Meister Autor. Wilhelm RaabeЧитать онлайн книгу.
Weltgegenden nach dem Kinde, und halte die Hände hinter den Ohren, ob ich die Hunde wenigstens nicht zu vernehmen kriege. Die höre ich denn gottlob auch, aber in sehr weiter Entfernung und, wie es scheint, gleichfalls sehr böse. Da haben wir einmal wieder einem dummen Viehzeug zu weit über den Weg getraut, denke ich; — den Schnürbein wenigstens hätte ich mit mehr gesundem Menschenverstand begabt geglaubt — da sieht man's wieder! Und damit laufe ich dem Gebelfer nach und habe mich lang und arg genug in das Gestrüpp hinein zu winden, ehe ich dem Trudchen, den Biestern und aller übrigen Absonderlichkeit auf den Hals komme. Ich komme ihnen aber auf den Hals, und zwar zu meiner eigenen sträflichen Verwunderung. Am Hange eines Hügelchens, mitten im Hochwald steht, mit dem Rücken an eine Buche gelehnt, unsere Trude und schreit aus voller Kehle Zeter. Zehn Schritte aber weiter ab unter einer andern Buche steht ein Geschöpf, was sicherlich da nicht aus dem Boden herausgewachsen war, und schreit ebenfalls, aber aus gröberer Kehle. Alles Hundevolk, mein Schnürbein voran, hat nämlich einen Kreis um dieses Wunder geschlossen und ist außer sich mit Bellen, Anspringen, Fest-auf-die-vier-Füße-stellen und Zähnfletschen. Was war's? Ein kohlenpechschwarzer Mohr! Ja, ein kohlenpechrabenschwarzer Mohr, der auch die Zähne fletscht und auf jedes Aufspringen Schnürbeins und der übrigen so hoch als möglich in die Luft hoppst. Sonderbar schön steht es der Kreatur, daß sie zu allen ihren sonstigen Annehmlichkeiten eine mehr dottergelbe als lederfarbene Uniform oder Livree trägt, aber das allersonderbarste ist, daß sie mich in ihrer Not und Angst ganz regelrecht auf deutsch anschreit, und zwar rein bremerisch:
Rufen Sie doch die Höllenhunde ab! Tausend Donnerwetter, haben Sie die
Güte!
Ich tue das, indem ich zugleich Trudchen begütige; und knurrend gehorcht endlich das Viehzeug.
Habe ich vielleicht jetzt schon das Vergnügen, Mynheer Kunemund vor mir zu sehen? fragt der Schwarze höflich mit dem Hute in der Hand.
Der bin ich freilich, sage ich, aus einem Erstaunen ins andere fallend, und hebe vor allen Dingen meine Trude, die mir angstvoll die Arme um den Hals schlägt, auf den Arm. Aber Sie — Sie — Herr — lieber Mann — wie kommen Sie — ja was haben Sie — Sie schwarzer Mensch — aber ist denn das die Möglichkeit?
Es ist die Möglichkeit, Mynheer Kunemund, sagt das Ding womöglich noch höflicher. Und wenn Mynheer Kunemund morgen zu Hause zu finden wäre, so würde Mynheer Kunemund sehr gern eine Tasse Tee bei Mynheer trinken.
Halten Sie mal! sag' ich, und setze das Kind von neuem auf den Boden, um mir besser mit beiden Händen an den Kopf greifen zu können.«
Fünftes Kapitel.
Der Meister Autor machte an dieser Stelle keine Pause; aber wir sind leider gezwungen, unsererseits eine eintreten zu lassen, um eine persönliche Bemerkung, unsern Lesern gegenüber, zu machen.
Man ist nämlich der Meinung, daß alles, was schon sehr häufig dagewesen ist, endlich sehr langweilig wird. Das ist eine landläufige Ansicht und Überlegung; aber trotz alledem nicht immer wahr! Hier hatten wir den reichen Onkel aus Surinam einmal wieder, und zwar so frisch und unverbraucht, als ob er zum erstenmale aus den Tropenländern zurückkomme, um die arme Vetterschaft in Europa glücklich zu machen.
»Alter Freund,« sprach ich zu dem Meister Autor Kunemund, »daß Sie an dieser Stelle Ihres Berichtes neu wären, kann ich zwar nicht behaupten; aber etwas was mir hier interessanter und willkommener sein könnte, kenne ich wahrhaftig nicht. Also gratuliere ich bestens!«
»Ob ich mir an dem Tage gerade Glück wünschte, weiß ich heute nicht mehr, Herr von Schmidt,« fuhr der Meister fort. »Aber das weiß ich noch, daß mir mancherlei durch Kopf und Seele ging, als der Schwarze jetzt aus seiner Reisetasche einen Brief vorholte, und ich schon in der Aufschrift richtig meinen kleinen Bruder herausfand. Er meldete sich in Fleisch und Blut auf den morgenden Tag bei uns zu Gaste im Walde an, und hatte seinen Mohren nur vorausgeschickt, um aller seiner gewohnten Bequemlichkeit bei uns sicher zu sein — der Hansnarr!
Ich las den Brief, und dann sah ich mir den Mohren von neuem an, und da das Tier mich nicht fraß, so wurde es nun auch allmählich dem Trudchen und den Hunden klar, daß es sie nicht fressen wolle. Die Hunde fingen zuerst an, das ausländische Gewächs zu beschnüffeln, und dann fing die Trude an zu lachen und in die Hände zu klatschen.
In dem Briefe stand nichts, und so sage ich denn:
Na, so wird es denn wohl das beste sein, daß wir vorerst allesamt nach Hause marschieren, um die Alte und nachher den Alten auf das Mirakel und die Ehre vorzubereiten. Auf die Alte freue ich mich, das kann ich wohl sagen.
Ich freute mich wirklich auf die Alte, und die Folge erwies, daß ich Grund dazu hatte. Einen guten Spaß muß der Mensch nicht beiseite schieben, vorzüglich wenn er so in der Eremiterei wohnt, wie wir alle in unserm Försterhause. Auf dem Wege nach Hause aber fragte ich vor allen Dingen meinen Mohr:
Aber nun sagen Sie mir doch auch: wie heißen Sie? wo kommen Sie her? und dann die Hauptfrage: Redet man bei Ihnen zu Hause denn auch so ein verständliches Deutsch?
Nun, natürlich! Weshalb sollte man in Bremen, im Schüsselkorb nicht ein gutes Deutsch sprechen? Da bemühen Sie sich doch nur in Thielebeules Keller, um zu hören, Herr Kunemund. Ich bin aus dem Schüsselkorb; aber auf ein bißchen Spanisch, Englisch oder Malaiisch — das Holländische ganz ungerechnet, soll's mir auch nicht ankommen. Ich hab' auf mehr als einem Schiff, und unter mehr als einer Flagge als Koch oder Steward die Welt befahren. Mein eigenster Beruf ist aber der wilde Meß- und Jahrmarktsindianer.
Was Sie nicht sagen?! Und Sie heißen —
Meyer! Ceretto Meyer! Wichselmeyer — wie Sie wollen. Auf der großen
Weserbrücke nennt man mich gewöhnlich Wichselmeyer, aber lieber hab'
ich's, wenn man mich Signor Ceretto ruft. Ich bin's von den höflicheren
Nationen gewohnt, die auf See mit =Si!= antworten, wenn man sie anspricht.
Schön! also Signor Ceretto! Nun denn, so seien Sie mir herzlichst willkommen, liebster Herr Signor Ceretto! sage ich, und damit erreichen wir so nach und nach das Försterhaus, und sonderbarerweise trug auf dem letzten Drittel des Weges bereits diese schwarze Bremer Meß-Merkwürdigkeit unser Trudchen auf dem Arme, während Schnürbein schwanzwedelnd sich ihr dicht auf den Hacken hielt.
An der Alten hatte ich meine Freude, und an dem Alten, der währenddem nach Hause gekommen war, gleichfalls; doch an der Alten um vieles mehr. So was Schwarzes in Menschengestalt hatte sie in ihrem Leben noch nicht gesehen, und daß sie viel in den Büchern darüber studiert hatte, glaube ich auch nicht. Den Eindruck, den also mein Freund Wichselmeyer oder Meyer, oder Signor Ceretto auf sie machte, war denn auch darnach! Wie sie aufschrie, wie sie ins Haus lief und die Schürze über den Kopf schlug — wie sie auf halbstündiges Zureden endlich um die Tür guckte, und wie sie wieder nach einer Viertelstunde mit einknickenden Beinen hervorkam und einen Knix nach dem andern vor das Ungeheuer hinsetzte, das war ein Vergnügen anzusehen, aber zu beschreiben ist es nicht. Und, mein lieber Herr von Schmidt, — wenn dieses eine Kuriosität war, so war es noch viel kurioser, daß — auf mein Wort und meiner Seelen Seligkeit — es wahrhaftig nicht ihre Schuld war, wenn wir nach allerkürzester Bekanntschaft nicht einen oder zwei oder einige Mulatten mehr in der Welt herumlaufen haben; denn — — so sind die Weiber! Ich habe es bis dahin nicht geglaubt, aber ich versichere Sie: sie sind so! Nachdem sich auf vieles Zureden das närrische Stück Frauenzimmer dahin hatte bringen lassen, durch eigenes Anrühren sich zu überzeugen, daß das Ding nicht abfärbe, war alles — in bester Ordnung und im schönsten Gange, und der Arend, ich und der Schwarze hatten nur abzuwehren, daß die Zuneigung nicht zu weit gehe.
Seit ich weiß, daß dieser fremde Herr und Unmensch nicht mit Tinte oder Pech oder Kienruß aufgefärbt wurde, bin ich ganz ruhig, flüsterte mir die Alte noch lange vor dem Gute-Nacht-sagen zu; kurz, wir hatten unsern Heidenspaß, den ganzen Abend durch. Ja, ja, Herr; über den