Perry Rhodan Chronik, Band 2. Michael NagulaЧитать онлайн книгу.
13. Juni 1975 fand erneut eine Autorenkonferenz statt. Cheflektor Kurt Bernhardt hatte dafür neben K. H. Scheer und Clark Darlton auch William Voltz, Kurt Mahr und Günter M. Schelwokat, den Lektor der SF-Reihen des Pabel Verlags, geladen.
Er bat die Genannten, schon am Vortag anzureisen und am Nachmittag oder spätestens um 20 Uhr in München einzutreffen. Zimmer im Hotel Eden-Wolff gegenüber dem Starnberger Bahnhof seien bereits reserviert. Am nächsten Morgen gebe es »eine PERRY RHODAN- und ATLAN-Besprechung. In dieser Sitzung wird die Weiterentwicklung der beiden Reihen festgelegt.« Am frühen Abend könne man dann wieder abreisen.
Das Besondere an dieser Konferenz war, dass zeitweise auch Leser anwesend waren. Deshalb bezeichnete Bernhardt sie als »Gruppendiskussion über die Reihen bzw. Serien PERRY RHODAN, ATLAN, TERRA ASTRA und PERRY RHODAN-Taschenbuch«. In dem Rundschreiben, das er am 2. Juni an die Autoren und den Lektor verschickte, heißt es: »Ich bitte Sie, sich entsprechend vorzubereiten, damit die Diskussion über die Weiterentwicklung der Serien schnell vonstatten geht. Ich empfehle daher jedem von Ihnen, ein entsprechendes Exposé auszuarbeiten. Wir haben bereits entsprechende Fragen für die Gruppendiskussion vorbereitet und schicken Ihnen hiervon die Texte zu. Bitte legen Sie dafür entsprechende weitere Fragen zu den einzelnen Serien und Reihen vor.«
Auch wenn einige Beteiligte nicht so recht wussten, was diese Gruppendiskussion eigentlich bezwecken sollte, tröstete man sich doch einstweilen damit, dass sie mit dem Wiedersehen von Freunden und geschätzten Kollegen einherging.
Auf den Tag vier Wochen später, am 2. Juli, verschickte Bernhardt die Auswertung der Autorenkonferenz. Er nannte sein Rundschreiben einen »Bericht über diejenigen Punkte der Gruppendiskussion PERRY RHODAN 1975, die unbedingt von den Autoren und Exposéschreibern beachtet werden müssen.« Dieser ging auch an die anderen Autoren der Serie, die nicht anwesend gewesen waren – Francis, Ewers, Kneifel und Vlcek.
In dem Rundschreiben wurde festgestellt, dass die Risszeichnungen an Beliebtheit verloren hätten, so dass sie vielleicht nicht mehr jeden Monat erscheinen sollten. Voltz antwortete zehn Tage später nach der Rückkehr aus einem Urlaub: »Es stimmt nicht, daß die Risszeichnungen nicht mehr so beliebt sind wie früher – lesen Sie bitte die Leserbriefe, was für eine Aufregung losbricht, wenn in der 2. Auflage einmal eine RZ ausgelassen wird. In dieser Hinsicht waren die Leser bei der Diskussion nicht repräsentativ.«
Voltz erklärte sich gern bereit, Leserbriefe auf der Kontaktseite künftig ausführlicher zu beantworten. Es war ihm aber anscheinend nicht möglich, in Zukunft gelungenere SF-Witze für die LKS auszuwählen – auf sie wurde ganz verzichtet.
Auch die Handlung von PERRY RHODAN wurde angesprochen. Hin und wieder, folgerte Bernhardt, solle wieder einmal ein Roman in Ich-Form erzählt werden, weil das bei den Lesern sehr beliebt sei. Auch Einzelabenteuer sollten wieder innerhalb der Serie erscheinen, »ganz besonders mit charakteristischen, gut ausgeführten Nebenfiguren«.
Dem Zeitgeist gemäß schlug er auch vor, dass Serienfiguren, die schon lange gemeinsame Abenteuer erlebten, sich nicht mehr mit »Sie« ansprechen dürften. Die Exposé-Redaktion möge diesbezüglich die Rangordnung überprüfen. Voltz entgegnete, dass K. H. Scheer im Daten-Exposé von Band 750 sicher gern regeln werde, »wer lebt, wer wie alt ist, wer sich siezt und wer sich duzt.« Aber dieses Thema war damit nicht vom Tisch. Es sollte in den nächsten fünf Jahren immer wieder aufkommen, bis Voltz anlässlich Band 1000 die Entscheidung traf, dass die Menschen der Zukunft sich alle nur noch duzten.
Das war eine Entscheidung, die einer politischen Aussage gleichkam. In seinem »Bericht« hatte Bernhardt noch erklärt, man solle von soziologischen Themen ablassen und sie nicht veröffentlichen, da sie ein heißes Eisen seien. Nicht nur die Leser hätten diese Meinung zum Ausdruck gebracht, auch die Redaktion vertrete diese Auffassung.
Im selben Bericht fand sich aber auch Bernhardts Forderung, die Frauenfiguren in der Serie »menschlicher und wärmer« zu gestalten. »Das vermissen die Leser bei sämtlichen Frauenfiguren, die bisher bei PERRY RHODAN agiert haben.«
Alle Jahre wieder
Am 27. Mai 1975 war das erste Jahrbuch erschienen, und stolz hatte der Herausgeber William Voltz im Vorwort verkündet: »Fortan soll alljährlich ein PERRY-RHODAN-Jahrbuch erscheinen, jedesmal mit einem anderen Zentralthema.« Er hatte auch schon mit den Vorarbeiten begonnen und wertvolle Mitarbeiter gewinnen können, und bereits zehn Tage nach Erscheinen leitete Cheflektor Kurt Bernhardt einen Leserbrief mit Vorschlägen für das nächste Jahrbuch an Voltz weiter, das als Reaktion auf die Veröffentlichung entstanden war. Voltz sollte vor allem den Vorschlag prüfen, für das Jahr 1976 – also im Zeitrahmen des nächsten Jahrbuchs – einen PERRY RHODAN-Wandkalender herauszubringen. Er könne beispielsweise die Porträts von Hauptpersonen der Serie enthalten, die auf der Blattrückseite beschrieben würden, hieß es. Aber auch andere Motive wurden in dem Leserbrief erwogen, etwa die Flaggschiffe des Großadministrators oder sonstige wichtige Schiffe der Handlung, ebenfalls umseitig beschreibbar. Wenn die Monatsangaben so angebracht wären, hieß es, dass man sie am Ende des Monats ohne Beschädigung des Bildes abschneiden könnte, würden die Bilder eine imposante Postersammlung ergeben.
Bernhardt musste dieser Vorschlag gefallen. Er hatte Voltz bereits in einem Schreiben vom 13. Januar ähnliche Ideen mit auf den Weg gegeben. »Wieweit Sie die Vorschläge für das Jahrbuch 76 verwenden können, überlasse ich natürlich Ihnen. In jedem Fall bitte ich Sie, sich baldigst Gedanken darüber zu machen, damit ein Kalender 1976/77 spätestens im November/Dezember für die Herstellung zusammengetragen wäre.«
Der Herausgeber trieb die Arbeit an dem zweiten Jahrbuch denn auch vehement voran, wie sich aus einem Schreiben am 1. Juli 1975 ergibt, das Thomas Schlück an ihn richtete. Darin erklärt der Literaturagent, beim nächsten Band »etwas stärker mitzumischen«. Er habe sich wegen des kommenden Jahrbuchs über PSI bereits mit jemandem in Verbindung gesetzt, der Voltz kein Unbekannter sei. Er kenne ihn aus dem SF-Fandom – es sei der Diplompsychologe Jürgen vom Scheidt. Schlück erwähnte nicht, dass sein Klient auch schon drei SF-Romane und mehrere Anthologien veröffentlicht hatte. Das wusste Voltz ohnehin. Er verwies auf seine Veröffentlichungen im psychologischen Bereich und versicherte, er sehe durchaus die Möglichkeit, dass vom Scheidt als Experte an dem Jahrbuch mitarbeiten werde. Sollte Interesse bestehen, wolle Schlück sich mit ihm in Verbindung setzen.
Voltz nahm persönlich mit ihm Kontakt auf, und vom Scheidt erklärte sich am 14. Juli 1975 gern bereit, für das nächste Jahrbuch einen Artikel über PSI zu schreiben. »Ich arbeite in einer – allerdings privaten – Arbeitsgruppe über Parapsychologie mit, die einige Wissenschaftler bei Messerschmidt-Bölkow-Blohm gegründet haben und bei der auch der geheimnisumwitterte Physiker Burkhard Heim am Rande mitmacht«, führte er aus. »Du bekommst das Manuskript Anfang September, jedenfalls termingerecht.«
Auch die Serienautoren sollten wieder Beiträge zu dem Zentralthema leisten und im Verlag sich erneut Werner Müller-Reymann um das Projekt kümmern – Krimimüller, wie er wegen seiner Lektoratstätigkeit für KOMMISSAR X oft genannt wurde. Aber als Monate vergingen, in denen unklar blieb, ob es ein zweites Jahrbuch denn wirklich geben würde, erkundigte sich Voltz am 20. September 1975 bei Bernhardt nach dem Stand der Dinge. Der Cheflektor antwortete postwendend: »Ich habe mit Herrn Blach darüber ein Gespräch gehabt, und er konnte bisher noch keine Entscheidung treffen. Wir müssen abwarten.«
Der Verlagsleiter konnte sich nicht entscheiden. Lohnte sich ein weiterer Band? Erst am 12. Dezember, fast ein Vierteljahr später, als der Einsendeschluss für das neue Jahrbuch schon verstrichen war, erklärte Bernhardt gegenüber Voltz: »Nach meiner Besprechung in Rastatt kann ich Ihnen mitteilen, daß wir vorerst kein PERRY RHODAN-Jahrbuch bzw. -Almanach herausbringen. Der Verkaufserfolg des letzten Jahrbuchs war sehr gering.«
Damit war das Projekt gestorben, und erst siebzehn Jahre später sollte sich die Fanszene an dieses Konzept erinnern und 1992 mit Unterstützung von Florian F. Marzin, dem damaligen Cheflektor von PERRY RHODAN, ein Jahrbuch herausbringen, das zehn Jahre lang in ständig verbesserter Austattung erschien. Es startete als Sonderpublikation des SF-Club »Universum« und erschien von 1998 bis 2002 in der PERRY RHODAN-Fanzentrale. 1998 trat auch Klaus Bollhöfener als Mitherausgeber an die Stelle von Hans-Dieter Schabacker. Der zweite