Fettnäpfchenführer Thailand. Daniel MullerЧитать онлайн книгу.
und seines großen Bruders – des Lachens – hingewiesen werden: Probieren Sie es aus! Nähere Auskünfte hierzu erteilen Ihnen gern die Bürger des Königreichs Thailand.
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HIMMEL OBEN, ERDE UNTEN
ODER CHEF SEIN IST NICHT LEICHT
Morgens halb acht in Bangkok. Martin ist ziemlich aufgeregt, schließlich ist der erste Eindruck, den man am neuen Arbeitsplatz hinterlässt, sehr wichtig. Im Meyerschen Apartment herrscht der normale morgendliche Aufruhr. Madame Sopapun hat der Familie diesmal khaot tom kung lae kai (Reissuppe mit Garnelen und Huhn) zum Frühstück vorgesetzt.
»Aber das kann man doch nicht früh morgens essen!«, protestiert Lisa.
»Das ist doch besser als euer ewiger Toast und gibt außerdem eine gute Basis für den Tag.« Die Haushälterin lässt keinen Widerspruch zu.
Auch Martin und Susanne sind nicht gerade begeistert, bemühen sich aber redlich, der ungewohnten Morgenmahlzeit etwas abzugewinnen, und bedeuten ihrer Tochter, dasselbe zu tun. Da klingelt Martins Mobiltelefon. Dankbar für den Vorwand schiebt Martin seine Suppenschüssel beiseite.
»Sawadee kha Mr. Martin, hier ist Pantisa, Ihre Assistentin. Ich hatte mich Ihnen schon per E-Mail vorgestellt.«
»Sawadee khrap Pantisa. Sabai die mai (Wie geht es Ihnen)?«
HÖFLICHKEITSFORMEN FÜR SIE UND IHN
Höflichkeit ist eine Zier. Oft reichen da ein paar Buchstaben, um eine Sache in einem deutlich angenehmeren Licht erscheinen zu lassen. Im Thailändischen gibt es hierfür zwei zentrale Silben, die eigentlich ein und dasselbe meinen, von denen eine jedoch von Frauen, die andere von Männern gebraucht wird: Eine Frau, die besonders freundlich sein möchte, hängt an einen Satz einfach ein kha an. Demgegenüber fügt ein höflicher Mann stets ein khrap an.
»Sabai die (Mir geht es gut). Schön, dass Sie schon so gut Thai können. Ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, dass wir ein Auto mit Fahrer für Sie organisiert haben. Er wird Sie dann nachher abholen, es ist ein schöner BMW.«
»Na ja, ich kann bislang eigentlich nur ein paar Phrasen auf Thai. Und ein Fahrer ist nicht nötig, ich habe mir schon ein Taxi bestellt.«
»Aber Mr. Martin, Sie sind doch der Boss! Da brauchen Sie schon ein vorzeigbares Gefährt!«
Mit dem Hinweis, dass er in Deutschland für gewöhnlich mit der U-Bahn zur Arbeit fährt, lehnt Martin dankend ab. Ich werde doch hier nicht damit anfangen, einen auf neureich zu machen!, denkt er.
Im Hintergrund hat sich Lisa eine Tüte Marshmallows aus dem Schrank gefischt und versenkt einige davon in hohem Bogen in ihrer Reissuppe.
»Aber hier in Thailand kann der Chef nicht mit dem Bus fahren, sonst denken doch alle, wir hätten kein Geld! Und wollen keine Geschäfte mit uns machen«, lässt seine neue Assistentin nicht locker. Nach einigem Hin und Her willigt Martin schließlich ein, sich im Premiumsegment in die Firma chauffieren zu lassen. Mein Gott sind die aber ehrpusselig, überlegt er sich während der Fahrt in der geräumigen Limousine und streckt entspannt seine Beine aus. Wobei, das ist tatsächlich gar nicht so übel. Daran könnte er sich durchaus gewöhnen.
Die Fahrt geht in Richtung Eastern Seaboard. Nachdem sie der städtischen Stress- und Stauzone entkommen sind und den Flughafen linker Hand hinter sich gelassen haben, lichtet sich die dichte Bebauung Stück für Stück und es tauchen erste Vorboten des malerischen thailändischen Dorflebens auf: stille Kanäle, umgeben von flachen Holzhäusern, die sich in harmonischer Eintracht mit der üppigen Natur üben. Alles wirkt wie ein riesiger botanischer Garten. Nur ab und zu wird das Bild durch die geometrischen Flächen der Betriebsansiedlungen unterbrochen. In ein solches Areal, das wie mit dem Lineal gezogen wirkt, biegen sie schließlich ein.
Das Großraumbüro ist in einem schmucklosen Bau untergebracht, vor dem ein uniformierter Wächter postiert ist. Der sieht aus, als wäre er geradewegs von einer Prinzengarde aus dem Rheinland abkommandiert worden. Im strahlenden Weiß steht er da, wobei vor allem seine opulenten Schulterpolster ins Auge stechen. Neben ordentlich Ordenslametta auf der Brust hat er sich eine fast zentimeterdicke Kordelschnur um den rechten Arm gewickelt. Als Kontrast zur nüchternen Umgebung kommt er nicht schlecht. Nur wofür braucht man hier überhaupt einen Wachmann im Fantasiekostüm?
EIN KÖNIGREICH FÜR EINE UNIFORM
Wachmänner (jaam) sind speziell in Thailands Städten ein allgegenwärtiger Anblick. Oftmals tragen sie eine kreativ gestaltete Uniform mit einem starken Einschlag ins Militärische. Diese halboffiziellen Outfits tragen dazu bei, dass die Grenzen zwischen staatlichen und privaten Ordnungskräften für den Außenstehenden nicht immer klar ersichtlich sind. Dabei muss aus ihrer Präsenz nicht notwendigerweise geschlossen werden, dass es tatsächlich irgendetwas gäbe, was es wert wäre, beschützt zu werden. Der überwiegende Teil von ihnen wird vielmehr nur deshalb angestellt, um nach außen hin einen demonstrativen Anschein von Wichtigkeit zu erzeugen. In jedem Fall sind die thailändischen Wachmänner wahre Champions in der Disziplin des gepflegten Zeittotschlagens.
Als Martin sich dem Gebäude nähert, hebt der Wachmann reflexartig die weiß behandschuhte Hand und salutiert, als wäre er Mitglied einer Ehrenkompanie, die ein Staatsoberhaupt willkommen heißt. Stockend bewegt sich Martin auf den Mann zu und will ihm als guter Vorgesetzter die Hand geben. Der blickt ihn verdutzt an und streckt, sehr zögerlich, ebenfalls die Hand aus. Nachdem man sich nun auf die westliche Art begrüßt hat, ist Martin mit seinem Latein am Ende und weiß nicht, wie er weiter vorgehen soll. Glücklicherweise kommt in diesem Moment Pantisa zur Tür hinaus und begrüßt ihren Chef:
»Hallo Khun Martin!« Pantisa eilt ihm entgegen und erlöst ihn. »Gut, dass Sie schon da sind, wir wollen jetzt gleich eine Besprechung abhalten.« Seine Assistentin führt ihn in sein Büro, das einen diskreten Siebziger-Jahre-Charme versprüht.
»Perfekt, dann trommeln Sie die Mannschaft zusammen und sorgen Sie bitte für kühle Erfrischungen für alle.«
Zaghaft treten seine Mitarbeiter nacheinander ein und werden von Pantisa im Einzelnen vorgestellt. Als Herr Tammawong an der Reihe ist, fällt Martin spontan ein, dass er ihn noch von Deutschland aus beauftragt hat, einen geeigneten Einzelteilproduzenten für die Produktion ausfindig zu machen und erste Gespräche zu führen. Aufs Geratewohl fragt Martin ihn, ob er denn schon Vollzug melden könne.
»Chai (Ja), Boss, eigentlich schon.«
»Was heißt denn eigentlich«, will Martin wissen. »Haben Sie den Auftrag erledigt oder nicht?«
»Ich habe da eine Reihe von Kandidaten im Blick, bin mir aber nicht sicher, welcher am besten zu uns passt.«
»Und warum haben Sie dann keine weitere Rücksprache mit mir gehalten?«
Unter größter innerer Anspannung ringt sich Herr Tammawong eine Art Entschuldigung ab und verweist darauf, dass er dachte, Martin würde sich selbst darum kümmern wollen.
»Also, Herr Tammawong, bei allem, was recht ist, ich erwarte von meinen Mitarbeitern schon ein Mindestmaß an Eigeninitiative. Sie können doch nicht einfach untätig bleiben, wenn Sie nicht weiter wissen.«
Na, das kann ja heiter werden, denkt Martin. Ich kann mich doch nicht um jedes Detail selbst kümmern.
»Was haben Sie dazu zu sagen?« Martin gibt sich unerbittlich.
Sichtlich getroffen blickt Herr Tammawong nach unten und bleibt stumm wie ein Fisch. Auch die anderen scheinen körperlich mitzuleiden und starren konzentriert auf den Boden, als suchten sie dort nach geheimen Botschaften, die irgendwie Licht auf die Sache werfen würden. Im Büro herrscht ein betretenes Schweigen wie nach einer misslungenen Theatervorführung.
Uh, das läuft aber gar nicht