Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2). Hans KneifelЧитать онлайн книгу.
unterlegen die paar im Umgang mit Waffen nicht geübten Immunen.
Wann immer es meine Zeit erlaubte, beteiligte ich mich an den Rundgängen, ging selbst auf Streife und sprach allen Mut zu. Ungeachtet meiner psychologischen Tätigkeit legte ich auch mit Hand an und nutzte meine Kenntnisse, um mit den zur Verfügung stehenden Stoffen und Möglichkeiten Abwehrmittel herzustellen. Aus Pflanzenabfällen entwickelte ich so etwas wie Tränengas, produzierte aus Chemikalienauszügen Blendpatronen und komponierte eine Art bengalisches Feuer. All das diente der Verteidigung unter dem Aspekt, abzuschrecken und aufzuhalten, wenn es zu einer Auseinandersetzung kam. Dass es dazu kommen würde, stand für mich fest.
Wir hatten unsere Vorbereitungen kaum abgeschlossen, als alarmierende Meldungen die Runde machten: Trotz der getroffenen Sicherheitsmaßnahmen tauchten in unserer Enklave Glasige auf. Niemand hatte beobachtet, wie sie in diesen Bezirk eingedrungen waren. Plötzlich waren sie da, und sie verschwanden wieder, als hätten sie sich in Luft aufgelöst. Die Umgewandelten taten eigentlich nichts, doch sie verschreckten die Immunen, weil sie auch in bewachte Häuser eindrangen, ohne dass die Posten etwas bemerkt hatten. Unabhängig voneinander berichteten meine Freunde davon, diese Gestalten gesehen zu haben, zwar an verschiedenen Orten, doch nahezu zur gleichen Zeit.
Da meine hypersensibel gewordenen Freunde durch diese Zwischenfälle an den Rand der Hysterie gerieten und ich das ebenfalls nicht einfach als gegeben hinnehmen wollte, nahm ich mich der Sache an. Die Personenbeschreibungen, die ich erhielt, waren dürftig: Es waren Glasige. Ergiebiger war da schon, als ich den Eingang der Funksprüche analysierte. Wer immer da auch sein Unwesen trieb, musste ein Einzelgänger sein, denn die Meldungen waren nacheinander eingegangen. Oft lagen zehn Minuten und mehr dazwischen. Für die Kaytaber, denen keine Stunde schlug, weil Uhren überflüssige und unbekannte Geräte waren, machte das kaum einen Unterschied, für mich dagegen schon, schließlich war ich in der Lage, Nano- und Picosekunden zu messen.
Ganz ohne Zweifel handelte es sich um einen Mutanten, doch zu welcher Kategorie zählte er? War es ein Suggestor, ein Teleporter oder ein Hypno? Schneller, als ich gedacht hatte, bekam ich die Antwort auf meine Frage.
Ich war gerade wieder mit einem Versuch beschäftigt, der bei Befallenen im Anfangsstadium einen Umkehrprozess einleiten sollte, als im Labor aus heiterem Himmel ein Glasiger erschien, den ich nicht kannte. Auf einmal war er da, und sofort wusste ich, dass ich es mit einem Teleporter zu tun hatte.
»Warum machst du dir solche Mühe? Erkennst du Tölpel nicht, dass dein Tun sinnlos ist und die paar Verrückten verloren sind?« Mit einer Tatze fegte er zwei Tiegel mit Testsubstanzen zu Boden. »Du wirst mit ihnen untergehen, du Dummkopf, und du wirst es nicht verhindern können.« Er lachte. »Ich habe die beiden Krüge zerstört. Warum hast du das zugelassen, du, der du doch so mächtig und wissend bist? Oder besitzt du gar nicht die Qualitäten, die dir nachgesagt werden, Roboter?«
Ich schätzte Selbstbewusstsein, doch was dieser Bursche da von sich gab, strotzte nur so vor Arroganz und penetranter Selbstüberschätzung. Was mich besonders ärgerte, war der selbstherrliche Auftritt und die Anmaßung, mein Experiment einfach als Unsinn abzutun. Zorn ergriff mich, als ich meinen Blick auf die mit Scherben vermischten mühsam gewonnenen Extrakte richtete. Zwar schäumte der Ego-Sektor vor Wut, doch die logisch orientierte Positronik war durch derartige Emotionen nicht aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Ihr Plan war nicht übel. Ein organischer Teleporter konnte sich zwar durch Geisteskraft versetzen, aber auch ein Gehirn, das über Psi-Kräfte verfügte, reagierte nur mit der üblichen Verzögerung, die für Lebewesen typisch war. Legte ich meinen Standard zugrunde, war so etwas wie Zeitlupe angesagt. Ich rechnete mir deshalb gute Chancen aus, den überheblichen Burschen zu schnappen und festzuhalten. Betont arglos erkundigte ich mich:
»Wer hat dich geschickt?«
»Das möchtest du gerne wissen, nicht wahr?«, fragte er überheblich und wischte eine Flasche mit destilliertem Wasser von der Arbeitsplatte.
Das Gefäß zersprang, und sein Inhalt ergoss sich über den Boden. Einige Spritzer trafen den Gläsernen.
»Das war Säure«, bluffte ich.
Entsetzt blickte der Kaytaber an sich herunter, seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf seinen eigenen Körper. Diesen Augenblick nutzte ich und stürmte los. Bevor der Teleporter wusste, wie ihm geschah, war ich bei ihm und riss ihn zu Boden.
Vielleicht ging ich zu rücksichtsvoll mit ihm um, weil ich ihn nur als einen Kundschafter betrachtete, der nichts Schlimmes getan hatte, jedenfalls entmaterialisierte er, bevor ich ihn betäuben konnte – und ich machte den Sprung mit.
Die Zeitspanne dieser Reise durch ein für mich unbekanntes Medium war selbst für meine Instrumente kaum messbar. Das erste, was ich erfasste, als die vertraute Umgebung wieder Realität wurde, war ein Schrei, der jedem Lebewesen das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Befallene hatte ihn ausgestoßen.
Auf Anhieb erkannte ich, dass ihm nicht mehr zu helfen war. In dem Bestreben, mir zu entkommen, hatte er wohl mehr reflexhaft seine Psi-Fähigkeiten eingesetzt und war blind gesprungen. Dabei hatte er die Distanz nicht genau kalkulieren können. Anstatt jenseits der Sperre zu materialisieren, landete er auf einer hölzernen Absperrung und wurde von einem der zugespitzten Pfähle durchbohrt. Er starb, ohne leiden zu müssen.
So gut es ging, erklärte ich den fassungslosen Wächtern, was vorgefallen war, dann trug ich den Toten zu einer rasch ausgehobenen Grube und verbrannte den Leichnam. Ich wollte sichergehen, dass von dem Glasigen keine Gefahr mehr ausging, doch ich hatte mich verrechnet. Noch während der Einäscherung erreichten mich neue Hiobsbotschaften: Es gab weitere Fälle von Juckreiz und Pustelbildung in unserer Enklave.
Schlagartig wurde mir bewusst, dass der Teleporter nicht nur einfach ein harmloser Beobachter gewesen war, sondern ein wandelnder Ansteckungsherd, und das galt mit Sicherheit nicht nur für ihn. Wie es aussah, waren alle umgewandelten Glasigen in der Lage, Mikrozellen auszuscheiden oder abzusetzen wie Evodix, Evroom und Everyhan. Das bedeutete, dass sich die Gefahr potenzierte, ohne dass die Drillinge selbst aktiv werden mussten. Allein bei dem Gedanken daran konnte einem angst und bange werden.
Dass die Befallenen vor einem gewaltsamen Tod nicht gefeit waren, war weder Trost noch Hilfe. Sollten wir losschlagen und umbringen, was nicht der Norm entsprach, sollten wir Exekutionskommandos bilden, die in Nacht- und Nebelaktionen die Glasigen dezimierten, wo immer es ging? Das wäre Massenmord, und dazu würde sich niemand hergeben – weder die Immunen noch ich selbst.
In meinem Bestreben, den Befall aufzuhalten, zu stoppen oder gar rückgängig zu machen, also eine friedliche Lösung zu erreichen, war ich kaum weitergekommen. Fortschritte gerieten mir zu Scheinerfolgen, ich erreichte allenfalls Verzögerungen, ohne das Übel wirklich an der Wurzel packen zu können.
Perlmutt, um die es mir besonders ging, litt unter der Behandlung wie ein Krebskranker, der mit Zytostatika behandelt wurde. Diese Zellgifte hatten früher die Ärzte ihren tumorbefallenen Patienten verabreicht und dabei billigend in Kauf genommen, dass die gesunden Zellen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Erbrechen, Haarausfall, Blutbildveränderungen und Organschädigungen wurden dabei wie selbstverständlich hingenommen, um das Leben zu retten oder wenigstens zu verlängern.
Ich befand mich in einer ähnlichen Lage wie die damaligen Mediziner. Der Kleinen ging es schlecht, sie klagte über Übelkeit, hatte Kopf- und Magenschmerzen und regelrechte Entzugserscheinungen. Meine Medikamente und Ersatzstoffe, die ich produziert hatte, griffen ebenso wenig an wie andere Mittel, die ich in immer neuen Varianten entwickelte. Obwohl ich wie ein Besessener arbeitete, gelang es mir nicht, eine Substanz zu finden, die die gleichen Eigenschaften hatte wie Mannanna, ohne dem Befall Vorschub zu leisten.
Meine zierliche Freundin litt unter meinen Versuchen, doch sie beklagte sich nicht, obwohl meine Behandlung nicht half. Täglich veränderte sie sich mehr, und ich konnte diese unselige Entwicklung nicht zum Stillstand bringen. Mehr als einmal verfluchte ich meine Hilflosigkeit. Es war eine bittere Erkenntnis für mich, dass selbst mein umfangreiches Wissen nicht ausreichte, um EVOLO zu trotzen – mir fehlte Blödels Labor.
Und dann fehlte mir auf einmal auch Perlmutt. Als ich von einem meiner