Mythor 50: Die Mauern von Logghard. Paul WolfЧитать онлайн книгу.
sehnlicher wünschen, als Mythor nach Logghard zu bekommen.«
»Und doch glaubst du selbst nicht daran, dass wir am Ziel sind«, erwiderte Hrobon. »Ich weiß auch warum. Weil du im Innersten selbst daran zweifelst, ob Mythor und der Sohn des Kometen in einem Atemzug genannt werden dürfen. Anders wird es auch nicht den Großen ergangen sein, darum haben sie uns an diesen Ort der Verdammnis geschickt. Es war die Strafe für Mythors Anmaßung, sich als Sohn des Kometen zu bezeichnen.«
»Halt den Mund, Heymal!«, herrschte Luxon ihn an. Er wandte sich an Mythor und meinte: »Du solltest diesem Unruhestifter endlich den Mund stopfen.«
Mythor winkte ab. Er glaubte, Hrobon durchschaut zu haben. Der Glaube des Vogelreiters an Shallad Hadamur war arg erschüttert worden, als er von dessen Schandtaten erfuhr. Hrobon konnte nun nicht mehr glauben, dass Hadamur die Fleischwerdung des Lichtboten war. Das musste ein arger Schlag für ihn gewesen sein. Es wäre nur normal gewesen, hätte er seine Anschuldigung gegen ihn, Mythor, ein Frevler zu sein, weil er sich als Sohn des Kometen bezeichnete, zurückgenommen. Aber er war zu stolz, seinen Fehler einzusehen. Und darum hielt er seine Feindschaft aufrecht, obwohl sie ihrer Basis beraubt worden war.
Mythor schreckte hoch, als er eine Bewegung zwischen den Trümmern sah. Diesmal konnte er ganz deutlich sehen, wie eine krumme, in Lumpen gehüllte Gestalt von einem Mauervorsprung auf einen anderen sprang und hinter einer morschen Palisade verschwand. War das überhaupt ein Mensch gewesen?
»Nicht!«, sagte Mythor schnell, als er sah, wie Sadagar eines seiner Wurfmesser zückte. »Es ist nicht gesagt, dass man uns feindlich gesinnt ist. Vielleicht wollen uns die Fremden erst einmal beobachten, bevor sie sich uns zu erkennen geben.«
»Ich glaube eher, sie wollen uns umzingeln«, sagte Luxon. »Wir sollten diesen Ort schleunigst verlassen. Sagt dir der Helm der Gerechten denn gar nichts?«
Mythor gab nicht sofort Antwort, sondern spannte seinen Geist an, um den Einflüsterungen des Helmes nachzugehen. Seit Luxon ihm die Ausrüstung in den Ruinen von Erham übergeben hatte, trug er sie ständig.
Der Helm der Gerechten bedeckte seinen Kopf, in der Linken hielt er den Sonnenschild, den er dem Koloss von Tillorn entrissen hatte. Mondköcher und Sternenbogen, die ihm Luxon im Baum des Lebens sozusagen vor der Nase weggeschnappt hatte, trug er griffbereit auf dem Rücken, und das Gläserne Schwert Alton lag gut in seiner Hand. Dazu kam das Orakelleder aus Theran, auf dem die sieben Stützpunkte des Lichtboten eingezeichnet waren, das er um den Oberschenkel des rechten Beines gebunden hatte, und das Amulett mit dem Abbild von Logghard, das er an einem Lederband um den Hals trug.
Welche abenteuerliche Geschichte konnten diese Ausrüstungsgegenstände erzählen! Mythor hätte nicht im Traum daran gedacht, dass Luxon sie ihm freiwillig zurückgeben würde.
Gewiss, Luxon hatte dies erst getan, als er erkennen musste, dass die Waffen des Lichtboten in seiner Hand ihre Kraft verloren. Dennoch war es ihm hoch anzurechnen, dass er sich ihrer nicht einfach entledigte, sondern dass er sie Mythor mit der Erklärung zurückbrachte, dass er der rechtmäßige Besitzer sei.
Dies lag noch keinen Tag zurück, und doch fühlte sich Mythor mit der Ausrüstung bereits wie verwachsen. Ihm war, als hätte er die Waffen schon immer getragen. Das Gläserne Schwert hatte seine ursprüngliche Leuchtkraft zurückbekommen und war in seiner Hand zu einer unübertrefflichen Klinge geworden. Der Helm der Gerechten raunte und flüsterte in seinem Geist, und es klang für Mythor wie seine Lebensmelodie. Aber bisher hatte ihm der Helm noch nichts gesagt. Jetzt allerdings, als er seinem geistigen Rauschen seine volle Aufmerksamkeit schenkte, da war ihm, als weise er ihn in eine bestimmte Richtung ...
Mythor deutete mit dem Gläsernen Schwert nach links.
»Von dort kommen Reizsignale, die wie eine unverständliche, aber doch bedeutungsvolle Botschaft klingen«, sagte er. »Wir werden uns in diese Richtung schlagen.«
»Achtung!«, rief da Hrobon und zückte sein Krummschwert. »Wir werden angegriffen.«
Plötzlich erklang ein vielstimmiges Geheul von überall aus den Ruinen. Jene krummen, verwahrlosten Gestalten, die nur bedingt menschenähnlich waren und von denen sie einen ungewissen Eindruck bekommen hatten, tauchten ringsum auf und stürmten von allen Seiten heran.
Sie waren unbewaffnet. Aber ihre krallenbewehrten Klauen und die Fangzähne in den aufgerissenen Mäulern ihrer tierhaften Gesichter waren furchteinflößend genug. Und sie waren flink und sprunggewaltig. Sie kamen mit großen Sätzen rasch näher. Schreiend und gestikulierend, mit vor Hass und Mordlust verzerrten Fratzen.
»Stellt euch Rücken an Rücken – und folgt mir!«, konnte Mythor seinen Gefährten noch zurufen, dann waren die ersten Angreifer heran.
Mythor fand nicht mehr die Zeit, den Gegnern den Sonnenschild wie einen Spiegel entgegenzuhalten, denn dafür waren sie bereits zu nahe. Und im Nahkampf konnte er sich allein auf die Kraft Altons verlassen.
*
Sadagar stand mit dem Rücken zu Hrobon, Luxon hatte sich zu Mythor gesellt, der in voller Ausrüstung an der Spitze stand. Der Steinmann schleuderte drei Messer, die allesamt ihr Ziel fanden. Aber die nachfolgenden Kreaturen kümmerten sich wenig um ihre gefallenen Artgenossen. Sie sprangen behände über die Getroffenen hinweg und stürzten sich auf den Steinmann.
»Verfluchte Bande!«, schrie Sadagar zornig und wehrte die Klauen, die nach ihm griffen, mit den Messern ab. Er hatte in jeder Hand eines und überkreuzte die Arme. Jedes Mal wenn ein Gegner zu ihm vorstieß, bewegte er die Klingen scherenförmig.
Eine der Kreaturen sprang mit einem zornigen Schmerzensschrei zurück, als Sadagars Messer eine kreuzförmige Wunde an ihrem Körper hinterließen. Dabei wurden zwei weitere Angreifer niedergerissen, als sie Sadagar anspringen wollten.
Dadurch bekam der Steinmann etwas Luft und konnte die beiden Messer der nächsten Welle von Angreifern entgegenschleudern. Er konnte sich danach gerade erneut bewaffnen, bevor ein stinkender, haariger Körper auf ihm landete.
Knöcherne Hände drückten seine Waffenarme zu Boden, ein geiferndes Maul erschien über ihm. Die Kreatur stieß mit gefletschten Fangzähnen nach ihm.
Da sauste eine Klinge heran und schleuderte den Angreifer von Sadagar.
»Habt ihr noch nicht genug?«, schrie Hrobon und ließ eine der Kreaturen in seine Klinge springen. Er zog sie sofort wieder zurück und schwang sie vor einer Gruppe von Angreifern, die vor dem wirbelnden Metall zurückwich.
»Du hast mir das Leben gerettet«, stellte Sadagar verblüfft fest, während er sich gleichzeitig mit Scherenbewegungen seiner Messer die Gegner vom Leibe hielt.
»Ich verzichte auf deinen Dank«, erwiderte Hrobon keuchend. »Du stehst nicht in meiner Schuld.«
»Kämpft lieber, anstatt zu schwätzen!«, rief Luxon, der den Kontakt zu Mythor verloren hatte und mit dem Rücken an einer Mauer stand.
Die Angreifer hatten ihn abgedrängt und versucht, ihn von hinten anzufallen. Er hatte sich gerade noch durch einen Sprung zur Seite retten können. Nun wurde er von sechs krummen Gestalten bedrängt.
Luxon spürte, dass er der Übermacht nicht lange würde standhalten können. Er hatte diese Kreaturen unterschätzt.
Nach den ersten ungestümen Angriffen, die ihnen nichts eingebracht hatten, formierten sie sich nun. Sie umlauerten ihn und warteten darauf, dass er sich eine Blöße gab.
Solange er kräftig genug war, sie mit dem Schwert in Schach zu halten, war er sicher. Jedes Mal wenn einer seiner Gegner zum Angriff ansetzte, machte er einen Ausfall und stieß mit dem Schwert zu. Zwei der Kreaturen konnte er auf diese Weise niederstrecken. Die anderen vier waren daraufhin zurückhaltender. Aber gerade als er glaubte, sich etwas Luft gemacht zu haben und einen Vorstoß wagen zu können, hörte er über sich einen heiseren Laut.
Unwillkürlich blickte er hoch und sah über sich auf der Mauer eine Gestalt kauern. Sie setzte gerade zum Sprung an, als sie plötzlich wie von einem unsichtbaren Schlag erschüttert wurde. Aus ihrer Brust ragte ein Pfeil – ein