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Fettnäpfchenführer Norwegen. Julia FellingerЧитать онлайн книгу.

Fettnäpfchenführer Norwegen - Julia Fellinger


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Familie Sundnes möchte gerne, dass Stefan sie zu dem Fest begleitet. Eigentlich hat Stefan nichts Feines für den Anlass anzuziehen, Henrik beruhigt ihn aber und meint, dass eine dunkle Hose und ein Hemd völlig ausreichend sind. Als er dann sieht, was die Sundnes selbst zu diesem festlichen Anlass tragen, kann er ein Grinsen nur schwer unterdrücken. Die Familie, findet er, ist zurechtgemacht wie für eine Aufführung des Bauerntheaters. Cecilie versteht sein Grinsen falsch und erklärt Stefan voller Stolz ihr bunad, ihre Tracht. Sie trägt eine weiße Bluse, darüber eine rote Weste mit aufwendigen Stickereien und Broschen, Knöpfen und Haken aus Silber, eine weiße Schürze und einen schwarzen, gewalkten Rock. Henrik trägt Knickerbocker mit Troddeln an der Seite, dicke Wollstrümpfe und einen dunklen Janker. ›Wie putzig‹, denkt Stefan.

      Bunads sind von Region zu Region unterschiedlich und jeder Norweger trägt mit Stolz das bunad aus seiner Gegend. Fremdgehen, also ein anderes bunad tragen, nur weil einem das besser gefällt, ist tabu. Was die bunads allerdings gemeinsam haben, ist ihre aufwendige Verarbeitung und die hohe Qualität, die sich auch im Preis niederschlägt. Dafür können sie dann aber auch zu jedem festlichen Anlass getragen werden.

      Großmutter Rigmor lebt immer noch auf dem Hof, auf dem sie auch schon vor 80 Jahren geboren wurde, etwa 10 Kilometer von der nächstgrößeren Ortschaft entfernt. Die ganze Verwandtschaft ist gekommen, insgesamt etwas mehr als 40 Leute. Gemeinsam macht man es sich in der guten Stube und der Küche bequem, so gut es eben geht. Es wird bløtkake (Sahnetorte) gereicht, boller (Brötchen), kringler (Hefebrezeln) und irgendjemand hat auch einen kransekake gebacken. Diese Spezialität aus Norwegen, zu Deutsch: Kranzkuchen, wird aus Mandeln, Puderzucker und Eiweiß hergestellt und ist aus verschieden großen einzelnen Ringen zusammengesetzt. Kransekake wird traditionell an Weihnachten und dem 17. Mai, aber auch bei Hochzeiten und Familienfesten gereicht. Je nach Anlass ist er mit Fähnchen, Figuren oder Knallbonbons verziert. Auf Rigmors Geburtstags-kransekake stecken lauter kleine norwegische Fähnchen. Überhaupt finden sich diese Fähnchen überall, das ganze Haus gleicht einem Flaggenmeer. Schon zum dritten Mal an diesem Nachmittag stimmt die Gesellschaft ein Geburtstagsständchen an:

       »Hurra for deg som fyller ditt år,

       ja, deg vil vi gratulere!

       Alle i ring omkring deg vi står,

       og se nå vi vil marsjere,

       bukke, nikke, neie, snu oss omkring,

       danse for deg med hopp og sprett og spring,

       ønske deg av hjertet alle gode ting

       og si meg nå hva vil du mere?

       Gratulere!«

      »Ein Hurra für dich, die ein Jahr älter wird,

      ja, dir woll’n wir gratulieren!

      Alle um dich im Kreis herumstehen,

      schau, wie wir nun marschieren,

      verbeugen, nicken, knicksen, einmal rundherum

      tanzen für dich mit Hüpfen, Springen, Laufen,

      wünschen dir von Herzen alle guten Dinge,

      und sag mir nun, was willst du mehr?

      Gratulier’!«

      Stefan wird herzlich aufgenommen und verspürt große Lust, auch einen Beitrag zur guten Stimmung zu leisten. Immer wieder erhebt sich jemand für eine tale (Rede) und lässt die Jubilarin hochleben. Das geht kurz und pointiert über die Bühne, und schon nach ein paar Worten und einem lauten »Skål!« prostet man sich gegenseitig zu. Danach setzt sich der Redner zügig wieder hin. Er überlegt hin und her, und schließlich fällt ihm etwas ein. Er erhebt sich und wartet eine kleine Weile, bis er die Aufmerksamkeit der Umherstehenden für sich gewonnen hat und die Gespräche nach und nach abebben. Dann nimmt er all seinen Mut zusammen und singt: »Zum Geburtstag viel Glück!«

      Als er endet, ist die Stille schneidend. Wer ihn nicht mit offenem Mund ansieht, der sucht den Fußboden mit den Blicken nach etwas gerade Verlorenem ab. Stefan fügt noch ein leises »Münchner Domsingknaben« hinzu und setzt sich wieder hin.

       Schleudergefahr

      »Du sollst nicht glauben, dass du besser, klüger, wichtiger, wissender, schöner, fähiger, talentierter, besonderer, ausgefallener bist.« Kurzum: Nimm dich bloß nicht so wichtig! Das ist das Janteloven. Seit Jahrhunderten zieht es sich wie ein roter Faden durch den Verhaltenskodex der skandinavischen Welt. Anpassen und nicht hervorstechen ist die Devise. Wer dem zuwiderhandelt, wird mit dem Ausschluss aus der Gemeinschaft bestraft. In einer Zeit, in der der Familien- und Gemeindeverband der größte Halt des Einzelnen war, war das nachvollziehbar. Auf diese Zeit geht auch der ursprüngliche Begriff des Janteloven zurück. Er stammt aus der Feder des dänisch-norwegischen Schriftstellers Aksel Sandemose, der 1933 in seinem Buch »En flyktning krysser sitt spor« (Ein Flüchtling kreuzt seine Spur) das Janteloven mit zehn Geboten skizziert. Aber auch heutzutage, trotz Big-Brother-Shows, Eurovision Song Contest und Superstars-Wettbewerben ist das Janteloven noch tief in den norwegischen Verhaltensmustern verankert. Das fängt an bei normaler Konversation und zieht sich durch Meetings und Besprechungen bis hin zu politischen Debatten. Von der Schule bis ins norwegische Parlament (Storting) ist das Janteloven allgegenwärtig.

      Stefan mag da eigentlich nur milde belächelt werden: »Ja, ja, die Ausländer. Von denen kennt man das ja nicht anders!« Wer aber dazugehören möchte, tut gut daran, nicht aus der Masse herausragen zu wollen. Es sei denn, es handelt sich um einen sportlichen Wettbewerb, da sind außergewöhnliche Leistungen ausdrücklich erwünscht, aber eben nur im sportlichen Zusammenhang. Überall sonst nimmt man sich einfach nicht so wichtig. Obwohl … Wenn Sie jemanden aus Sogndal am Sognefjord fragen, wird der Ihnen sicher erzählen, dass die Hauptstädter wohl nichts mehr vom Janteloven wissen und sowieso immer glauben, sie seien was Besseres.

      5

       HELT KONGE!1

       VOM UMGANG MIT OBRIGKEITEN

       Kilometer 290

      Endlich hat Stefan Derek eine brauchbare Spur, die erste seit seiner Ankunft in Norwegen. Er hat einen Professor der Kunstgeschichte in einer alten Jugendstilvilla im schicken Osloer Westen besucht. Über vier Stunden lang hat der alte Herr ihm vom großen Edvard Munch erzählt, seinen unterschiedlichen Schaffensperioden, seinem Leben in Norwegen und im Ausland. Munchs Gemälde, so hat Stefan erfahren, sind schon seit Langem heiß begehrt. Nicht nur bei Auktionen erzielen sie unglaubliche Summen, auch im kriminellen Milieu erfreuen sie sich ausgesprochener Beliebtheit. Der Professor erzählt Stefan noch einmal, wie das war, als 2004 am helllichten Tage zwei Gemälde aus dem Munch-Museum geraubt wurden. Eines davon war kurze Zeit später stark beschädigt wieder aufgetaucht.

      »Ich habe der Polizei schon damals gesagt, dass ich einen Auftragsdiebstahl für unwahrscheinlich halte, und es hat sich schließlich ja bewahrheitet«, sagt der Professor. »Ich denke, auch bei Ihrem verschwundenen Gemälde steckt ein anderer Grund dahinter. Es war ja vorher im Privatbesitz. Vielleicht sollten Sie im Umfeld des Besitzers suchen.«

      Diese Information gibt Stefan sogleich an seinen Chef in München weiter und überlässt diesem damit den nächsten Schritt. Bis sein Chef sich wieder mit Neuigkeiten meldet, hat Stefan genug Zeit, seinen Aufenthalt hier in Norwegen zu genießen. Seine freie Zeit will er dann auch gleich mit Henrik verbringen, dem er versprochen hat, ihm dabei zu helfen, das Segelboot im Winterlager wieder seetüchtig für die bald anstehende Saison zu machen. Als sie an der Marina nicht weit von der Insel


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