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Paganini - Der Teufelsgeiger. Christina GeiselhartЧитать онлайн книгу.

Paganini - Der Teufelsgeiger - Christina Geiselhart


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Kathedrale zum König von Italien krönen zu lassen, raunte es in den Reihen. Ein großes Reich will er. Ein Reich wie das von Attila oder Carlo Magno.

      Schritt für Schritt gewann Elisa das Vertrauen der Bevölkerung. Bald konnte sie auf halb Lucca und beinahe auf ganz Piombino zählen. Das Wohlwollen der Menschen nutzte sie aus und prägte ihren Herrschaftsbereich diplomatisch und geschickt im Sinne ihres Bruders sowie in ihrem. Sie war nicht nur eine stolze, sie war auch eine rege Prinzessin, der es nicht genügte, ihr langes Haar zu bürsten. Und dumm war sie schon gar nicht. Zehn Jahre Studium an einer französischen Schule hatten zwar ihr bescheidenes Vokabular nicht polieren können, aber ihren Geist geschult. Sie ließ verwahrloste Viertel sanieren, setzte Brücken und Straßen neu instand, legte Sümpfe trocken, förderte die Seidenfabrikation. Die stillgelegten Steinbrüche von Carrara, die einst Michelangelo nach wertvollem Marmor abgeklopft hatte, funktionierten wieder. Und ganz in den Fußstapfen ihres Bruders wandelnd, eröffnete sie Schulen, auch für Mädchen, gründete ein medizinisches Institut und Bibliotheken, schaffte neue Lehrstühle in Geschichte und Jura. Natürlich vergaß sie dabei die Musik nicht, der sie sehr zugetan war. Kurzerhand verabschiedete sie die beiden verstaubten Orchester in Lucca und organisierte ein Hoforchester. Die Umorientierung bekam auch Paganini zu spüren. Domenico Puccini wurde zum Kapellmeister ernannt, Romaggi übernahm anstelle Paganinis die Rolle des Ersten Geigers und Paganini selbst rutschte auf den Platz des Stimmführers der Zweiten Violine zurück, erhielt aber zusätzlich das Amt des Operndirektors.

      Allwöchentlich verlangte Elisa zwei Konzerte, wobei weder Tag noch Tageszeit lange vorher angesagt wurden. Die Prinzessin erwartete von ihrem Hoforchester technisches Können, musikalische Versiertheit und die Flexibilität, jederzeit bereit zu sein. Paganini, von dem ihre Umgebung in den höchsten Tönen schwärmte, war ihr bei einem Empfang vorgestellt worden. Der junge Mann gefiel ihr nicht schlecht, an der etwas eckigen Figur störte sie sich nicht. Er trug einen zweireihigen Gehrock, darunter ein weißes Hemd mit hochgestelltem, gestärktem Kragen, um den er gemäß der Mode eine weiße Halsbinde bis unters Kinn geknotet hatte. Der Backenbart wirkte gepflegt, so wie das gewellte, bis auf die Schultern fallende Haar. Er hatte ein anmutiges Gesicht, betrachtete Elisa aus großen, wachen Augen und verneigte sich mehrmals vor ihr. Elisa hatte in ihrem Leben wenig schöne Männer getroffen, im Grunde keinen Einzigen und beschloss, den Künstler attraktiv zu finden. Wohl war er kein Riese, aber ihren Winzling von Bruder überragte er gut und gern um einen Kopf. Zu allem Übel hatte Napoleon ein pausbäckiges, wütendes Bubengesicht und finstere Augen, die von tiefen Brauen erdrückt wurden und Angst einflößen. Auch ihr Gatte konnte mit dem Aussehen des Virtuosen nicht konkurrieren. Verglich man Prinz Felices Gesicht mit dem Paganinis, so stellte man sich unwillkürlich die Frage: Ist das, was Felice auf dem Hals trägt, überhaupt ein Gesicht? Der zusammengekniffene Mund, die breites Nase und Stirn, die schläfrigen Augen, die schlaffen Wangen und die gepolsterte Spitze eines fleischigen Kinns ergaben eine öde Fläche.

      Elisa brannte darauf, den Genueser spielen zu hören. Um nicht nur sein Talent und das seines Orchesters, sondern auch deren Flexibilität und Humor testen zu können, verkündete sie eines Tages um die Mittagszeit, am Abend ein Konzert für Violine und Englischhorn hören zu wollen. Die Musiker gerieten in Panik. Sie waren völlig unvorbereitet. Kapellmeister Puccini lehnte es ab, in kurzer Zeit etwas zusammenzuschustern, und leitete die Bitte an Paganini weiter. Für den Genueser war dies kein Problem. Innerhalb von zwei Stunden komponierte er ein Stück mit Orchesterbegleitung, das am Abend sämtliche Gäste von den Stühlen riss und Elisa in Flammen aufgehen ließ. Es war das erste Mal, dass ihr Paganinis Musik den Verstand raubte, aber es war nicht das letzte Mal und bald sollte sie seinem Charme erliegen.

      Bis zum Sommer fanden die unangesagten Konzerte zweimal wöchentlich statt und Paganini sah sich gezwungen, über einen Bass zu improvisieren. In Elisas Leib richteten seine Klangphantasie und die teils harmonischen, doch oft aufregenden Klängen seiner Musik ein echtes Unwetter an. Zuerst zitterte und bebte sie am ganzen Körper, als stünde sie unter einem heftigen Regenschauer, dann stöhnte sie und fiel in Ohnmacht. Mitte April wurde ihre Schwangerschaft sichtbar und sie sank schon nach den ersten Klängen zu Boden. Da die Musiker jedes Mal abbrechen mussten, weil sich die Anwesenden hilfsbereit auf die Fürstin stürzten, beschloss diese, künftig den Saal vor Beginn des Konzertes zu verlassen. Schließlich lief ihr der begabte Musiker nicht davon, und überhaupt war er ihr zu Dank verpflichtet. Sie hatte ihn zum Kammervirtuosen ihres Hoforchesters ernannt, was sein Monatsgehalt auf mehr als zwölf Scudi erhöhte und ihm zusätzlich 1.146 Francs bescherte. Außerdem kürte sie ihn zum Hauptmann der Ehrengarde. Dieser Titel erlaubte ihm, zu ihren Empfängen in Uniform zu erscheinen, worüber sich Elisa vorzüglich gefreut hätte. Doch Paganini hielt nichts von solchen Späßen und tat ihr nie den Gefallen. Damit reizte er ihren Unwillen. Anlässlich eines Empfanges watschelte sie, umringt von ihren Hofdamen, auf ihn zu und sagte schnippisch:

      „Signor Paganini, es ist ziemlich rücksichtslos von Ihnen, niemals Ihre Uniform zu tragen. Dabei stünde sie Ihnen ausgezeichnet.“

      Der Musiker vermied es, auf ihren dicken Bauch zu starren, sondern blickte ihr geradewegs in die Augen. Elisa stand erneut in Flammen.

      „Hoheit, erlauben Sie mir, zu bemerken, dass mir die Uniform beileibe nicht so gut steht wie der Bühnenanzug. Und ich möchte Ihre Hoheit nicht erschrecken.“

      „Gut, ich werde Ihnen verzeihen, wenn Sie uns dafür entschädigen.“ Elisa nickte gnädig.

      „Was immer Ihrer Hoheit beliebt, wenn ich mich nur nicht in der Uniform oder gar nackt präsentieren muss!“

      Elisas spontanes Gelächter ließ ihren Bauch hüpfen und vergnügt lachte ihr Hofstaat mit. „Was werden wir dem Maestro auftragen?“ Spitzbübisch taxierte sie die jungen Damen. Es kicherte und schnatterte. Vorschläge fielen, aber nichts schien Elisa zu überzeugen. Paganini meisterte auch diese Situation.

      „Was halten Sie von einer Oper, die ich persönlich dirigiere?“

      Neues Gelächter erschallte. Elisa schnappte lachend nach Luft.

      „Wir lieben Opern, Signor Paganini, das wissen Sie! Aber das ist ja absolut nichts Neues. Damit haben Sie uns längst erfreut. Wir wollen etwas Ungewohntes, allerliebster Freund!“

      Die Anrede trieb Paganini das Blut in den Kopf, dennoch behielt er Oberwasser. Er zog die Augenbraue hoch und tippte mit dem Zeigefinger gegen seine Adlernase.

      „Ich dirigiere die Oper mittels einer Geige mit zwei Saiten. Wäre das ausreichend, die Uniform vergessen zu machen?“

      „Gewiss, nur fürchte ich, dass sich mit zwei Saiten das umfangreiche Stück nicht bewältigen lässt. Bei allem Respekt vor Ihrer Kunst, liebster Freund!“ Sie warf ihm einen frechen Blick zu. „Vielleicht überschätzen Sie sich. Die Jugend meint oft, Berge versetzen zu können. Wie alt sind Sie, allerliebster Paganini?“ Elisa fächerte sich Luft zu, und gerne hätte der Violinist ein wenig frischen Wind abbekommen, fühlte er sich doch zunehmend bedrängt und gleichzeitig auf den Arme genommen mit diesem ständigen „allerliebster, liebster und ach so lieber Paganini!“

      „Alt genug, um eine Wette abzuschließen!“, antwortete er kühn.

      „Ich bin dabei. Was wetten wir, mon Virtuose?“

      „Ich dirigiere die Oper, spiele nebenbei auf zwei Saiten und gewinne – falls es mir gelingt – ein Essen für 25 Personen.“

      „In Ordnung!“, kicherte Elisa heftig fächelnd. „Und was bekomme ich, wenn Sie verlieren?“ Ihr Fächer bedeckte Mund und Nase, nur ihre dunklen, glühenden Augen fixierten ihn. Niccolò ging der Blick unter die Haut. Ein Vorschlag wollte ihm nicht einfallen und die Furcht, sie könne von ihm das Tragen der Uniform verlangen, lähmte seine Zunge. Doch da beugte sie sich vor und flüsterte:

      „Falls Sie verlieren, tragen Sie die Uniform für mich. Für mich ganz allein, mon Virtuose. D’accord?“

      Niccolò verneigte sich steif wie ein Stock, brachte aber kein Wort heraus. Natürlich hatte er die Prinzessin verstanden, deshalb nahm er sich vor, die Wette haushoch zu gewinnen.

      19

      Felice Baciocchi, der


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