Der kleine Fürst Staffel 14 – Adelsroman. Viola MaybachЧитать онлайн книгу.
sprechen.«
»Dann setz dich und sag mir, was du auf dem Herzen hast.«
»Ich will Ferdinand von Stade ein Interview geben«, sagte der kleine Fürst mit fester Stimme. »Ihr habt selbst gesagt, dass wir etwas tun müssen, damit Frau Roeder nicht allein bestimmt, worüber die Medien berichten. Und ich glaube, dass ich …, dass ich derjenige sein muss, der an die Öffentlichkeit geht.«
»Du bist fünfzehn Jahre alt, Chris«, erwiderte der Baron bedächtig. Er versuchte, Zeit zu gewinnen, denn die Vorstellung, dass dieser ernste Teenager, der vor nicht einmal einem Jahr seine Eltern verloren hatte, einem gewieften und erfahrenen Journalisten ausgeliefert werden sollte, gefiel ihm nicht. »Du weißt nicht, was in einem solchen Interview geschehen kann. Er wird mit allen Mitteln versuchen, dich zu Aussagen zu bewegen, die du hinterher vielleicht bereust.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete der Junge. »So einer ist er nicht. Er war doch hier und hat mit euch geredet. Ihr habt gesagt, er ist sympathisch, und er hat euch selbst den Rat gegeben, mit einem Interview noch zu warten, damit es nicht so aussieht, als machtet ihr Frau Roeder alles nach. Und er hat gesagt, wenn jemand aus der Familie ein Interview gibt, dann müsste ich das sein. Ich glaube, dass er fair ist.« Nach einer Weile setzte er hinzu: »Außerdem hat sich Franzi in ihn verliebt, das spricht auch für ihn.«
In der Tat hatte sich Franziska von Severn, eine gute Freundin der Familie, in den jungen Journalisten verliebt, was zunächst für Missverständnisse gesorgt und beinahe das Ende der Freundschaft bedeutet hätte.
»Alles, was du sagst, stimmt. Trotzdem kennen wir Ferdinand von Stade nicht. Er war uns sympathisch, aber er ist Journalist, und er hat bis jetzt Partei für Frau Roeder ergriffen.«
»Das verstehe ich sogar«, sagte der kleine Fürst zum nicht geringen Erstaunen des Barons. »Sie ist geschickt, und ihre Geschichte klingt einleuchtend. Nur stimmt sie trotzdem nicht.«
»Er glaubt sie aber, Chris, und er wird sich von dir nicht vom Gegenteil überzeugen lassen. Du bist befangen, Leo war dein Vater. Klar, dass du nicht glaubst, dass dein Vater deine Mutter betrogen und mit einer anderen Frau ein Kind gezeugt hat.«
»Niemand, der Papa kannte, glaubt die Geschichte«, erklärte Christian heftig. »Niemand! Ist das denn völlig bedeutungslos?«
»Nicht bedeutungslos«, sagte der Baron nach einer Weile mit sanfter Stimme, »aber, um Kriminalrat Overbeck zu zitieren, es ist leider kein Beweis.«
»Das ist mir egal, Onkel Fritz. Ich will dieses Interview machen, sobald ich von der Klassenfahrt zurück bin. Kannst du Ferdinand von Stade anrufen und ihm das sagen? Ich hätte es beinahe selbst gemacht, aber ich wollte, dass ihr Bescheid wisst, Tante Sofia und du.«
Die Baronin kam herein. »Ach, hier bist du, Chris …« Sie sah die ernsten Gesichter ihres Mannes und ihres Neffen und fragte beunruhigt: »Ist etwas passiert?«
»Chris will Herrn von Stade ein Interview geben«, antwortete der Baron.
Sofia sah von einem zum anderen. »Das ist gefährlich, Chris – so gut ich deine Beweggründe auch verstehe.«
»Ich will es trotzdem, Tante Sofia. Onkel Fritz hat mich schon gewarnt, aber ich …, ich spüre, dass ich es tun muss. Ich muss es für Papa tun, und bitte, versucht nicht, mich davon abzubringen.«
Ein flehender Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen. Sofia und Friedrich wechselten einen raschen Blick, danach sagte der Baron seufzend: »Wenn du es unbedingt willst, Chris, werde ich Herrn von Stade anrufen und von deinem Wunsch in Kenntnis setzen. Aber vorher werde ich unsere Anwälte informieren. Sollten sie ganz und gar dagegen sein …«
»Das glaube ich nicht«, sagte Christian schnell. »Sie haben doch neulich schon Andeutungen gemacht, dass es gut wäre, wenn wir die Initiative ergreifen würden.«
Das war freilich richtig, und so ließen sie den Jungen gehen. »Und wenn das eine Katastrophe wird, Fritz?«, fragte die Baronin.
»Christian ist klug, es wird keine Katastrophe werden«, erklärte der Baron mit mehr Zuversicht, als er empfand. »Ich rufe jetzt die Anwälte an.«
Sofia nickte und ging still und nachdenklich hinaus.
*
»Prinz Christian?«, fragte Dr. Barbara von Kreyenfelss entgeistert. »Wessen Idee war das denn?«
»Seine eigene«, erklärte ihr älterer Kollege Dr. Hagen von Boldt, der soeben mit Baron Friedrich telefoniert hatte. »Und wenn du mich fragst, ist die Idee sogar ziemlich gut. Alle Welt liebt den kleinen Fürsten, die Leute haben Mitleid mit ihm, weil er so früh und auf so furchtbare Weise seine Eltern verloren hat. Es kann uns nur nützen, wenn er für alle deutlich zum Ausdruck bringt, wie schrecklich die jetzige Situation für ihn ist.«
»Du klingst zynisch und abgebrüht, wenn du so redest«, sagte Barbara missbilligend.
Hagen hatte sie vor nicht allzu langer Zeit zu sich in die Anwaltskanzlei geholt, weil er anfing, sich mit seinen sechzig Jahren alt und verbraucht zu fühlen. Seine Rechnung war aufgegangen: Barbara war wie ein frischer Wirbelwind durch die ehrwürdigen Räume gefegt und hatte ohne große Ehrfurcht begonnen, alte Zöpfe anzuschneiden. Sie sah gut aus, war fachlich überaus beschlagen, und er kam bestens mit ihr aus. Von ihr ließ er sich sogar Kritik gefallen.
»Ich weiß, wie es klingt, aber die Wahrheit ist es trotzdem, ich kann es nicht ändern«, erwiderte er. »Was ich zum Ausdruck bringen will, ist ja auch nur, dass wir die Sympathie, die dem Jungen allgemein entgegengebracht wird, vielleicht für uns nutzen können. Die Stimmung wendet sich seit Tagen gegen unsere Mandanten, Barbara, das ist nicht in unserem Sinne.«
Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Glaubst du eigentlich, der Fürst hatte die Affäre?«, fragte sie.
»Ich will darüber nicht mehr diskutieren, wir drehen uns dann nämlich nur im Kreis«, entgegnete er ärgerlich. »Was ich glaube oder nicht, spielt überhaupt keine Rolle. Die Sternberger sind unsere Mandanten, sie sagen, er hatte keine Affäre, also ist das erst einmal unser Ausgangspunkt – bis wir einen Beweis haben, der für oder gegen ihre Behauptung spricht.«
»Und wenn wir Beweise finden, dass er die Affäre hatte?« So leicht ließ Barbara nicht locker, wenn sie sich erst einmal auf ein Thema gestürzt hatte.
»Dann werden wir sehen, was wir tun«, erwiderte er, schon wieder vollkommen ruhig. »Im Zweifel wird es dann nicht unsere Entscheidung sein, Barbara.«
Sie seufzte. »Ja, da hast du wohl Recht, leider. Einmal im Leben möchte ich diejenige sein, die bestimmt, was getan wird. Davon träume ich.«
Er sah sie überrascht an. »Das verstehe ich nicht. Du bestimmst doch ständig, was getan wird.«
»Du weißt genau, was ich meine. Unsere Mandanten geben immer die Richtung vor.«
»Dann musst du Mandantin werden«, entgegnete Hagen trocken und entlockte ihr damit endlich ein befreites Lachen.
»Schon gut, Hagen, es ist nur so, dass mir dieses spezielle Mandat allmählich ein bisschen …«
»… auf die Nerven geht?«
»Ja, und das ist noch vorsichtig ausgedrückt. Wir stochern im Nebel, das ist es, was mich so nervt. Wenn ich jemanden vor Gericht verteidigen soll, dann kann ich nach Beweisen für seine Unschuld suchen, aber in diesem Fall? Wir suchen und suchen, aber wir finden nichts.«
Erneut wies er sie zurecht. »Das stimmt so nicht, Barbara! Cosima hat herausgefunden, dass Frau Roeder Kontakt zu einem Mann hat, der …«
Barbara unterbrach ihn ungeduldig. »Der was? Ein Fälscher ist? Dafür gibt es keinen Beweis. Er KÖNNTE einer sein, aber sicher ist das noch lange nicht.«
»Sie verbirgt jedenfalls ihre Besuche bei ihm, und das bedeutet, sie hat etwas zu verheimlichen – oder etwa nicht?«, fragte er. »Du musst unsere Situation jetzt auch nicht schwärzer malen, als sie ist.«
Sie wollte widersprechen, er sah es ihr