, sondern vielmehr, weil sie dich zu ihrem Anführer erwählt haben. In unseren Zeiten kann das kaum jemand von sich behaupten. Du sagst zwar die ganze Zeit, du willst das nicht, aber ich muss zugeben, du machst dich gut in dieser Rolle.«
»Dennoch wünschte ich, es wäre nicht nötig gewesen.«
Christians Lächeln schwand. »Ja, du trauerst um deinen Vater. Ich verstehe das. Aber du kannst ihm nicht mehr helfen. Willst du ehren, was für ein Mann er gewesen ist, dann musst du denen helfen, die deiner Hilfe bedürfen.«
Robin seufzte. »Das habe ich vor. Aber einfach wird es nicht.«
»Ist es nie«, entgegnete Christian und musterte den Bogenschützen eingehend. »Du hast nicht mehr viel mit dem jungen Mann gemein, den ich damals in dieser Ordensfestung zum ersten Mal traf.«
Ein schalkhaftes Lächeln umspielte Robins Lippen. »Das scheint so lange her zu sein. Fast wie in einem anderen Leben. Er fehlt mir manchmal. Die Zeiten schienen einfacher zu sein.«
»Nicht einfacher«, widersprach Christian. »Der Feind war nur leichter zu erkennen.«
Ein riesiger Schatten trat plötzlich hinter Robin. Kräftige Arme schlangen sich um dessen Brust und hoben ihn mühelos hoch. Christian wich einen Schritt zurück und um ein Haar hätte er seine Klinge gezogen. Nur Robins ehrliches Lachen hielt ihn zurück.
»Lass mich runter, verdammt noch mal! Du blamierst mich vor unseren Gästen.«
Der Hüne ließ Robin überraschend sanft auf den Boden zurücksinken. Der Mann trat in den Schein einer Fackel. Bei Licht betrachtet, wirkte er noch größer als zuvor. Er war in Felle gekleidet und trug einen Stab auf dem Rücken. Das bärtige Gesicht wurde durch ein strahlendes Lächeln in zwei Hälften geteilt.
»Das ist John Little«, stellte Robin den Mann vor. »Aber wir nennen ihn nur scherzhaft Little John. Er ist der stärkste Krieger in Nordengland.«
Christian wunderte sich einen Augenblick über die Ironie, dass ein solcher Kerl den Nachnamen Little trug. Aber weiteren Gedanken konnte er nicht folgen, denn Little John trat vor und seine gewaltige Pranke schlug Christian mit solcher Kraft auf die Schulter, dass diesem die Knie anfingen zu zittern. Und dabei handelte es sich nur um einen freundschaftlich gemeinten Klaps.
»Freunde von Robin sind auch meine Freunde«, polterte die Stimme des Hünen.
»Die Ehre ist ganz meinerseits«, beeilte sich Christian zu sagen.
»Wir sollten uns noch etwas gönnen, bevor wir uns schlafen legen«, schlug Robin vor und deutete auf die Schenke.
Christian nickte, obwohl er wusste, dass es dort nichts gab, was ihm schmecken würde.
Karl gesellte sich zu ihnen. »Die Männer ruhen sich aus«, gab er bekannt.
Christian quittierte diese Nachricht mit kurzem Nicken.
Gemeinsam begaben sie sich in die Hütte, die ein selbst geschriebenes Schild mit krakeligen Buchstaben als Taverne ausgab. Im Inneren war es jedoch verblüffend gemütlich und hinter der Theke stand – zu Christians großer Überraschung – ein Mönch mit ausladendem Brustkorb.
»Tuck«, schrie Robin, »bring uns etwas von deinem besten Gerstensaft!«
»Ich hab nur eine Sorte und die ist besser, als ihr Banausen es verdient«, gab der Mönch namens Tuck lachend zurück.
Die Gruppe setzte sich an einen Tisch und wartete, bis Tuck allen einen Krug vorgesetzt hatte. In einer Ecke der Taverne spielte ein bereits ergrauter Musiker leise auf einer Laute und summte dabei eine Melodie, die Christian nicht kannte. Er warf Robin einen fragenden Blick zu.
»Der Barde«, erwiderte dieser schlicht. »Alan-a-Dale.«
Christian zog beide Augenbrauen in die Höhe. »Etwa der, dem das mit Robin Hood eingefallen ist?«
»Genau jener. Und frag bitte nicht, warum ich ihn hier dulde. Darauf wüsste ich keine für uns beide befriedigende Antwort.«
Little John stieß einen brüllenden Lacher aus, hob den Bierkrug und stürzte ihn in einem Zug hinunter.
Christian wartete, bis sich Little John mit dem Handrücken den Mund abgewischt hatte und noch einen zweiten Krug mittels Handzeichen bestellte.
Christian bemerkte, wie Robin ihn angestrengt musterte. Schließlich suchte der Bogenschütze das Gespräch. »Hast du dir inzwischen eine Meinung über unserer Situation gebildet?«
Er dachte ausgiebig über die Frage nach. Christian leckte sich leicht über die Lippen, bevor er antwortete. »Wie weit bist du bereit zu gehen?«
Der Bogenschütze beugte sich über den Tisch. »Ich bin jetzt an einem Punkt, an dem man nicht mehr zurückkann. Ich tue, was auch immer notwendig ist.«
Christian grinste und lehnte sich so weit zurück, dass der Stuhl unter ihm protestierend quietschte. »Gut. Ich habe nämlich vor, dein neues Alter Ego auszunutzen und in den Kampf zu schicken.«
Robin stutzte. »Ich fürchte, ich kann dir nicht ganz folgen.«
»Prinz John baut in England ganz offensichtlich eine Armee auf. Er rekrutiert die mächtigsten Adligen, macht ihre Armeen zu Blutsklaven, hält die Bevölkerung klein und schüchtert jeden ein, der in Opposition zu ihm treten könnte.«
Robin nickte. »So ist es. Und weiter?«
»Der Prinz versucht offenbar, nicht nur Löwenherz in seinem Gefängnis in Österreich verrotten zu lassen. Er will die Erinnerung an ihn auslöschen. Und damit die Hoffnung der Menschen, dass sich die Dinge ändern können.«
Robin wechselte einen kurzen Blick mit Little John, bevor er sich erneut Christian zuwandte. »Sprich weiter.«
Der Templer leckte sich abermals über die Lippen. »Mein Plan ist es, König Richard freizukaufen. Aber dazu brauchen wir Geld. Unmengen von Geld. Und die bekommen wir nur von dem Prinzen und seinen Verbündeten.«
Robin richtete sich stocksteif auf. »Sag mir nicht, dass du Robin Hood dafür benutzen willst.«
»Aber natürlich«, stimmte Christian zu. »Wir greifen Prinz John dort an, wo es ihm am meisten wehtut: an seiner Geldbörse. Gleichzeitig weiten wir die Legende des edlen Gesetzlosen vom Sherwood Forest aus. König Richard ist nicht hier. Also müssen wir eine Figur erschaffen, die der Bevölkerung Hoffnung gibt, aber die gleichzeitig auch greifbar ist. Eine Figur, die nicht Hunderte Meilen entfernt in einem Gefängnis schmort, sondern die tatsächlich einer von ihnen ist.«
»Du weißt, dass ich blaues Blut in den Adern habe?«
»Nicht was du bist, ist entscheidend, sondern was du tust. Und das wird die