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Die Zukunft erfinden. Nick SrnicekЧитать онлайн книгу.

Die Zukunft erfinden - Nick  Srnicek


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Allerding räumen selbst Verfechter eines solchen Lebensstils gewisse Schwierigkeiten ein: »Die wenigsten von uns haben genügend Zeit, Geld, Energie oder Disziplin, um sich zum Idealbild eines Slow-Food-Essers zu entwickeln.«123

      Ohne in Rechnung zu stellen, wie gesellschaftliche, politische und ökonomische Zwänge unseren Alltag prägen und den Griff zum Fertiggericht eher nahelegen als einen entschleunigten Lebensstil, bleibt Slow Food letztendlich eine Spielart ethischen Konsums mit einem Schuss Hedonismus. Dabei steht außer Frage, dass eine gut zubereitete Mahlzeit ein Vergnügen sein kann. Das aufmerksame Genießen verwandelt eine bloße Notwendigkeit in eine soziale und ästhetische Erfahrung. Es gibt indes strukturelle Gründe, warum wir solches nicht öfter tun – Gründe, die nicht einem individuellen moralischen Unvermögen geschuldet sind. So verhindert in vielen Fällen der Arbeitsalltag, dass Mahlzeiten den Vorstellungen der Slow-Food-Bewegung entsprechend zubereitet und langsam genossen werden können. Nicht immer setzt Slow Food Geld voraus, doch Zeit ist in jedem Fall erforderlich. Gerade für Menschen, die mehrere Jobs haben, um mit ihren Familien über die Runden zu kommen, ist Zeit kostbar. Problematisch ist Slow Food überdies im Hinblick auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung vor dem Hintergrund patriarchaler gesellschaftlicher Strukturen, in denen der größte Teil der mit der Zubereitung von Mahlzeiten verbundenen Tätigkeiten immer noch als typische Frauenarbeit angesehen wird.124 Fast Food oder Fertiggerichte sind vielleicht weniger »gesund«, doch ihre Popularität verweist darauf, dass Frauen sich von einem Teil der täglichen Mühsal befreien können, die mit der Familienernährung verbunden ist.125 Die auf den ersten Blick recht unschuldig erscheinende Slow-Food-Bewegung scheitert so, wie viele andere Varianten eines ethischen Konsums auch, wenn es darum geht, die Perspektive zu erweitern und die eigenen Vorstellungen im umfassenderen sozialen Kontext des Raubtierkapitalismus zu sehen.

      Den Vorstellungen der Slow-Food-Bewegung nahe stehen Locavorismus und die sogenannte »100-Meilen-Diät«, zwei Ansätze, die beide die Verwendung regionaler Lebensmittel propagieren. Der Locavorismus geht davon aus, dass eine Ernährung mit Produkten aus der Region nicht nur wahrscheinlich gesünder, sondern auch unverzichtbar ist, um Kohlenstoffemissionen und andere negative Auswirkungen auf die Umwelt zu reduzieren. Der Rückgriff auf regionale Lebensmittel wird dementsprechend als eine Antwort auf globale Probleme verstanden und darüber hinaus als eine Möglichkeit, die Entfremdung von Lebensmitteln im Kapitalismus zu überwinden. Wenn wir uns mit Produkten ernähren, die aus der Region stammen und dort auch verarbeitet wurden, so die Logik, sind wir imstande, wieder eine Beziehung zu diesen Nahrungsmitteln herzustellen und sie dem toten Walten eines Amok laufenden Kapitalismus zu entreißen.126

      Verglichen mit der Slow-Food-Bewegung positioniert sich der Locavorismus somit eindeutiger, und auch politisch, gegen die Globalisierung. Er rekurriert dabei auf eine Reihe folkpolitischer Vorstellungen: vor allem auf die Überlegenheit des Lokalen als Ort und Einsatz des politischen Handelns, ferner auf den Vorrang des Lokalen gegenüber dem Globalen, des Unmittelbaren gegenüber dem Vermittelten oder auch des Einfachen gegenüber dem Komplexen.

      Derartige Vorstellungen verkürzen häufig komplizierte Umweltzusammenhänge auf Fragen einer individuellen Ethik. Eine der ernsten (und in Wirklichkeit gesellschaftlichen) Krisen unserer Zeit wird so privatisiert. Diese privatisierte Umweltethik findet dann im Lebensmittel-Loka­lismus ihr politisches Betätigungsfeld, insbesondere in der moralischen Aufwertung von Produkten aus der Region – was auch deren höhere Preise rechtfertigt. Ökologisch motivierte Argumente (beispielsweise der Hinweis auf einen niedrigeren Energieaufwand, wenn Lebensmittel nur kurze Strecken transportiert werden) verbinden sich hier mit Klassenfragen (verstärkt durch ein Marketing, das die Identifikation mit organischen Lebensmitteln fördert). Darüber hinaus werden komplizierte Zusammenhänge in dürftigen Schlagworten verdichtet. So erscheint etwa ein Konzept wie »Food Miles« erst einmal vernünftig, wenn damit in der Absicht, den Ausstoß von Kohlendioxid zu reduzieren, auf die Entfernung hingewiesen wird, die Nahrungsmittel zurücklegen. Problematisch wird es, wenn ethisches Handeln sich, wie es oft geschieht, ausschließlich an einem solchen Index orientiert. Denn wie eine Untersuchung des britischen Landwirtschaftsministeriums aus dem Jahr 2005 feststellt, hat der Transport von Lebensmitteln zwar erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, doch eine isolierte Kennziffer wie Food Miles ist ungeeignet, um Aussagen über Nachhaltigkeit zu treffen.127 Zudem hebt die Konzentration auf den Transportweg in der Nahrungsmittelproduktion einen Aspekt hervor, der bezogen auf die Kohlenstoffemission insgesamt von nur untergeordneter Bedeutung ist. Wenn indes »Small is beautiful« die Perspektive bestimmt, gerät allzu leicht aus dem Blick, dass der notwendige Energieaufwand, um Nahrungsmittel lokal oder regional zu produzieren, den der Produktion unter günstigeren klimatischen Bedingungen samt Transport leicht übersteigen kann.128 Selbst um den reinen Transportanteil am Energieaufwand zu beziffern, sind Food Miles ein schlechter Parameter. Nur ein relativ geringer Prozentsatz der Food Miles entfällt beispielsweise auf Lebensmittel, die per Luftfracht transportiert werden, doch ist deren Anteil an den CO2-Emissionen der Nahrungsmittelbranche insgesamt disproportional hoch.129 Zweifellos ist es wichtig zu bedenken, wie viel Energie aufgewendet werden muss, damit das Essen auf unseren Tisch kommt, doch lässt sich dies nicht durch die simple Berechnung von Transportwegen oder in Slogans wie »Bestes aus Ihrer Region« fassen. Tatsächlich ist es mitunter weitaus ineffizienter und aufwändiger, lokal und regional Nahrungsmittel zu produzieren, als es das an anderen Orten des Globus wäre. Wichtiger in diesem Zusammenhang aber sind Fragen wie die nach den Prioritäten, die wir bei der Nahrungsmittelproduktion setzen, nach der Kontrolle über diese Produktion, danach, wer diese Nahrungsmittel genießen kann – und zu welchen Kosten.

      Lokalistische Nahrungspolitik reduziert die Komplexität der Verhältnisse auf eine einfache binäre Logik: global/schlecht gegen lokal/gut. Doch bedarf es eines weniger simplifizierenden Blicks auf komplexe Probleme. Notwendig ist eine Betrachtungsweise, die die weltweite Nahrungsmittelproduktion in ihrer Gesamtheit in den Blick nimmt, statt nur auf intuitive Schlagworte wie Food Miles zu setzen oder »organische« und »nicht-organi­schen« Lebensmittel einander gegenüberzustellen. Vermutlich wäre die weltweite Nahrungsmittelproduktion idealerweise ein Zusammenwirken lokaler Initiativen, industrieller Landwirtschaft und globaler Distributionsstrukturen. Und ebenso steht zu vermuten, dass es außerhalb der Möglichkeiten einer oder eines Einzelnen liegt herauszufinden, wie sich Nahrungsmittel am besten produzieren und verteilen lassen, denn dazu bedarf es eines erheblichen Fachwissens, kollektiver Anstrengung und globaler Vernetzung. Nichts dazu trifft auf eine Kultur zu, die einfach nur das Lokale hochhält.

       Lokale Ökonomie

      In allen seinen Formen steht der Lokalismus für den Versuch, die Probleme und die enorme Komplexität loszuwerden, die Merkmal einer globalisierten Ökonomie, Politik oder Umwelt sind. Unsere Probleme sind zunehmend systemisch und global, und sie bedürfen gleichermaßen systemischer Antworten. Natürlich zeigt sich politisches Handeln in gewisser Weise immer auf lokaler Ebene, und entsprechend gibt es nützliche lokalistische Ansätze, etwa die Debatte um Resilienz. Doch als Ideologie geht Lokalismus viel weiter und verwirft systemische Überlegungen insgesamt, obgleich sie in der Lage wären, das vereinzelte lokale Handeln zu koordinieren und zusammenzuführen, um drohende Gefahren für den Planeten abzuwenden oder den oppressiven globalen Machtverhältnissen entgegenzutreten und diese möglicherweise zu verändern.

      Nirgendwo ist die Unfähigkeit lokalistischer Antworten auf komplexe globale Probleme offensichtlicher als in den Kampagnen für eine lokale Wirtschaft, für lokale Banken und Unternehmen. Nach der Finanzkrise von 2008 gab es eine Reihe von im weiteren Sinne linken Vorschlägen zur Reform des Wirtschafts- und Finanzsys­tems. Neben zahlreichen sinnvollen Ansätzen fällt der Plan ins Auge, die Ökonomie durch Lokalisierung zu transformieren. Das Problem mit Großkonzernen, so der dahinterstehende Gedanke, ist nicht so sehr deren grundsätzlich ausbeuterischer Charakter, sondern die schiere Größenordnung der Unternehmen. Von kleineren Unternehmen und Banken sei zu erwarten, dass sie stärker die Bedürfnisse ihrer lokalen Gemeinwesen berücksichtigen würden.

      Eine recht populäre Kampagne aus jüngerer Zeit,

      »Move Your Money« genannt, propagierte die Idee, Kunden von Großbanken, die die Verantwortung


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