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Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband). Andreas BrandhorstЧитать онлайн книгу.

Perry Rhodan: Pan-Thau-Ra (Sammelband) - Andreas  Brandhorst


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      Ein Nichts.

      Für die hundert Meter benötigte er mehr als zehn Sekunden, mit beiden Armen stemmte er gerade einmal 80 Kilo, und das nur für Sekunden und bei lächerlicher Erdschwerkraft. Stürmte es – und wann tat es das nicht? – musste er den Schwerkraftanker seines Schutzanzugs aktivieren, der ihn an den Boden fesselte. Andernfalls hätte der Wind ihn weggeweht wie ein Blatt, und man hätte nie wieder von ihm gehört. Gab es einen Kälteeinbruch, rettete ihn nur sein Anzug davor, nach wenigen Schritten zu einem Eisblock zu gefrieren. Kam danach die Hitze – und sie pflegte unmittelbar nach Kälteeinbrüchen die höchsten Grade zu erreichen – bewahrte ihn derselbe Anzug davor, wie ein Wassertropfen zu verdampfen. Käme er auf die Idee, den Helm seines Anzugs zu öffnen, um frische Luft zu atmen, wäre es sein letztes Vergnügen dieser Art gewesen: Der achtfache irdische Luftdruck hätte ihn umgebracht.

      Jeder Schritt, den Lifkom auf Oxtorne unternahm, musste wohlüberlegt sein. Sein Anzug schützte ihn vor den Elementen, die auf diesem Höllenplaneten nur einen Gefühlszustand zu kennen schienen: den der unbändigen Wut. Die Oxtorner selbst sahen es natürlich anders. Sie werteten die Extreme, mit der ihre Welt aufwartete, als Ausdruck schrankenloser Ausgelassenheit. Und je ausgelassener der Planet Oxtorne sich austobte, desto ausgelassener wurden seine Bewohner.

      Die Oxtorner spielten. Sie stürzten sich wie die Lemminge der altterranischen Legende über Klippen ins Meer, wetteiferten darum, wer am längsten den turmhohen Wellen standhielt. Der Rekord, bei Sturmstärke 16, lag irgendwo bei über einer Woche. Lifkom selbst hätte keine Minute durchgehalten, bevor er ertrunken oder an den Felsen zu Brei zerschmettert worden wäre.

      Aber das war auch kein Wunder. Er war ja ein Schwächling. Seine Haut glich nicht einem Stahlpanzer, seine Knochen übertrafen nicht Metallplastik an Festigkeit. Und wenn er einmal eine Woche nichts trank, war er tot. Für einen Oxtorner begann dann erst der Spaß. Bei acht Wochen lag mittlerweile der Rekord. Ohne bleibende Schäden für den Rekordhalter, aber belohnt mit psychedelischen Effekten, an die keine bekannte Droge auch nur annähernd herankam, und der Hochachtung der Mitmenschen. Natürlich gab es auch noch andere Wege, Achtung zu erreichen. Man konnte beispielsweise aus dem Fenster springen – der Rekord für einen unversehrten Aufprall lag inzwischen bei 14 Stockwerken –, mit Okrills ringen – Rekord: ein halbes Dutzend ausgewachsene Tiere, bezwungen von einem einzigen Oxtorner – oder, war man weniger ehrgeizig, einfach nur seine feste Behausung aufgeben und den Elementen Oxtornes ungeschützt trotzen.

      Nichts davon kam für Lifkom in Frage, war er nicht auf Selbstmord aus. Oxtorne war eine Welt der Umweltangepassten. Kein Ort für einen gewöhnlichen Terraner. Ohne Mikrogravitator hätte die Schwerkraft, die mehr als das Vierfache der irdischen betrug, ihn an den Boden genagelt, ihm langsam aber unerbittlich das Leben aus dem Leib gequetscht.

      Doch Lifkom harrte aus. Trotzte der Höllenwelt und ihren Bewohnern. Er war der Botschafter Terras auf Oxtorne, direkter Beauftragter der Terranischen Residenz, Repräsentant der Liga Freier Terraner. Eines Sternenreichs der Schwächlinge, zugegeben, aber auf jeden Riesen kamen tausende von Schwächlingen, und in diesem Zahlenverhältnis drückte sich ein Machtgefälle aus, das die Riesen er- und anerkannten. Oxtorne war Zentrum der Praesepe-Koalition, einem Gebilde, zu dem Precheur, Suavity, Folgogon sowie dreißig weitere Welten gehörten, zu wenige und zu dünn besiedelt, um sich den Titel »Sternenreich« zu verdienen. Deshalb hatte sie sich folgerichtig der Liga angeschlossen. Und Oxtorne und die Praesepe-Koalition würden solange keine Anstalten machen, der Liga abtrünnig zu werden, solange man ihre Bewohner nicht über Gebühr belästigte. Ein Sachverhalt, den wiederum die Schwächlinge spürten, weshalb die Liga ihre Präsenz auf Oxtorne, der Zentralwelt der Koalition, auf das absolute Minimum beschränkte: den Botschafter Lifkom Tremter.

      »Lifkom?« Das Visiphon des Botschafters sprach an.

      »Ja. Wer ist da?« Es war eine unnötige Frage. Er hatte die Stimme erkannt, noch bevor das Bild sich aufgebaut hatte. Doch Lifkom war dazu übergegangen, ab und an seine Unzulänglichkeiten als Terraner überzubetonen, um bei Bedarf sein oxtornisches Gegenüber zu verblüffen.

      »Talina natürlich, du blinder und tauber Terraner!« Das Gesicht einer jungen Frau erschien. Ihr Schädel und Gesicht waren haarlos bis auf die Augenbrauen, die, wenn sie sprach, auf- und abhüpften, als führten sie ein eigenes Leben. Zwei wache, große Augen funkelten den Botschafter an. Angriffslustig. Neckisch. »Wenn alle Terraner so sind wie du, wundert es mich, dass euer Volk nicht längst ausgestorben ist!«

      »Wir tun unser Bestes, aber es scheint so, dass wir nicht einmal dazu fähig sind.«

      Die Oxtornerin und der Terraner lachten. Talinas Bemerkung und Lifkoms Retourkutsche waren längst zum Ritual erstarrt. Dennoch konnte Talina ihren Scherz nicht lassen. Er lag für sie zu sehr auf der Hand, als dass es anders hätte sein können. Der Scherz war Ausdruck ehrlicher, nicht enden wollender Verblüffung: Es wollte den Oxtornern einfach nicht in den Kopf, dass so schwächliche Wesen wie die Terraner in der Lage waren, sich zu behaupten.

      »Ich bin hier, um dich aus deinem Bau zu locken, Kleiner!«

      »Eine charmante Idee, Große. Aber ich fürchte, ich habe noch zu tun. Die Residenz erwartet meinen Monatsbericht ...«

      »Vergiss die Residenz, Kleiner! Die Residenz ist weit, ich aber sitze dir im Nacken ...«

      Lifkom rief die Ortsdaten der Anruferin auf. Talina stand vor dem Vierfachschirm seiner Dienstvilla und hüpfte ungeduldig wie ein Kind auf und ab.

      »Ich kann nicht einfach alles liegen und stehen lassen«, seufzte der Konsul. Die Wahrheit war, dass er sich seit Tagen mit dem Bericht quälte und nichts mehr willkommen hieß als eine Unterbrechung. Selbst, wenn das bedeutete, die Sicherheit seiner Villa zu verlassen. Aber sein Sträuben gehörte ebenso zu ihrem privaten Spiel wie ihre Spitzen. Beides zusammen machte erst den Reiz aus. »Um was geht es?«

      »Das wirst du schon sehen, mein Männchen!«

      Oxtorner waren seltsam schwerhörig, wenn Worte wie »nein«, »das geht nicht« oder »unmöglich« fielen. Talina war in dieser Hinsicht noch schlimmer: Sie war stocktaub. Sie würde nicht nachgeben, bis er nachgab.

      »In Ordnung«, sagte Lifkom. »Gib mir fünf Minuten.«

      Sie gingen zu Fuß.

      Talina rannte, in dem Tempo, das unter Oxtornern als Trab durchging: mit 100 Kilometern die Stunde. Lifkom glitt neben ihr über den Boden, getragen vom Flugaggregat seines Anzugs. Er überließ der Anzugpositronik die Steuerung; anders hätte er es niemals vermocht, den Haken zu folgen, die die Oxtornerin schlug. Das Gelände war felsig, ließ keinen geraden Weg zu. Eine Straße gab es natürlich nicht. Es gab nirgends mehr auf Oxtorne Straßen, bestenfalls Trampelpfade, die an den wenigen Orten entstanden, die von vielen Einheimischen frequentiert wurden. Oxtorner verachteten Straßen. Straßen waren für Schwächlinge. Und ein Schwächling war das Letzte, was ein Oxtorner sein wollte.

      »Schau nicht so unglücklich drein, Kleiner«, japste Talina. »Es ist ein wunderbarer Tag. Und du wirst es nicht bereuen, vertrau mir.« Ihr Tonfall war mühelos, spielerisch, als würde sie nicht wie eine Verrückte über eine Geröllebene rennen. Ihr Brustkorb, der der oxtornischen Physiognomie entsprechend gut das doppelte von Lifkoms maß, hob und senkte sich kaum wahrnehmbar.

      »Wohin gehen wir?«

      »Dahin.« Die Oxtornerin zeigte auf die schneebedeckten Gipfel, die die Ebene im Süden abschlossen.

      Natürlich, die Berge. Die Oxtorner waren im Grunde Einzelgänger, die ihre eigenen Wege gingen. Wege, die sich dort überkreuzten, wo Extreme lockten: im Hochgebirge, an den Polen, in den Tropen, den Wüsten und auf und in den Meeren. Lifkoms Dienstvilla, in der schützenden Senke einer Ebene errichtet, lief den Idealen der Oxtorner so sehr zuwider, dass es ihnen beinahe schon wieder so etwas wie Respekt einflößte. Hier ging jemand seinen eigenen Weg, ganz gleich, was andere dachten. Die Oxtorner mochten solche Leute.

      »Was ist dort?«, fragte der Terraner.

      »Es wird dir gefallen!«, sagte Talina nur und zog das Tempo an.

      Eine halbe Stunde später


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