Perry Rhodan 16: Die Posbis (Silberband). Clark DarltonЧитать онлайн книгу.
Nike Quinto bedeutete das noch lange nicht, dass der Fall abgeschlossen war. Er würde seine zehn Stunden ruhig abwarten und sich dann erst noch einmal überlegen, ob er die Spur von sich aus aufnehmen oder weiter warten sollte.
Es zeigte sich, dass er recht hatte.
Um ein Uhr dreiundzwanzig meldete die BOB-XXI das Auftauchen eines fremden Raumschiffs aus der Leere zwischen den Milchstraßen.
Die JOANN gab Alarm an die Flottenverbände.
Eric Furchtbar beobachtete das fremde Schiff.
Im Hauptschaltraum befanden sich außer ihm Leutnant Hynes und Korporal Schulmeister. Die Funkbilder aus Art Cavanaughs Kabine wurden auf die Bildflächen des Hauptraums übertragen. Eric Furchtbar konnte sehen, wie das Schiff näher kam und mit dem Bremsmanöver begann.
Er setzte den Hypersender in Betrieb und strahlte ein paar wenig modulierte Signale ab. Die Signale ergaben keinen Sinn. Aber der Fremde würde sie empfangen und irgendeine Antwort geben, die ebenso sinnlos war und nur zeigte, dass er den Anruf empfangen hatte.
Wenigstens erwartete Eric das. Es stellte sich rasch heraus, dass er sich getäuscht hatte. Es kam keine Antwort. Das fremde Schiff setzte sein Bremsmanöver fort. Selbst ein Laie konnte erkennen, dass es ihm von Sekunde zu Sekunde schwerer fiel, den Kurs zu halten. Es taumelte zur Seite, wurde wieder zurückgebracht, bockte wie ein Pferd und rotierte mit wechselnder Geschwindigkeit um seine eigene Achse. Es war noch zu weit entfernt, um auf dem Optikschirm zu erscheinen. Aber der Hyperorter, gekoppelt mit Spezialortungsgeräten, erkannte klar, dass die äußere Form tropfenförmig war.
Die Energieortung ermittelte, dass der Fremde sich in einem künstlichen Gravitationsfeld bewegte, das ihm den Antrieb ersetzte. Heftige Schwankungen des Feldes wurden festgestellt. Die Generatoren schienen nicht mehr zu funktionieren.
Eric Furchtbar wartete immer noch auf eine Antwort. Sie kam nicht. Er wiederholte die Signale, strahlte andere aus und formulierte schließlich sogar eine Frage in positronischem Kode.
Aber der Fremde blieb stumm. Entweder war niemand an Bord mehr am Leben oder die Unbekannten wollten sich einfach nicht melden. Die erste Möglichkeit erschien nicht besonders wahrscheinlich. Wenn niemand mehr am Leben war, dann musste das Schiff von einer Automatik gesteuert werden. Das war durchaus vorstellbar. Aber nach Erics Ansicht hätte eine Automatik auf die Kursschwankungen des Fahrzeugs schneller reagieren müssen. Die Kurskorrekturen, die der Fremde durchführte, waren äußerst langsam und unbeholfen. Es sah so aus, als säße am Steuer des Schiffes jemand, der von Astrogation wenig Ahnung hatte.
Wenn aber dort drüben noch jemand lebte, warum meldete er sich nicht? Möglicherweise waren alle Funkgeräte ausgefallen, so dass der Fremde nicht antworten konnte.
Aus der Funkkabine wurde Eric ständig darüber auf dem laufenden gehalten, wieviel Zeit bis zum endgültigen Stopp des Schiffes noch vergehen würde.
Es schien ihm, als wäre das fremde Schiff plötzlich ruhiger geworden. Es schlingerte und torkelte nicht mehr. Eric konnte nicht erkennen, ob es sich überhaupt noch bewegte. Er wollte die Funkstation anrufen.
Aber bevor er dazu kam, meldete sich die Energieortung: »Das Gravitationsfeld des fremden Schiffes ist ausgefallen.«
Die Stimme war hastig, und das Gesicht des Mannes auf dem Bildschirm sah verwirrt aus. Eric Furchtbar schüttelte den Kopf. Der Schirm erlosch wieder – und dann erst ging Eric auf, was er da eben gehört hatte.
Das Feld war der Antrieb des Fremden. Wenn das Feld ausgefallen war, dann konnte er nicht mehr manövrieren. Dann behielt er die Geschwindigkeit bei, die er in der letzten Sekunde vor dem Ausfall der Generatoren gehabt hatte. Und natürlich auch den Kurs.
Eric wirbelte mit seinem Sessel herum. Ed Hynes starrte ihn verwundert aus großen Augen an. Eric wollte etwas sagen. Aber ohne Meldezeichen leuchtete das Interkombild auf, und Ken Lodges sich überschlagende Stimme brüllte: »Höchste Gefahr! Der Fremde ist steuerlos. Nähert sich uns auf direktem Kurs mit rund fünfhundert Kilometern pro Sekunde. Berührung in hundert Sekunden!«
Es ist merkwürdig, mit welcher Zielsicherheit das Unterbewusste in Augenblicken höchster Gefahr die Lenkung eines Verstandes übernimmt, der unter bewusster Steuerung längst nicht so schnell arbeiten könnte, wie die Lage es erfordert.
In einer winzigen Zeitspanne entschied Eric Furchtbar, dass es keine Möglichkeit gab, die Gefahr durch einen Beschuss des fremden Schiffes zu beseitigen. Das Anvisieren des Zieles würde zwanzig bis dreißig Sekunden in Anspruch nehmen. Und selbst ein Volltreffer würde nur bewirken, dass an Stelle des kompakten Schiffes die Trümmerstücke mit der Station kollidierten. Bei einer Geschwindigkeit von rund fünfhundert Kilometern in der Sekunde machte das keinen großen Unterschied.
Erics Finger begannen über die Tasten zu rasen. Hier gab es nur noch eine Hoffnung. Die Korrekturtriebwerke der BOB-XXI waren klein und hilflos gegen eine solche Gefahr. Aber sie waren das einzige, womit man die Station bewegen konnte.
Eric sah das Schiff von rechts her auf das Zentrum des Orterschirms zukommen und richtete die Leistung der Korrektoren so, dass sie die BOB-XXI nach links drückten. Verzweifelt hieb er auf die Tasten, drückte kleine Hebel und drehte an Stellknöpfen. Jede Sekunde einmal sah er auf den Orterschirm.
Aber der Lichtpunkt des Fremden kam immer noch auf das Zentrum zu. Er hatte sich um keinen Millimeter aus seiner Bahn bewegt.
Eric konnte nichts mehr tun. Die Hände ruhten. Die Triebwerke leisteten das Höchste, was sie hergeben konnten. Es blieb nur noch die Hoffnung.
Eric starrte den Bildschirm an, als könnte er die Gefahr mit der Kraft seiner Wünsche bannen. Er hatte noch niemals in seinem Leben etwas so kräftig gewünscht wie in diesen Sekunden der tödlichen Gefahr.
Von ganz fern her kam ihm noch einmal der Gedanke, dass er die Besatzung durch die Transmitter schicken konnte, die zwischen der BOB-XXI und der JOANN einen Tunnel durch den Hyperraum für den Fall der äußersten Gefahr bauten. Aber er schob die Idee zurück, ohne sie näher zu betrachten. Die Transmitter waren nicht in Betrieb, und allein der Aufwärmvorgang der Generatoren brauchte dreimal so viel Zeit wie der Station insgesamt noch verblieb.
Sie waren verloren, wenn die Triebwerke es nicht schafften, die BOB-XXI aus der verderbenbringenden Bahn des steuerlosen Schiffes zu treiben.
Noch zehn Sekunden ...
Gebannt beobachtete er den Punkt, wie er mit rasender Geschwindigkeit vom kleinen Kreis zum großen Ball wurde und in der letzten Sekunde über die Ränder des Bildschirms hinauswuchs.
O Gott, er trifft uns voll, war Eric Furchtbars letzter Gedanke.
Dann kam der Aufprall.
In einem donnernden, drohenden Schlag ging die Welt unter. Das letzte, was Eric empfand, war, dass er die Sitzfläche seines Sessels nicht mehr unter sich hatte. Dann traf ihn etwas mit der Wucht eines Dampfhammers an den Schädel, und er verlor augenblicklich das Bewusstsein.
Ron Landry vergrub das Gesicht in den Händen. Er versuchte, nicht an die Männer auf der BOB-XXI zu denken. Aber trotzdem sah er die mattschimmernde Scheibe der Beobachtungsstation, den taumelnden Riesentropfen des fremden Schiffes – und erlebte den Augenblick, in dem die beiden sich ineinanderbohrten und in einer furchtbaren Explosion vergingen.
Schweigen herrschte in dem kleinen Konferenzraum.
Willenlos zählte Ron die Sekunden nach der Katastrophe. Eins – zwei – drei – vier ...
Jemand scharrte heftig mit seinem Stuhl. Das musste Nike Quinto sein, links neben Ron. Laut und deutlich hörte man Nike keuchen.
Und dann seinen Schrei: »Sie sind davongekommen! Die Geräte zeigen noch an!«
Das riss Ron in die Höhe. Mit großen Augen starrte er auf den Bildschirm der Telekomanlage, die die JOANN und die BOB-XXI miteinander verbanden. Es gab kein Bild mehr. Aber quer über die Mattscheibe lief die gezackte Linie des Pausenzeichens, das anzeigte, dass im Augenblick zwischen den beiden Stationen keine Sendung im Gang war.