Perry Rhodan - Die Chronik Band 1. Michael NagulaЧитать онлайн книгу.
wie sahen die ersten Exposés aus?
Sie gingen vom Konzept der stufenweisen Entwicklung aus, beginnend mit der Mondlandung. Dabei stand für mich die Realität des Jahres 1961 mit den bereits bekannten technischen Nutzanwendungen im Triebwerks- und Zellenbau plus Elektronik weit im Vordergrund. Schließlich sollte der Serienbeginn denkbar und für jedermann verständlich und akzeptabel sein. Walter Ernsting und ich diskutierten zunächst über die Namen der handelnden Personen und über Umrissfragen, die dann im Exposé und im Roman konkretisiert wurden.
Im Gegensatz zu über sechshundert nachfolgenden Handlungsexposés waren die ersten drei Exposés allerdings nicht bis ins Detail ausgearbeitet. Die exakte Aufschlüsselung der Grunddaten, die für sämtliche späteren PERRY RHODAN-Romane maßgeblich wurden, erfolgte bei der Niederschrift des ersten Romans mit dem Titel »Unternehmen Stardust«. Auf den darin festgelegten Details aller Art bauten dann die Bände zwei, drei, vier und so weiter auf.
Ab Band vier schrieb ich die Exposés allein. Ich erfand handelnde Personen, baute das Solare Imperium auf, entwarf das Weltbild der Arkoniden und so weiter. Dabei stellte ich mich auch auf Vorlieben einzelner Autoren ein, etwa darauf, dass Walter Ernsting gerne Geschichten bearbeitete, in denen Gucky eine Hauptrolle spielte. Schließlich fertigte ich mehrere Durchschläge an, um dem mittlerweile auf fünf Autoren angewachsenen Team zu ermöglichen, neben dem Stoff des eigenen Romans auch den der Kollegen vor und nach ihnen kennenlernen und berücksichtigen zu können.
Trafen Sie sich häufig mit den Autoren?
Da die Autoren nicht alle am selben Ort wohnten, sah ich sie nach der Einarbeitung in die Serie höchstens zwei- bis dreimal im Jahr. Später trafen wir uns einmal pro Vierteljahr. Zwar waren nicht alle Ideen, die wir bei unseren Treffen diskutierten, in die Tat, sprich in einen Roman umzusetzen, aber es gab doch so manche wesentliche Anregung. Als wir Band 45 erreicht hatten, fiel der Begriff Atlantis. Daraus erfand ich für Band 50 den arkonidischen Kristallprinzen und späteren Imperator Atlan. Das Problem der Unsterblichkeit fand in den Zellaktivatoren eine Lösung, die die aufwendige und handlungshindernde Zelldusche durch ES ersetzte.
Im Zeitraum eines Jahres war die PR-Serie zu einem Erfolg geworden, so dass wir ziemlich optimistisch auch mit dem Erscheinen des hundertsten Bandes rechneten. Nach zwei Jahren Anlaufphase bestand dann kein Zweifel mehr, dass PERRY RHODAN zu einem Begriff geworden war.
(aus: PERRY RHODAN Sonderheft Nr. 4, Oktober 1978)
Die ersten Konzepte
Im Herbst des Jahres 1960 erteilte Bernhardt sowohl Ernsting als auch Scheer den Auftrag, das Konzept für eine fortlaufende Science Fiction-Serie zu erstellen. Ob die beiden jeweils vom Auftrag des anderen wussten, ist nicht bekannt.
Beide Autoren reichten Vorschläge ein, die zwar nicht ohne Änderungen akzeptiert wurden, Bernhardt aber darin bestätigten, dass er sich die richtigen Leute ausgesucht hatte. Dass insbesondere Scheer klar umrissene Vorstellungen von der möglichen Serie hatte, belegt der Begleitbrief zu seinem Entwurf. Scheer schreibt:
»… SF-Serien üblicher Art gibt es in Hülle und Fülle. In der Regel wird die Pleite mit Band 45 seitens des Verlages vorsichtig angedeutet, um mit Band 50 vollstreckt zu werden. Wenn ich eine Geschichte der Menschheit entwickeln soll, so hat sie in unserer Jetztzeit zu beginnen, zu beginnen mit dem bemannten Raumflug, begreifbarer und realistischer Technik, die nach und nach ausgebaut wird. Ich werde demnach auf keinen Fall mit dem Bau des 120. Stockwerks beginnen, sondern mit dem soliden Fundament.
Wenn Sie jedoch das übliche Tralala mit 3- bis 4-Mann-Abenteuerchen im Weltraum wünschen, wenn Sie nicht erklärt haben wollen, warum dieses und jenes Raumschiff überhaupt fliegen kann, dann bin ich in der geplanten Serie fehl am Platze.«
Bernhardt müssen diese Zeilen erfreut haben, entsprachen sie doch voll und ganz seiner Intention, eine Serie aus der Taufe zu heben, die sich qualitativ von der Konkurrenz abhebt. Er beauftragte die beiden Autoren, einen ersten gemeinsamen Entwurf zu erarbeiten – noch ehe die Serie endgültig genehmigt worden war.
Bis dahin war der Weg auch noch weit. Ein Produktionsvorlauf musste geschaffen, weitere geeignete Autoren gefunden werden, dazu kamen noch die Fragen von Finanzierung, Vertrieb und Werbung – Bernhardt wurde betriebsam. Die Autoren hatten ja keine Ahnung. Sie brauchten bloß zu schreiben, aber er – er musste sich um alles kümmern!
Ein Held wird geboren
Am 25. Januar 1961 hielt Kurt Bernhardt eine erfolgreiche Vorbesprechung mit den künftigen Serienautoren K. H. Scheer und Clark Darlton ab. Zufrieden führte er sie aus dem Verlag, damit sie in Oberbayern die konzeptionelle Grundlage für eine SF-Serie schufen, die zu einem ungeahnten Welterfolg werden sollte.
»So, nun fahrt mal schön nach Irschenberg«, trug er ihnen auf, »geht dort in Klausur und bringt uns in zwei oder drei Tagen die Gesamtkonzeption der Serie, wir rechnen so mit dreißig oder fünfzig Romanen insgesamt. Benötigt werden Namen der Hauptpersonen, ausführliche Exposés der ersten vier Romane und Kurzexposés der Bände fünf bis zehn. Dann sehen wir weiter.« So jedenfalls die Erinnerung Walter Ernstings fünfundzwanzig Jahre später.
In Ernstings Mietwohnung in Irschenberg erstellten die beiden mit Hilfe von Zigaretten, Kaffee, Bier, Bergen von Notizen und einer eifrig klappernden elektrischen Schreibmaschine (»einer der ersten in Deutschland«, wie Scheer später verkündete) ein erstes Rohkonzept. Die Handlung sollte im Jahr 1971 einsetzen, in einer Welt, die am Rand des Atomkriegs steht – ein realistisches Szenario in der Zeit des Kalten Krieges, der nur wenige Monate später mit der Kuba-Krise auf seinen ersten Höhepunkt zutreiben sollte. Als Protagonisten bestimmten sie einen amerikanischen Astronauten, der beim ersten Mondflug das notgelandete Schiff eines fremden Volkes, der Arkoniden, entdeckt. Mit Hilfe der Arkoniden gründet er die »Dritte Macht«, einen Staat, der sich als Puffer zwischen Ost und West versteht.
Nach langem Hin und Her einigte man sich auf Ernstings Vorschlag hin, den Protagonisten Perry Rhodan zu nennen. Wie Ernsting auf den Vornamen kam, ist bis heute ungeklärt. Mögliche Quellen sind unter anderen ein Disney-Eichhörnchen, der Schmachtsänger Perry Como sowie Erle Stanley Gardners streitbarer Rechtsanwalt Perry Mason. Auch hatte sein ebenfalls SF schreibender Kollege W. W. Shols, den beide aus dem SFCD kannten, bereits 1959 eine eigene Buchreihe gestartet, deren Hauptfigur Perry Barnett hieß. Vielleicht gab es hier gewisse Anleihen.
Die Herkunft des Nachnamen ist hingegen geklärt: Ernsting übernahm einfach den einer Flugechse aus einem der zahlreichen Monsterfilme, die nach dem Erfolg Godzillas über die deutschen Kinoleinwände flimmerten – Rodan (ohne h!), das zweite Filmmonster nach Godzilla aus dem japanischen Filmstudio Toho.
Jedenfalls berichtete Ernsting schon im August 1967 auf den Leserseiten von TERRA 517: »Karl-Herbert Scheer hatte die Idee von den Arkoniden auf dem Mond, ich hatte den Namen der Serie und einige Ideen. Wir mixten unsere Vorstellungen zu einem Exposé-Cocktail und kehrten damit zwei Tage später zum Verlag zurück.«
Das Exposé für den ersten Roman wurde am 14. Februar 1961 fertig gestellt, keine drei Wochen nach der Auftragserteilung durch Kurt Bernhardt. Außerdem verfassten die beiden einen Ausblick auf die Handlung nach den ersten Heften. Scheer und Ernsting arbeiteten dabei auf eigenes Risiko. Bernhardt hatte die ersten Romane unverbindlich angefordert. Sollte die Serie nicht realisiert werden, würden die beiden leer ausgehen.
Info zur Romanserie: Perry Rhodan
Perry Rhodan ist schlank und hochgewachsen, hat dunkelblondes Haar, graublaue Augen und eine kleine Narbe am rechten Nasenflügel, die sich bei Erregung weiß verfärbt. Er hat einen trockenen und dennoch herzhaften Humor. Am 8. Juni 1936 in Manchester/Connecticut geboren, ist er der einzige Sohn von Jakob Edgar (»Jake«) Rhodan, der als Kind kurz nach dem Ersten Weltkrieg mit Eltern und Bruder aus Deutschland in die USA eingewandert war, und Mary Rhodan, geborene Tibo (frühere Schreibweise: Thibeau), deren Familie ursprünglich aus Lothringen stammt. Seine jüngere Schwester Deborah kam im Frühjahr 1941 bei einem von ihrer Mutter verursachten Unfall ums Leben. Beide Eltern gingen Ende September 1945 mit der ersten Welle amerikanischer Besatzungstruppen nach Japan, wo sie aus erster Hand einen Eindruck der Schrecken von Hiroshima und Nagasaki erlebten. Auf Betreiben seines