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Die Faxen Dicke. Reiner HänschЧитать онлайн книгу.

Die Faxen Dicke - Reiner Hänsch


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die allein schon fast einen der riesigen Schrankkoffer füllt, und sucht das geeignete Gegengift für diesen verdammten Urlaubsversauer.

      „Mist, ich hab doch an alles gedacht, aber den hab ich doch glatt vergessen. Der dämliche Prospan-Saft steht bestimmt noch auf der Kommode im Bad. Wenn man nicht an alles denkt!“

      Steffi müsste jetzt eigentlich noch sagen: „Und du denkst sowieso an nichts“, aber das sagt sie dann nicht.

      Sie blickt aus dem Fenster und sieht die Sonne. Und da wird sie still und verwandelt sich augenblicklich in ein staunendes, hübsches, kleines Mädchen. Ach, ich liebe sie doch sehr. Sie sieht die Sonne, nach der wir uns schon so lange gesehnt haben, die den finsteren, alles verschlingenden Dschungel vor dem Fenster in einen prachtvollen, tropischen Garten verwandelt hat.

      „Ja, schön, nä“, sage ich, während ich sie so beobachte und lächle zufrieden und ziemlich blödsinnig dahin.

      „Ja, schöön.“

      Max bellt wieder und wacht auf.

      „Cool“, sagt er statt „Guten Morgen“, als er aus dem Fenster blickt und bellt gleich noch mal. Wir verziehen die Gesichter und zucken bei jedem Huster rhythmisch zusammen.

      Max bekommt erst mal irgendeinen Saft und eine Pille, und dann sieht sich die Familie Nipsi erstmalig in ihrem neuen Asyl um, das sie ja gestern Nacht überhaupt nicht wahrgenommen hat. Und man muss schon voller Anerkennung sagen: Es sieht absolut erbärmlich aus. Klein, eng, windschief mit enormem Renovierungsstau, einem rostigen, gefährlich eiernden und ächzenden Ventilator unter der Decke und vielen, vielen Ritzen in den dünnen Bretter- und Bambuswänden, durch die man sogar ein wenig von der gewaltigen Dschungelpracht sehen kann.

      Ein Gecko klebt unter der Decke und schüttelt seinen Kopf. Nein, ich glaube, es sieht nur so aus. In Wirklichkeit bewegt er sich überhaupt nicht und wartet auf Fliegen. Auf uns hat er sicher nicht gewartet.

      „Sah im Prospekt auch ganz anders aus“, sagt Steffi wieder und ihre Enttäuschung ist unüberhörbar. Sie hat aber durchaus recht. So haben wir es uns nicht unbedingt vorgestellt, das „Paradise Rock Resort“ aus dem Katalog „Traumziele der Erde“ auf der Trauminsel Ko Samui. So nicht.

      O-Kli, o-Minib, o-TV … kein „Comfort“, kein „Senator“, kein „Deluxe“ und kein „Suite“. Bloß ein „Superior“, nach dem wir aber später noch suchen wollen.

      „Wie viele Sterne hat denn der Schuppen?“, frage ich meine liebe Frau, weil ich’s einfach nur mal so wissen will.

      „Keine Sterne“, antwortet sie bedrückt.

      „Wie, gar keine Sterne?“

      Das kann doch nicht sein. Selbst die allerübelste Absteige hat in den Katalogen immerhin noch fünf bis sechs Sterne, allerdings in der Landeskategorie, wie es immer so schön heißt, damit auch hinterher keiner den schwarzen Peter bekommt, wenn jemand vergeblich die Sterne gesucht hat.

      „Drei Töffte-Sonnen“, sagt Steffi ganz traurig, als fühle sie sich allein verantwortlich für dieses Fiasko.

      „Drei Töffte-Sonnen, Donnerwetter! Das hört sich doch gut an“, versprühe ich gut gelaunt etwas Optimismus, der aber leider sofort versickert.

      Aus dem Wasserhahn tropft eine braune Brühe, die kaum eine Viertelstunde braucht, um wenigstens so klar zu werden, dass man sich trauen kann, einen Finger oder – für ganz Waghalsige – sogar die ganze Hand drunterzuhalten. Rüdiger Nehberg, der große Survival-Guru, hätte sich sicher auch noch das Gesicht da-mit gewaschen, die Zähne geputzt und hinterher noch einen köstlichen Tee damit aufgesetzt. Wir tun es erst mal nicht. Wir sind noch nicht so weit.

      Ich werde gleich mal an der Lobby so richtig Wind machen. Nicht mit uns, Leute! So nicht. Da muss ein anderer Bungalow her. Wir wollen einen SupZiDuTeKliMe. Mindestens. Wenn nicht gar „Senator“ oder „Deluxe“ mit Minibar, TVSat, mit ALLEM!

      „NICHT auf die Zahnbürste!“, bremst Steffi im letzten Moment unseren kränklichen, schwächelnden Max aus, der sich ganz artig die Zähne putzen will.

      „Nicht auf die Zahnbürste! Hier ist extra Mineralwasser dafür“, ruft sie und reicht ihm eine der Plastikflaschen, die wohl freundlicherweise eigens für diesen Zweck bereitstehen.

      „Mmh.“ Missmutig und achselzuckend lässt Max es über seine Zahnbürste laufen und putzt nachlässig und ohne Kraft und rechten Eifer seine Zähne.

      „Fröhliche Weihnachten!“, rufe ich effektvoll meinen Leuten zu, als sie gemeinsam aus dem Bad kommen, und weise geheimnisvoll mit den Armen rudernd und etwas albern winkend auf die Päckchen, die ich in Windeseile auf dem Bett ausgebreitet und einigermaßen weihnachtlich zu drapieren versucht habe.

      „Bescheeerung!“

      „Ach du Scheiße“, sagt Steffi. Das finde ich jetzt nicht sehr weihnachtlich und ich sehe sie dafür auch einigermaßen vorwurfsvoll an.

      „Weihnachten. Hab ich total vergessen.“

      „Geil“, sagt Max, der Weihnachten zwar auch vergessen hat, aber das wichtigste Geschenk schon längst an seiner Form ausgemacht und brutal aufgerissen hat.

      „Geil, ein Advance SP!“

      Damit meint er die neueste Version eines Game Boys, von der er schon lange sehr dringend schwärmt. Die anderen winzigen Päckchen enthalten vier dazu passende Editionen, wie man die Software dafür nennt, und er ist glücklich. Volltreffer.

      „Und das ist für dich“, säusele ich und halte Steffi ein kleines, ehemals im fernen Leckede-Hintersten liebevoll eingepacktes, aber nach fast zehntausend Kilometern Transport hoffnungslos zerknittertes Päckchen hin.

      „Ich hab nix für dich!“, empört sie sich, „ich will nix“, und weist mein Päckchen entschlossen zurück.

      „Ach, Steffi, ist doch nur ’ne Kleinigkeit, mach doch kein Geschiss draus“, spiele ich die ganze Sache runter, obwohl ich es doch ein klein wenig genieße, diesmal ein Geschenk für sie zu haben, wo sie offenbar keins für mich hat, denn meistens ist es andersherum. Ich drücke ihr das Päckchen gönnerhaft in die Hand. Sie nimmt es peinlich lächelnd an und öffnet es ganz vorsichtig und umsichtig.

      „Ooooch, schööön, Oooohrringe!“

      „Ja, schön, nä.“

      Sie gefallen ihr also. Na bitte. So einfach ist das. Kurz nachgedacht und – schwupp – das richtige Geschenk ausgewählt.

      „Aber ich hab doch gar keine Löcher“, meint sie dann ganz schüchtern und auch ehrlich bedauernd, dass sie mir jetzt doch noch das tolle Geschenk vermasseln muss.

      „KEINE LÖCHER?“

      Ich kann es gar nicht glauben und sehe sofort erst mal nach. Stimmt. Sie hat keine Löcher in den Ohrläppchen. Ja, hat denn nicht jede Frau Löcher in den Ohren? Mmh, meine jedenfalls nicht, und ich kann mich jetzt auch sehr dunkel erinnern, dass sie mir mal erzählt hat, dass es zu Entzündungen gekommen sei und dass sie dann die Sache mit den Löchern lieber gelassen hat. Es gäbe ja schließlich auch hübsche Clips.

      „Naja … aber sie gefallen dir, ja?“

      „Ja, seeehr schööön“, sagt sie höflich, und dann ist das Thema Geschenke und Weihnachten erst mal durch. Ist mir auch ganz lieb so. Tja, Clips. Naja.

      „Zehn vor zehn“, stoße ich dann erschrocken mit Blick auf meine Uhr hervor und wühle schon panisch in meinen Taschen auf der Suche nach den Bläckfäss-Kuhponns.

      „Wo hab ich die verdammten Zettel nur hingesteckt?“

      Unser Leben scheint nur noch von Zetteln bestimmt zu sein.

      Und wir brauchen sie ja unbedingt, um heute, am ersten Morgen im Paradies, nicht zu verhungern. Das hatte man uns ja noch eingeschärft. Da, ich habe sie. Ganz unten in den tiefsten, bisher unerforschten Tiefen der Tausend-Taschen-Hose.

      So nenne


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