Planetenroman 87 + 88: Sohn der Sonne / Zwischen den Wirklichkeiten. H. G. FrancisЧитать онлайн книгу.
undenkbar, dass so überaus ängstliche Geschöpfe wie die Pagathäer inmitten einer solchen Menge auf ihren Abflug warteten.
Sie würden einen Nervenzusammenbruch nach dem anderen haben, dachte der Terraner. Sie würden es einfach nicht ertragen. Deshalb müssen sie irgendwo in einem Sonderraum sein, vorausgesetzt, sie sind überhaupt noch hier.
»Ich werde am Informationsschalter fragen«, sagte Tarish'a'tkur. »Warte hier.«
Kennon stand zwischen einigen Akonen und Springern, die ihn jedoch nicht beachteten. Erst als ein sechsbeiniges Pelzwesen, das etwa so groß wie eine Katze war, ihn knurrend ansprang und er erschrocken zurückfuhr, merkten sie, dass er da war. Lachend pfiffen sie das Tier zurück und rissen danach einige derbe Witze über den missgestalteten Terraner.
Dieser ließ sie gleichmütig über sich ergehen. Er war es gewohnt, verhöhnt zu werden. Er entfernte sich einige Meter von der Gruppe, da er das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Irgendwo in seiner Nähe waren zwei dunkle Augen gewesen, die ihn unverwandt angestarrt hatten, bis er aufmerksam geworden war. Danach hatte der heimliche Beobachter sich abgewendet.
Kennon hatte sich nur kurzfristig durch das Tier ablenken lassen, das ihn erschreckt hatte. Er fühlte sich bedroht, und er versuchte, irgendwo Rückendeckung zu finden. Doch das schien unmöglich zu sein. Kaum jemand hatte Gepäck dabei, da fast alle Fluggäste dieses von Robotern zu ihren Unterkünften oder zu den Maschinen bringen ließen, mit denen sie weiterfliegen wollten.
Der Kosmokriminalist entschloss sich gerade, sich zwischen einige Walkonter zu stellen, massige Kolosse, denen niemand eine besondere Intelligenz zutraute, die sich aber dennoch im Wettstreit der Völker zu behaupten wussten. Da erschien Tarish'a'tkur.
»Sie sind da drüben in einem Sonderraum«, berichtete sie. »Komm. Wir gehen hin.«
Er schloss sich ihr an, ohne ein Wort über seine Befürchtungen zu verlieren. Dabei schob sich seine Hand verstohlen zur Waffe, die unter seiner Jacke verborgen war. Er wartete auf Anzeichen von Unruhe, die ihm verraten würden, dass sich jemand ein wenig zu hastig und rücksichtslos durch die Menge schob, um ihnen folgen zu können. Doch er bemerkte nichts.
Vielleicht habe ich mich geirrt, versuchte er, sich zu beruhigen.
Sie betraten einen schmalen Gang, von dem einige Türen abzweigten, und kamen dann in einen hellen Raum, in dem sich zehn erwachsene Pagathäer mit zwei Kindern aufhielten.
Die langbeinigen Geschöpfe reagierten augenblicklich und verrieten Kennon damit, dass sie mit seinem Besuch gerechnet hatten. Sie bildeten einen Kreis um die beiden Kinder, die auf dem Boden kauerten und sich miteinander balgten. Dann umklammerten sie sich mit ihren vierfach gegliederten Armen und stemmten die Beine fest nach außen. So bildeten sie eine Art Käfig, in dem die beiden Kinder eingeschlossen waren. Ihre spindelförmigen Körper verfärbten sich blau – ein deutliches Zeichen ihrer Angst. Sie steckten die birnenförmigen Köpfe so eng zusammen, dass ihr Haar ein dichtes hellblaues Büschel bildete.
Kennon ließ die Tür hinter sich zufallen.
Er zog seinen Energiestrahler und richtete ihn auf die beiden Kinder, die ihn mit weit ausgestreckten Stielaugen anblickten.
»Der Käfig, den ihr bildet, bietet euren Kleinen einen hervorragenden Schutz«, stellte er fest, wobei er sich bemühte, seine Stimme möglichst sarkastisch klingen zu lassen. Er wollte Leben und Gesundheit der Kinder auf keinen Fall gefährden, und er dachte gar nicht daran, auf sie zu schießen. Doch musste er gerade diesen Eindruck erwecken, wenn er die Pagathäer einschüchtern wollte. »Gegen einen Nadelstrahler wie diesen richtet ihr aber kaum etwas aus.«
»Ihr werdet für den Anschlag auf den Positronikladen bezahlen«, fügte Tarish'a'tkur mit schneidend scharfer Stimme hinzu. »Habt ihr wirklich geglaubt, ihr könntet unsere Freunde ungestraft töten?«
»Wir haben euch beobachtet«, rief der Kosmokriminalist. »Unsere Freunde gegen eure Kinder.«
Aus dem Kreis der Pagathäer ertönte ein gequälter Schrei. Das Knäuel der spindelförmigen Körper schien aufbrechen zu wollen, drängte sich dann aber noch enger zusammen, und die Beine rückten näher zueinander, so dass kaum noch Freiräume zwischen ihnen blieben.
»Macht euch nicht lächerlich. Ihr könnt mit euren Beinen keinen Energiestrahl abhalten.« Kennon lachte mit schriller Stimme.
Er wandte sich an die Tikalerin. »Willst du zuerst schießen, oder überlässt du es mir?«
»Nein! Schießt nicht«, brüllte einer der Pagathäer. Er wurde förmlich aus dem Knäuel herausgeschleudert, während die anderen sich sofort wieder aneinander pressten und die Lücke schlossen, die für den Bruchteil einer Sekunde entstanden war.
Schwankend und tiefblau verfärbt vor Angst stand der Pagathäer neben den anderen. Er bot einen geradezu jämmerlichen Anblick. Unsicher schwankte er auf den drei dünnen, etwa zwei Meter langen Beinen, die viel zu schwach zu sein schienen, den spindelförmigen, mit blauen Hautlappen überdeckten Körper zu halten, auf dem der birnenförmige Kopf mit den zwei riesigen Facettenaugen thronte. Das Haar fiel ihm über die Augen weit auf den Rumpfkörper herab. Er zog es mit spitzen Fingern auseinander, um etwas sehen zu können. Sein Mund war nicht zu erkennen. Er war – wie der Terraner wusste – unter der Haarpracht auf der Rückseite des Kopfes verborgen.
»Warum sollten wir auf unsere Rache verzichten?«, fragte der Kosmokriminalist. »Ihr habt unsere Freunde getötet. Zehn Leben vernichtet. Ihr habt keine Gnade verdient.«
Es fiel ihm schwer, die Pagathäer derart unter Druck zu setzen, doch er glaubte, keine andere Wahl zu haben.
»Nein, nein«, rief das von den anderen ausgesonderte Wesen. »Wir waren lediglich Zeugen der Tat. Wir haben nichts damit zu tun.«
»Ich war auch Zeuge«, erklärte Kennon. »Ich habe euch am Tatort gesehen.«
»Das kann nicht sein. Wir waren vor dem Laden, aber nicht in ihm.«
»Ach, ihr wart es also nicht? Aber wer hat denn meine Freunde dann ermordet? Ich selbst habe euch gesehen. Es kann kein anderer gewesen sein.«
»Es waren Xaxarier. Ich schwöre es. Sie haben sich mit Energieschirmen geschützt, aber ich habe sie dennoch erkannt. Es waren Xaxarier – nicht wir!«
Sinclair Marout Kennons Plan war aufgegangen. Der überfallartige Vorstoß gegen die Pagathäer, die Bedrohung ihrer Kinder und die überzeugend vorgetragene Beschuldigung hatten ihre Wirkung getan.
»Xaxarier«, wiederholte der Kosmokriminalist, der spürte, dass der bedrängte Pagathäer die Wahrheit gesagt hatte. »Wir werden ja sehen, ob das richtig ist.«
Er zog sich mit angeschlagener Waffe bis auf den Gang zurück, schob den Energiestrahler rasch unter die Jacke, und eilte mit Tarish'a'tkur in die Abfertigungshalle.
»Aufpassen«, raunte er ihr zu. »Ich bin ziemlich sicher, dass jemand diese Tür im Auge behält.«
Er strebte mit ihr zusammen dem Ausgang zu, als er wiederum zwei dunkle Augen bemerkte, die über die Schultern eines Springers hinweg zu ihm herüberspähten. Es waren Stielaugen, und es war nicht zu erkennen, zu welchem Wesen sie gehörten. Kennon war aber ganz sicher, dass es sich nicht um einen Pagathäer handelte, der sich in dieser auffälligen Weise für sie interessierte.
»Wohin?«, fragte Tarish'a'tkur, als sie auf das Parkdach hinaustraten.
»Wir verschwinden erst einmal mit einem Gleiter«, erwiderte er. »Hier am Raumhafen ist es zu gefährlich für uns. Außerdem sollten wir den Pagathäern Gelegenheit geben, Traak zu verlassen.«
Sie stiegen in einen kleinen Gleiter und bewegten sich im Verkehrsstrom auf die Berge im Norden zu. Aus den tiefhängenden Wolken wirbelte Schnee herab, und Schwärme großer Vögel segelten ohne jeden Flügelschlag nach Nordwesten.
In der Ebene unter ihnen drängten sich massige, mit dichtem Fell bedeckte Tiere an einem Fluss zusammen. Der Raumhafenbetrieb schien sie nicht zu stören. Sie reagierten noch nicht einmal, als sich ein riesiger Kugelraumer donnernd aus der