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DSA: Rabenbund. Heike WolfЧитать онлайн книгу.

DSA: Rabenbund - Heike Wolf


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ein Traumbild war, das ihm sein übermüdeter Geist vorgegaukelt hatte. Aber das würde er nicht herausfinden, wenn er hier herumsaß und seine Gedanken sehnsuchtsvoll hinab in die Stadt glitten.

      Mit einem leisen Seufzen nahm er die Liste noch einmal auf und überflog die Einträge. Er stutzte, als sein Blick auf den letzten Punkt fiel, eine Anmerkung, die Cortez wohl nachträglich hinzugefügt hatte und in der die Lanista darum bat, den Wilden zurück in den Ludus zu holen.

      Amato runzelte verwundert die Stirn. Bislang war er davon ausgegangen, dass der Nordländer unter der Arena gut aufgehoben war, wo man ihn in Eisen schlagen und sicher bewachen konnte. In seinem Ludus genossen die Gladiatoren sehr viel mehr Freiheiten, und er war nicht sicher, ob der Wilde schon dafür bereit war. Die Tulamidin, die er getötet hatte, war ein schwerer Verlust gewesen, und auf weitere Opfer konnte Amato gut verzichten. Vielleicht hätte diese Sklavin mäßigend auf ihn eingewirkt, die sich in der Arena so entschlossen vor den Nordländer gestellt hatte. Es war augenscheinlich gewesen, dass der Wilde etwas für das Mädchen empfand. Allerdings hatte sich Emilia Bonareth geweigert, sie ihm zu verkaufen, sodass es womöglich besser war, ihn hierherzuholen, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Amato seufzte. Es war einfacher gewesen, als der Nordländer noch ein namenloser Sklave gewesen war. Jetzt war er ein Held, den er nicht mehr leichtfertig aufs Spiel setzen konnte. Ihn zu hassen, brachte Reto nicht zurück.

      Amato nahm einen Schluck Wein, und griff dann nach Feder und Tintenfass, um seinen Namenszug unter Cortez’ Auflistung zu setzen. Die Lanista war ein Glücksgriff, denn anders als ihr Vorgänger wusste sie nicht nur Kämpfer auszubilden, sondern ebenso den Ludus zu führen, ohne dass Amato ständig eingreifen musste. Und sie hatte eine gute Hand für Gladiatoren. Wenn sie der Meinung war, dass der Nordländer hier besser aufgehoben war als in dem Pferch unter der Arena, dann wollte er ihr glauben.

      Etwas zufriedener legte Amato das Papier beiseite und warf einen Blick auf das letzte Schreiben, das sein Sekretär bereitgelegt hatte. Er hob irritiert eine Augenbraue, als er das Siegel erkannte, das eine prachtvolle Krone zeigte: das Zeichen Goldo Paligans.

      Ein ungutes Gefühl machte sich in seinem Magen breit, während er auf das Schreiben starrte und mit sich rang, ob er es wirklich öffnen sollte. Dass Goldo ihm sein Wohlwollen entzogen hatte, war spätestens mit Esmeraldos Ankunft offenkundig, und das Oberhaupt des Hauses Paligan tat nichts ohne Grund. Wenn er ihm nun schrieb, dann sicher nicht, um ihm zum bevorstehenden Tsatag zu gratulieren.

      Amato wog den Brief einen Moment lang unschlüssig in der Hand, ehe er sich ein Herz fasste und das Siegel brach. Es waren nur wenige Zeilen, die sein Großonkel ihm geschrieben hatte. Der Tonfall, in dem Goldo sein Missfallen über den Tod des Schwarzen Schreckens mitteilte, war gewohnt jovial, die unterschwellige Drohung jedoch kaum zu überlesen. Amato solle sich auf Gran Paligana einfinden, und auch, wenn das Wort ›unverzüglich‹ nicht ausdrücklich erwähnt wurde, schwang es doch in jedem Satz unüberhörbar mit.

      Amato ließ das Schreiben sinken. Von draußen klang immer noch das Scheppern der Waffen und Rüstungen und zerriss die träge Stille des späten Nachmittags. Wenn er heute aufbrach, konnte er vor Mitternacht die Plantage erreichen, mit einem Pferd vielleicht sogar noch eher. Er musste nur Ismene rufen, um das Notwendige zu veranlassen. Die Cortez hatte die Unterschrift auf ihrer Liste, sie würde ihn die nächsten Tage nicht brauchen. Wenn er zurückkehrte, musste er sich womöglich keine Gedanken mehr um eine mögliche Verschwörung machen, weil Goldo ihn zurückstoßen würde in die Bedeutungslosigkeit, aus der er ihn damals erhoben hatte, als Amato seine Wahl in den Rat der Zwölf mit nemekathäischen Tempelfriesen erkauft hatte. Der Tod des Gladiators bot seinem Großonkel die Gelegenheit, das Spiel vor der Zeit zu beenden. Seine Figuren hatte Goldo bereits in Stellung gebracht, es bedurfte nur dieses einen, letzten Zuges, den Amato in den letzten Wochen und Monden so oft ersehnt hatte. Und doch, in seinem tiefsten Innern wusste er, dass dieser Ausweg falsch war.

      Er spürte, wie seine Finger das Papier umschlossen und es langsam zerknüllten. Amato hatte die Wahl, er konnte sich dafür entscheiden, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Der Bastard hatte recht, er war ein Grande, kein Sklave. Er konnte gestalten oder sich Goldo ergeben und mit eingezogenem Schwanz in Bedeutungslosigkeit versinken. Doch dafür hatte Marbo ihn nicht erwählt und von den Gestaden des Nirgendmeeres zurückgeholt.

      Amato erhob sich und trat um den Schreibtisch, um den silbernen Leuchter mit den Ölleuchten zu erreichen. Das Papier fasste augenblicklich Feuer, als er es in die Flamme hielt. Mit starrem Blick sah er dabei zu, wie sich der Brand durch das Schreiben fraß und Goldos Worte verschluckte. Es war keine Antwort, die einem Goldo Paligan gefallen würde. Aber es war die einzige, die er ihm geben konnte.

      III

      Inion

      Mit gesenktem Kopf schritt Inion neben Verno her, der den düsteren Gang entlanghumpelte. Fackelschein brach sich in den gemauerten Wänden, wo man mit Ziegeln und Bruchstein Mauern in die unterirdischen Katakomben gezogen hatte. Raue Stimmen und das Knallen einer Peitsche drangen von irgendwoher. Der Gestank nach Schweiß, Ruß und den Ausdünstungen wilder Tiere hing in der Luft und machte das Atmen unangenehm. Inion blickte starr vor sich hin, während sie auf das Tappen ihrer bloßen Füße lauschte. In den ersten Tagen hatte sie noch die Zeit zwischen dem Einschlafen und Hochschrecken gezählt, um sich in dieser düsteren Welt ohne Praiosscheibe und Madamal nicht zu verlieren. Sie hatte an den Garten auf der Plantage gedacht, den Duft der regennassen Blüten und den Dunst, der von den Blättern aufstieg, wenn das Sonnenlicht sie traf. Doch das alles schien in eine Welt zu gehören, die es nicht mehr gab. Inzwischen hatte sie jedes Gefühl dafür verloren, wie viel Zeit vergangen sein mochte, seitdem man sie in die Katakomben der Arena gebracht hatte. Manchmal hatte sie Hunger, meistens nicht, und wenn niemand sie zu sich rief, um seine Lust an ihr zu stillen, half sie den Sklaven beim Austeilen des Reisbreis und versuchte, nicht aufzufallen. Wenn sie keine Aufmerksamkeit auf sich zog, war sie in Sicherheit, ein Schatten, der mit der Düsternis verschmolz. Es war erschreckend, wie schnell sie gelernt hatte, dieser Schatten zu sein. Doch noch erschreckender war der Tag gewesen, an dem sie sich kaum mehr an den Duft der regennassen Blüten erinnern konnte.

      »Ich werde behaupten, dass ich dich gesucht habe.« Verno senkte die Stimme, während er sich dichter an sie heranschob. Sein säuerlicher Atem strich über ihre Wange. »Die Gänge sind unübersichtlich, da kann man sich schon einmal verlaufen. Der Wilde wird es verkraften, und wenn du ein bisschen nett zu mir bist, muss es niemand wissen.«

      Inion verengte die Augen, aber sie sagte nichts, sondern schritt schneller aus, um den hinkenden Gehilfen hinter sich zu lassen. Verno war eine Ratte, die sich geschickt verbarg und nur dann hervorkroch, wenn sie leichte Beute witterte. Zum Glück war er auch feige, sodass er es bislang nicht gewagt hatte, sie anzurühren, aber Inion ekelten die hungrigen Blicke, mit denen er sie maß. Es waren solche Momente wie diese, in denen sie unendlich dankbar war, dass es Ceibhin gab. Seit seinem Sieg in der Arena galt er in den Katakomben als Held, und das erlaubte ihm, Inion jederzeit zu sich zu rufen. Sie verstand immer noch nicht, warum er es tat, aber sie war dankbar, bei ihm sein zu können. Meistens saß sie stumm an das Gitter gelehnt, während er von seiner Heimat im Norden erzählte. Er tat ihr nicht weh, und das war mehr, als sie hier unten erwarten durfte.

      Verno murmelte etwas, während er ihr folgte, ohne einen weiteren Versuch zu unternehmen, sie anzufassen. Dennoch war Inion erleichtert, als sie endlich den Pferch erreichten, in dem der Nordländer untergebracht war.

      »He, Wilder!« Verno löste den Schlüssel von seinem Gürtel und schob sich an Inion vorbei. »Ich habe dir was mitgebracht. Kannst froh sein, dass sie gerade kein anderer haben wollte.« Es machte ein hässliches Geräusch, als er den Schlüssel im Schloss drehte und die Gittertür aufzog. »Lass sie ganz, hörst du? Sonst wird die Herrin wütend, und dann wirst du dir wünschen, nicht geboren worden zu sein.«

      Inion sah, wie sich der rothaarige Krieger auf dem Lager aufrichtete. Noch immer trug er Ketten an Händen und Füßen, und das war vermutlich der einzige Grund, weshalb sich dieses hinterhältige Wiesel Verno überhaupt so weit vorwagte.

      Ihr Herz klopfte schneller, als sie an Verno vorbei in die Zelle trat, um zu verhindern, dass er den Nordländer noch mehr reizte. Ceibhin hatte ihr zwar nie etwas getan, aber sie wusste


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