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In Nacht und Eis. Fridtjof NansenЧитать онлайн книгу.

In Nacht und Eis - Fridtjof  Nansen


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War es keinen Spurwechsel wert, nach dreihundert Jahren in der Kiellinie des bislang berühmtesten Mitglieds der Familie zu fahren? Fridtjof Nansen konnte die seinem ›Praktikum‹ tief innewohnende Bewandtnis nicht erkennen.

      Dabei knüpfte sie an die Tatsache an, dass Hans Nansen, der Ururururgroßvater des Jünglings, 1614 zur Packeisgrenze gesegelt und dort prompt eingeschlossen worden war. Später, 1619, hatte er von Kopenhagen aus einen Turn in die Barents-See unternommen und am Ende, 1633, seine eigenen Eindrücke mitsamt den Lesefrüchten aus Logbüchern von anderen Voyageuren zu einem Compendium Cosmographicum vereinigt.

      Da sich ein Exemplar dieser Arbeit in der häuslichen Bibliothek auf Store Frøen befand, hatte Fridtjof Nansen darin die Auskunft einholen können: »Grönland ist ein sehr großes Land, gehört zum Königreich Norwegen, ist in früheren Zeiten von norwegischen Schiffen besucht und von Norwegern bebaut worden.« Genaueres als diese Überlieferung hatte Hans Nansen nicht weiterzugeben, denn: »In den letzten Jahrzehnten ist die Küste von Grönland nicht mehr angelaufen worden, sodass es uns völlig unbekannt geblieben ist.«

      Dass diese Worte seines Ahnen noch 1882 Gültigkeit besaßen, wurde Fridtjof Nansen an Bord der »Viking« auf bedeutungsvolle Weise vor Augen geführt: In Sichtweite Grönlands fror der Robbenfänger – wie damals Hans Nansens Nussschale – fest, und während er drei Wochen lang ohnmächtig gen Süden trieb, stellte die Insel ihre Reize herausfordernd zur Schau.

      Da Krefting allerdings damit rechnete, dass die Eiskruste aufbrechen würde, außerdem die Jagdsaison zu Ende ging und die Crew jetzt heimkehren wollte, war ein Verlassen der »Viking« unmöglich. »Hiermit«, seufzte Nansen, »wurden alle meine Pläne umgestürzt; meine schönen Träume, jene so oft von den Entdeckern vergeblich nachgesuchte Küste zu betreten, gingen also für dieses Mal in Rauch auf, und mit Wehmut sah ich das stolze Alpenland allmählich dem Horizonte näher versinken. Ich musste mich mit dem Anblicke begnügen und warf meine sehnsuchtsvollen Blicke hinüber, wenn die Gipfel in der Abendsonne glühten und meiner träumenden Fantasie Bilder grüner, idyllischer Täler und Herden von Rentieren und Moschusochsen vorzauberten.«

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      »Für dieses Mal« hatte Fridtjof Nansen auf die Ausführung seiner Pläne verzichtet. Und so konnte er zwar – insofern war der Rat von Robert Collett nicht fruchtlos geblieben – eine Stellung als Konservator im Museum zu Bergen antreten. Aber was half’s: Während er nach dem Grundsatz »learning by doing« am Labortisch – wovon ein Foto bewahrt ist – Würmer sezierte und mikroskopierte und präparierte und analysierte und klassifizierte und sich auf dem Sektor der Anatomie und Histologie von Kleinstlebewesen zum Experten heranbildete, irrlichterten doch im Hintergrund seines Bewusstseins die verführerischen Eindrücke aus dem ewigen Eis.

      Noch einmal schloss er daher einen Kompromiss mit der Abenteuerlust und machte sich sowie den Seinen 1886 vor, dass die Kavalierstour nach Kiel, Berlin und Frankfurt am Main und weiter nach Como, Pavia, Mailand und ferner Florenz und Rom und Neapel ein Lehrausflug sei. In Wahrheit wollte er Abstand gewinnen zu seiner Befindlichkeit und prüfen, welcher Weg hinter und welcher vor ihm lag. Einer Freundin schrieb er am 21. Mai 1886 vom Fuße des Vesuvs: »Da ist ein Gewirr von Stimmungen [in mir], viel Sentimentales gepaart mit beinhartem Realismus, viel Leichtsinn gepaart mit der kältesten Berechnung; da ist dies Wursteln im Hier und im Heute gepaart mit einem krankhaften Verlangen, die Zukunft auszuspähen; da sind kümmerliche Ansätze von Idealismus gepaart mit dem krudesten Materialismus; da ist ein schwacher Durst nach Wissen gepaart mit Verachtung der Zivilisation sowie einem Hang nach Ursprünglichkeit und Natur; kurz gesagt: die köstlichste Mischung der heterogensten Bestandteile, ein Chaos der Disharmonien.«

      Nansen ging nicht daran, dies Gemenge von Eigenschaften, Vorurteilen und Wünschen zu ordnen oder gleichzurichten. Nein, auch wenn er künftig stets darunter leiden sollte und vereinzelt gar Selbstmordgedanken wälzte – er akzeptierte es. Das hatte den Effekt, dass er seine Dissertation über The Structure and Combination of the Histological Elements of the Central Nervous System 1887 noch zu Ende brachte, eine andere Monografie im Jahr darauf aber mit den Worten abbrach: »Ich muss meine Leser um Nachsicht bitten, wenn ich diese Darstellung in einem unvollendeten Zustand hinausgehen lasse; der Grund dafür ist, dass ich im Begriff bin, eine arktische Expedition anzutreten.«

      Er wollte sehen, was sich hinter dem gleißenden Saum von Grönland verbarg, hinter den irisierenden Visionen »grüner, idyllischer Täler mit Herden von Rentieren und Moschusochsen« – traf es zu, was seit Jahrhunderten geraunt und überdies schwarz auf weiß dargelegt worden war: dass im Inneren Grönlands ausgedehnte Wälder lagen, von Menschen nie betretene Haine, Gefilde einer heilen Welt?

      Die Zeit oder besser: die Konkurrenz drängte – waren doch Adolf Erik Nordenskiöld, der Schwede, 1870 sechzig und 1883 achtzig Kilometer sowie der Amerikaner Robert Edwin Peary 1885 einhundertfünfzig Kilometer auf die Insel vorgedrungen, und zwar jeweils vom besiedelten Westen her. Nansen dagegen beabsichtigte, die Eiswüste von Osten aus zu durchqueren. Er schloss in aller Eile sein Promotionsverfahren ab und startete von Kristiania vier Tage danach, am 2. Mai 1888. Was ihm hinterdreinscholl, war nicht die Ermutigung durch seine Landsleute, kein »Hals- und Beinbruch!« oder »Mast- und Schotbruch!«, sondern der bare Hohn. Die Presse hielt die Operation eher für toll denn für kühn und kündigte an: »Im Juni dieses Jahres wird Herr Konservator Nansen eine Vorstellung im Schneeschuhlaufen mit ›Weitsprung‹ auf dem grönländischen Inlandseise geben. – Feste Sitzplätze in den Eisspalten. Rückfahrkarten sind überflüssig.« Fridtjof Nansen münzte solche Schmähung um in die Parole: »Der Tod oder Grönlands Westküste.«

      Es war tatsächlich ein Hinter-sich-alle-Brücken-Abbrechen und damit jenes Handlungsmuster, das Fridtjof Nansen, als er es eines Tages repetierte, den größten Ruhm bescheren sollte. Vorerst nötigte es bloß dazu, aus der Situation, in die sich der Sechsundzwanzigjährige zusammen mit seinen fünf Begleitern begeben hatte, wieder heil herauszukommen.

      Am 15. August waren sie – nach der Überwindung zahlreicher Missgeschicke bei der Anfahrt zum östlichen Gestade Grönlands – oberhalb des vierundsechzigsten Breitengrads aufgebrochen. Ihr Bestimmungsort war Kristianshaab auf der anderen Seite der Insel. Die Entfernung dorthin betrug in der Luftlinie sechshundert Kilometer.

      Sie zu überwinden bedeutete, in den nächsten Wochen bei Temperaturen von minus vierzig Grad zwischen Eisklüften und Schneewällen enorme Strapazen zu erleiden. Dennoch nahm die Expedition nie eine bedrohliche Wendung; vielmehr verlief sie in einer Gleichförmigkeit, in die allein die Zubereitung von Mahlzeiten und das Sammeln von Messwerten Abwechslung brachten, bis auch dies zum eintönigen Trott gehörte.

      Wohlbehalten erreichten die Männer auf diese Weise am 3. Oktober 1888 die Ansiedlung Godthaab. Da wegen des sich ankündigenden Winters freilich das letzte Schiff den Flecken jüngst verlassen hatte, mussten sie bis zum Frühjahr im Müßiggang des Eskimolebens verweilen: sechs Europäer an einem Ort in der Weite des Eises, die Rang und Namen nichtig macht.

      Aber als Nansen dann am 30. Mai 1889 mit seinen Getreuen unter Böllergetöse und Menschengeschrei und Sirenengeheul nach Kristiania heimkam, war dieser Einzug der Triumphmarsch eines Helden, eines Nationalidols.

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      Ein Norweger hatte als Erster Grönland durchquert und damit bestätigt, was Fridtjof Nansen verkündet hatte: dass nämlich sein Volk »für die Polarforschung am ehesten geeignet ist«.

      Und auch wenn er nun Anstalten machte, sich zu etablieren – er wurde Kustos am Zootomischen Institut der Universität Kristiania, er heiratete, baute ein Haus und schrieb darin Bücher und wurde Vater –, so war doch das »Chaos der Disharmonien« dermaßen virulent, dass er an ein dauerhaftes Sesshaftwerden nicht denken mochte. Zu sehr beschäftigten ihn schon seit Langem jene Überreste der »Jeannette«, die man in Grönland als Strandgut aufgelesen hatte.

      Was wäre, wenn sie vom Eis gleich einer Last zum Nordpol oder dicht an ihm vorbei nach Westen gedriftet waren? Und was wäre, wenn man solches mutwillig wiederholte? Das heißt: mit einem Schiff, dessen Wandung so abgerundet


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