Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas BrandhorstЧитать онлайн книгу.
wog sie in den Tentakeln und richtete sie auf einen Punkt am Ende des Gangs, dort, wo die unsichtbare Front verlief.
»Vorsichtig!«, mahnte Mev-Sopran den jungen Loower. Für An-Keyt klang es so, als machte er sich eher Sorge um seine Waffe, als über den Schaden, den Belor-Thon anrichten könnte, sollte er unbedacht feuern.
»Was kann sie?«, fragte Saleng-Merv knapp, ganz der schweigsame Krieger; eine Pose, die er sich Jevek-Kart abgeschaut hatte.
»Töten, was sonst?«
»Das ist selbstverständlich. Aber wie?«
»Projektile.«
Saleng-Mervs Sprachblase stellte die Grundvibration, die Loowern zu Eigen war, einige Augenblicke ein. »Projektile?«
»So ist es.«
»Das ist anachronistisch. Ohne mich. Ich verlasse mich hierauf. Er hat mir gute Dienste geleistet.« Er reckte seinen Kombistrahler.
An-Keyt erwartete, dass Jevek-Kart den Widerspruch des Loowers entschlossen ahndete, doch der Söldner sagte nur beiläufig: »Wie du willst. Deine Entscheidung.« Dann nahm er sich einen Projektilwerfer und wartete, bis Mev-Sopran den Tornister wieder auf den Rücken geschnallt hatte.
»Bereit?«, flüsterte der Söldner.
Zustimmung. An-Keyt fiel auf, dass Belor-Thon schwieg, wie die meiste Zeit inzwischen. Die Loowerin musste sich manchmal mit Gewalt ins Gedächtnis rufen, dass ihr der Junge am Beginn ihres Vormarschs durch sein pausenloses Gerede auf die Nerven gefallen war. Jetzt sagte er kaum noch etwas, und die Loowerin hätte viel darum gegeben, zu erfahren, was er dachte.
Der Trupp rückte vor, trennte sich. An-Keyt folgte dank der Helk-Kameras jedem einzelnen seiner Angehörigen. Ihr kam es vor, als sähe sie einen einzigen Film in vierfacher Kopie. Mit identischen Bewegungen bereiteten sich die Soldaten auf das Gefecht vor, überprüften ihre Kampfanzüge und Waffen auf Funktionstüchtigkeit, während ihre vollständig ausgefahrenen Stielaugen die Umgebung absuchten. Die Helmdisplays waren auf halbtransparent geschaltet. Auf diese Weise sahen die Soldaten das ganze Bild: das abstrahierte des Gefechtssystems und das unverfälschte ihrer Sinnesorgane. Ihre Atemzüge, die aus den Akustikfeldern von An-Keyts Helm drangen, waren flach und gleichmäßig, fast, als schliefen ihre Kameraden.
Und zumindest für Jevek-Kart schien das zuzutreffen. Der Söldner bewegte sich mit der Leichtigkeit eines Traumwandlers durch den Korridor, variierte sein Tempo willkürlich, kam beinah ganz zum Stehen, schlenderte dahin, schoss mit einer Geschwindigkeit vor, als hätte er das Pulsatortriebwerk aktiviert – er hatte es nicht, An-Keyt überprüfte die Energietaster –, wirbelte herum, ging manchmal links, manchmal rechts, manchmal in der Mitte, nutzte jede auch noch so spärliche Deckung. Und das, ohne je den glücksbringenden Neunerrhythmus zu unterbrechen.
An-Keyt wurde an einen Tanz erinnert, eine spirituelle Übung, wie sie Loower vollführten, die sich in mühevoller Arbeit die höhere Ebene der Neo-Entelechie zu erschließen suchten.
Schweigend rückten die vier Soldaten auf ihre Ausgangspositionen vor. Sie umgingen das Ziel, um den Feind aus dem Rücken anzugreifen. Eine Abwägung. Der Vormarsch durch die gesäuberte Zone wäre risikolos gewesen, aber auf Kosten eines möglicherweise heißen Empfangs. Das Vorrücken durch bislang lediglich von Spürhelks erschlossenes Gebiet barg das Risiko einer überraschenden Feindberührung, aber auch die Chance, den Feind ihrerseits zu überraschen.
Der Feind rührte sich nicht. Jevek-Kart und die übrigen Soldaten erreichten unbehelligt ihre Ausgangspositionen.
Der Angriff begann mit einem Aufflammen. Die Energietaster von An-Keyts Anzug schlugen an, ließen die Loowerin gegen ihren Willen zusammenschrecken. An Stelle der nüchternen Wände, die An-Keyt auf ihrem Helmdisplay gesehen hatte, barsten Explosionen. »Für das Leben!«, rief Jevek-Kart, und die übrigen stimmten in seinen Kampfschrei ein und schossen, vorwärts gerissen von ihren Pulsatortriebwerken, durch die glühenden Explosionswolken. Für den Bruchteil einer Sekunde schossen die Belastungsanzeigen ihrer Schirme auf Überlast, dann ließen die Soldaten die Flammenwände hinter sich und eröffneten das Feuer.
An-Keyt glaubte einen Aufschrei zu hören, un-loowerisch, aber von fühlenden Wesen. Sie hörte Angst heraus, Todesangst. Qual. Dann Explosionen von einer Wucht, die sie in wilder Panik in Deckung springen ließen. Zwei waren es, nahezu synchron, gefolgt von einem Stakkato. Als sie verklangen, hörte An-Keyt nur noch das Fauchen eines schweren Strahlers. Ein dünnes Säuseln, schien es ihr.
Dann verstummte der Strahler.
Jevek-Kart erstattete Meldung, militärisch knapp. »Säuberung erfolgreich abgeschlossen, Vordenker.«
Später, als das Kommando sich in seinem Nachtlager versammelte, war die professionelle Nüchternheit Jevek-Karts verflogen. Zusammen mit dem Vordenker ging der Söldner den Angriff durch. An-Keyt, die es vermieden hatte, die Aufnahmen durchzusehen, blieb keine Wahl, als sich die Bilder anzusehen. Der Vordenker bestand darauf, eine Auswertung war unerlässlich, half morgen oder an einem anderen Tag wertvolle Loower-Leben zu retten.
In Zeitlupe verfolgte An-Keyt den Angriff, sah zu, wie Jevek-Kart und Mev-Sopran in die Räume schossen, in denen sich der Feind verschanzt hatte. Viel war nicht von ihm zu sehen. Es musste sich um ein sehr großes, vielarmiges Wesen handeln. Oder um viele Kleine, die sich eng aneinander drängten. Der Söldner und der Waffenwart rissen die kurzläufigen Waffen hoch – und gaben nur einen einzigen Schuss ab.
Das genügte.
Auf Mev-Soprans Wink – gegen den der Vordenker keinen Einwand erhob – verlangsamte sich die Aufnahme zu einer Einzelbildfolge. An-Keyt verfolgte, wie ein Projektil den Lauf der Waffe verließ, etwa so groß wie die Spitze eines Greiflappens. Es glitzerte.
»Das Projektil ist von einem Energieschirm umgeben«, erläuterte der Waffenwart. »Dieser Schirm erfüllt eine Doppelfunktion. Er schützt das Projektil davor, vom Gegner im Flug zerstört zu werden, und ermöglicht es, gegnerische Schirme zu durchschlagen.«
Das Projektil hatte in der extremen Zeitlupe inzwischen beinahe die Decke erreicht.
»Das war in diesem Fall nicht nötig, deshalb trat die Sekundärfunktion in Kraft.« Als hätte Mev-Sopran die Vorstellung choreographiert, zerplatzte das Projektil in unzählige Fragmente, die sich über den gesamten Raum verteilten und wie Hagel hinabregneten. »Das Projektil ist modular aufgebaut, seine Sprengkraft ist auf mehrere zehntausend Sub-Projektile aufgeteilt, jedes von ihnen einzeln steuerbar und mit Sensoren zur Feindaufspürung ausgestattet.«
Der Projektilschauer fiel dem Boden entgegen. Die einzelnen Projektile leuchteten wie Funken, erhellten den Raum mit ihrem Halblicht, stellten den Feind bloß. Es waren viele einzelne Wesen, erkannte An-Keyt jetzt, mit großen, aber primitiven Augen, die stiellos am Körper angewachsen waren. Flachaugen starrten dem goldenen Schauer entgegen, einige schrien aus unpassend kleinen Mündern. An-Keyt sah nirgends Waffen.
Die Explosion.
»Die Sub-Projektile zünden zeitgleich«, fuhr der Waffenwart fort. »Der Effekt ...« – einige Einzelbilder lang war nur Weiß zu sehen, schmerzhaft stechendes Weiß – »... ist durchschlagend, die Effektivität der Simultan-Explosionen übersteigt deutlich die eines einzelnen Projektils von rechnerisch identischer Sprengkraft.«
Als das Weiß verblasste, hatte sich der Raum in einen Glutofen verwandelt. Von den Flachaugen war nichts mehr zu sehen, nicht einmal Schatten ihrer Umrisse hatten sich in das glühende Metall gebrannt.
»Diese Waffe entspricht in idealer Weise den Grundsätzen der Neo-Entelechie, verkörpert in ihrem schmerzfreien Töten sinnbildlich den Kampf für das Leben, den wir führen.« Mev-Sopran hatte den Blick abgewandt, seine Stielaugen waren blicklos, als hielte sich ihr Besitzer in einer anderen Sphäre auf. Schweigend verharrten die Loower um das Holo.
Der Waffenwart fing sich wieder. »Selbstverständlich vorausgesetzt, dass sie kompetent eingesetzt wird.« Seine Stielaugen richteten sich auf Belor-Thon. Der junge Loower sagte nichts. Es war nicht nötig, die Bilder, die jetzt abliefen, sagten mehr als genug: Belor-Thon, der ein ganzes Magazin