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Slumlords. Alexander BroicherЧитать онлайн книгу.

Slumlords - Alexander Broicher


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für die Übergabe.

      Der Abend fing geschäftlich überschaubar an, bis ein Typ reinkam, der mir nicht gefiel. Er sah aus wie ein kräftiger Zivilbulle oder ein Dealer, der sich hier breit machen wollte. Beides konnte ich nicht gebrauchen. Er trug einen Mittelklasse-Anzug und begrüßte den Barmann höflich. Dann sah er kurz zu mir rüber. Er hatte eiskalte Augen und ein Rattengesicht. Er setzte sich in eine Ecke, aus der er alles beobachten konnte und benahm sich unauffällig. Und genau das machte mich noch misstrauischer. Ich trank die nächste Stunde nur noch Mineralwasser, um klar zu bleiben und ihn nicht aus den Augen zu lassen.

      Ein Stammkunde von mir kam und es war zu gefährlich, den Deal direkt vorne am Tresen durchzuziehen. »Steck das Geld dezent in deine Manteltasche«, flüsterte ich ihm zu. »Ich bringe den Mantel nach hinten zur Garderobe und packe dir dort ein Gramm rein.«

      »Was ist los?«, fragte er nervös. »Sind irgendwelche Cops hier?«

      Ein solches Gerücht wäre geschäftsschädigend, deshalb beendete ich das Thema schnell. »Nein. Ich teste nur eine neue Methode aus.«

      Er wühlte in seiner Hose und sah mich skeptisch an. Ich lächelte ihm beruhigend zu. »Bestell dir einen Drink und wenn du nachher gehen willst, kriegst du deinen Mantel von mir persönlich wieder.«

      »Bist du irre?«, fragte mich mein Kunde. »Ich will nur schnell zum Klo und dann bin ich weg.«

      Er hatte es eilig, also musste ich ihm wohl oder übel doch vor allen Leuten das Briefchen zustecken. Ich rückte nah an ihn heran und schob es ihm auf Höhe seines Bauchnabels diskret in die Hand. Seine Finger umschlangen es und steckten mir dafür zusammengefaltete 70 Euro zu. Dann flitzte der gierige Kokser zu den Toiletten.

      Der verdächtige Typ saß bis fast 22 Uhr stumm in seiner Ecke, glotzte und trank nur Bier. Dann haute er endlich ab. Ich hatte mir sein Gesicht eingeprägt, falls er wieder auftauchen sollte. Ich war mir sicher, dass er den Laden abcheckte. Als Cop, um mich wegen Drogenhandels hochzunehmen oder als Dealer, weil er hier ein eigenes Business mit Kokain aufziehen wollte. Aber nicht mit mir. Ich hatte es endlich aus dem sozialen Brennpunkt herausgeschafft, war diesem zubetonierten Kriegsgebiet entkommen, während viele Schulfreunde da hängengeblieben waren: Als Leergut sammelnde Langzeitarbeitslose und Hartz-4-Empfänger, die Schnaps vom Discounter tranken und mit Alkoholikerinnen verheiratet waren. Und von niemandem auf der Welt würde ich mir meine Kundschaft und meinen Lifestyle wegnehmen lassen, den ich mir mühsam über Jahre aufgebaut hatte. Wenn das Arschloch meinte, er könnte meine Umsätze hier auch nur um ein Gramm reduzieren, würde ich ihm mit einer Baseballkeule beide Knie zerschlagen. Das musste ich tun. Bevor er mir meine Knie zerschlug.

      3

      »Razzia bei vier großen Banken«, sagte der Nachrichtensprecher im Autoradio. Ich drehte sofort lauter. »Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen Steuerhinterziehung und Geldwäsche gegen fünfundvierzig Mitarbeiter der Banken«, präzisierte die neutrale Stimme. Gegen zwölf Angestellte waren Haftbefehle erlassen worden. Ich überlegte kurz, ob ich da Kunden hatte, aber das war nicht der Fall. Allerdings waren es exakt meine Delikte: Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Ein Teil meiner Umsätze aus dem Drogenhandel wurde durch die Cocktailbar legal und zu offiziellen Einkünften, aber natürlich schaffte ich die meiste Kohle schwarz zur Seite. Als Sonderzulage, denn in meinem Beruf war das Risiko hoch: Übel genug, wenn die Drogenfahndung einen Dealer an den Arsch kriegte, aber nach der Untersuchungshaft wurde man vom Finanzamt verhört. Die schätzten deine Umsätze. Und hauten uncoole Säumniszuschläge oben drauf. Daher benutzte ich meine Kreditkarte nur selten, deren Abrechnungen von der Steuerfahndung gegen mich verwendet werden konnten. Dazu gab es wenige Dinge im Leben, die mehr sexy waren als Cash Money. Ich wollte etwas von meinem Geld unter die Leute bringen und schlenderte mittags durch die Altstadt, als ich Harro mit seiner Frau und den beiden Kindern über den Weg lief. Sie standen vor einem Kücheneinrichtungs-Studio und ich wusste nicht genau, ob ich stehenbleiben und ihn begrüßen oder besser weitergehen sollte. Aber Harro streckte mir seine Hand entgegen. Seine Frau drehte sich zu mir um. Harro stellte mich ihr bestimmt zum dritten Mal in den letzten Jahren vor.

      »Das ist Ron, ein Geschäftsfreund.«

      »Guten Tag, Frau Strahlenberg«, sagte ich zu der adeligen Schönheit. Sie wirkte irritiert, versuchte mich einzuordnen, aber es gelang dieser hochnäsigen Schlampe nicht.

      »Hallo«, sagte sie knapp mit einem eingefrorenen Lächeln. Dann drehte sie sich wieder zum Schaufenster um und begutachtete einen Designer-Herd.

      »Und? Alles cool?«, fragte ich Harro.

      Er presste die Lippen zusammen. »Wie man es nimmt. Eine britische Bank, mit der wir eng zusammenarbeiten, muss in den USA etwa anderthalb Milliarden Dollar Strafe zahlen. Weil sie Drogengeld aus Mexiko gewaschen hat.«

      »Was für eine verkommene Welt«, bemerkte ich sarkastisch.

      »Allerdings«, antwortete Harro. »Diese Drecks-Amerikaner hängen demonstrativ die europäischen Banker auf, aber ihre eigenen Schwerkriminellen lassen sie in Ruhe.«

      Er war angefressen und seine Luxus-Blondine bezog es wohl auf mich. Eine Oberschichten-Lady wie Luisa Strahlenberg hatte von Natur aus nur herablassende Blicke für jemanden wie mich übrig. Ich stammte aus einfachen Verhältnissen, und das sah sie mir an.

      Angefangen hatte meine Karriere vor sieben Jahren auf den Klos einer Absturzkneipe. Hakan bot mir den Job an, weil ich arbeitslos war. Ich verbrachte jede Nacht stundenlang in einem Gestank aus Urin und Sanitärreiniger und stand vor den zwei engen Kabinen der Herrentoilette, die damals meine Geschäftsräume waren. Dort vertickte ich für 40 Euro übel gestrecktes Zeugs, das säuerlich schmeckte, wenn man es aufs Zahnfleisch rieb. Offiziell war es Kokain, konnte aber auch als Desinfektionsmittel oder zum Holz konservieren geeignet sein. So genau wollte ich es nicht wissen, aber sicherheitshalber ließ ich beim Eigenbedarf die Finger davon. Trotz der beschissenen Qualität gab es genügend Drop-Outs, die sich den Schrott permanent reinzogen: Leute vom Bau, Angestellte aus dem Einzelhandel, Autoschlosser, Versicherungsvertreter, Touristen, Kellner, Nutten und sogar zwei Arzthelfer kamen zu mir. Anfangs führte ich noch eine ganze Menge Gespräche mit der Kundschaft, interessierte mich für sie, woher sie kamen und was sie so machten, aber das gewöhnte ich mir bald ab. Weil ich nach einer Weile begriff, dass ich hier nicht als Sozialarbeiter tätig war, sondern als Unternehmer. Ich musste auch nicht von jedem den Nerv beim Job oder die Eheprobleme kennen. Seitdem reduzierte ich die Kommunikation mit dem gestressten Endverbraucher aufs Wesentliche: Die Bestellung und die Bezahlung. Es war bis heute mein Geschäftsprinzip.

      Das Mainufer wirkte im Sonnenschein fast mediterran. Viele Leute flanierten gelassen am Wasser entlang, einzig mein alter Kumpel Hakan hatte etwas von der fiebrigen Nervosität einer Bankenstadt. Nur dass er nicht wie ein erfolgreicher Mann aussah, sondern wie ein Junkie. Er stand in einer abgerissenen grünen Army-Jacke rum, trug speckige Jeans, fettige schwarze Haare und schwitzte. Seine Haut war bleich und er war abgemagert. Hakan sah aus wie eine Leiche. Mir stockte der Atem bei dem Anblick.

      »Alter, was ist denn mit dir los?«, erkundigte ich mich besorgt.

      »Mir geht es gut«, zischte er genervt.

      Ich glaubte ihm kein Wort. Zudem guckte sich Hakan unruhig um. »Lass uns mal weitergehen«, befahl er mir fast.

      Wir latschten los, aber immer ein paar Meter neben den anderen Passanten. Hakans Hände zitterten, als er eine filterlose Kippe aus seiner knittrigen Schachtel zerrte. Sicherheitshalber holte ich mein Feuerzeug heraus und ließ den Deckel vor seinem angestrengten Gesicht aufschnappen. Er sog mit der Zigarette an der Flamme und inhalierte den Tabak gierig. »Ich brauche ein paar Dollar«, sagte er, während der Rauch aus seinem Mund drang. »5000.«

      Wir starrten uns in die Augen. Ich hatte sogar ein bisschen mehr als das versteckt in einem Keller rumliegen, aber auch ziemlich viel dafür geackert. Alte Freundschaft hin oder her, ich wollte es nicht auf einmal verbrennen. Denn ich würde das Geld nie mehr wiedersehen.

      »Ich spare für die Eigentumswohnung meiner Eltern«, antwortete ich. Es war die Wahrheit.

      »Nur


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