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Wo der Hund begraben liegt. Beate VeraЧитать онлайн книгу.

Wo der Hund begraben liegt - Beate Vera


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in die Zeile hinaus.

      »Lea, was ist denn passiert? Was macht die Polizei hier?«

      Unmittelbar verspürte Lea eine bleierne Müdigkeit. Sie wollte nur noch in ihr Bett gehen und schlafen. »Es tut mir leid, aber ich muss mich jetzt wirklich wieder hinlegen.«

      Danach schlief sie fünf Stunden am Stück.

      Während Lea ihren dringend benötigten Schlaf fand, saß Glander seiner Schwester in deren Küche in Teltow gegenüber und fluchte über den arroganten LKA-Kollegen. »Das glaubst du nicht, da schwabbelt die Prinzenrolle in das Wohnzimmer von dieser Storm und macht mir ’ne Ansage! Und das richtig Miese daran ist, dass die den Fall vermutlich auch kriegen. Scheiße! Der Prinz findet doch seinen eigenen Breitarsch nicht, so dämlich ist der.«

      Melanie Rust, geborene Glander, grinste breit und gähnte dann noch breiter. »Dabei ist der dir gar nicht vorgesetzt, ihr habt doch denselben Dienstrang. Aber sag mal, diese Frau Storm, die war ganz ruhig, nachdem sie zwei Leichen findet und ihr dann das volle Spusi-Programm vor ihr abzieht? Das ist doch nicht normal, oder?«

      Melanie war Verwaltungsangestellte bei der Berliner Polizei, und ihre Frage war durchaus berechtigt. Glander stellte fest, wie wichtig es ihm war, dass Melanie keinen falschen Eindruck von Lea Storm bekam.

      »Ach, ich weiß nicht, vermutlich nimmt sie irgendwas. Ihr Mann ist vor einem Jahr gestorben, und es war offensichtlich, dass sie nicht drüber hinweg ist. Obwohl Valium nicht zu ihr passt.« Nachdenklich häufte er sich den dritten Löffel Zucker in seinen Espresso.

      Seine Schwester sah ihn überrascht an. »Sie gefällt dir, Martin, ich glaub es ja nicht! Die gefällt dir wie keine mehr seit Jessica. Und – was wirst du tun?«

      Glander rührte missmutig in seiner Tasse herum.

      »Nichts werde ich tun. So ein Quatsch, von wegen gefallen! Die Frau hat ’ne Menge Probleme, außerdem ist sie Zeugin in einem Mordfall, ist ja nicht so, als hätte ich sie in einer Kneipe kennengelernt.«

      »Sicher nicht. Wann warst du das letzte Mal in einer Kneipe?«

      »Sei doch froh, dass dein Bruder einer der wenigen Kripobeamten ohne ein Alkoholproblem ist. Sag mal, hast du noch den Whisky, den du mal für mich besorgt hast? Ich hab grad richtig Lust auf einen kleinen Schluck davon.«

      Melanie holte die Flasche aus dem Wohnzimmerschrank, murmelte etwas von »So geht es los …« und stellte den Whisky vor ihrem Bruder auf den Tisch.

      Glander hob ihn hoch und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Sie hat diesen Monsterhund, Schottischer Rindhund oder so was. Und den hat sie nach diesem Whisky benannt, glaubt man das?« Kopfschüttelnd schenkte er sich zwei Zentimeter von dem zehn Jahre alten Talisker ein und dachte an Lea Storms kastanienbraunes Haar, das ihr sicherlich über die Schultern fiel, wenn sie den Zopf öffnete.

      Melanie feixte den ganzen Weg nach oben in ihr Schlafzimmer, wo sie sich an ihren schnarchenden Mann kuschelte und sofort einschlief.

      In einem Reihenmittelhaus im Dürener Weg, nicht weit von Lea, blickte ein Mann sehr zufrieden auf eine Namensliste und strich den Namen Hantschke aus. Zwei weitere Namen waren bereits durchgestrichen. Es gab noch viel zu tun, aber er hatte Zeit, und gut Ding brauchte nun einmal Weile. Der Mann schob das Papier in seine Schreibtischschublade, nahm einen Schluck Tee und schaute sich den dritten Teil von Berlin – Tag und Nacht vom Vorabend im Internet an.

      Glander hatte richtig vermutet: Das LKA 1 übernahm den Mordfall Hantschke, und der Streifenwagen, der Lea am folgenden Tag um elf Uhr abholte, brachte sie in die Keithstraße. Sie fand Prinz genauso unangenehm wie bei ihrem kurzen Treffen in der vorangegangenen Nacht, aber überraschenderweise hatte er gar kein großes Interesse an ihrer Aussage und ließ diese von einem Kollegen mit niedrigerem Dienstrang protokollieren. Der Beamte nahm ihr auch Fingerabdrücke ab. Reine Routine. Auf dem Heimweg bat Lea den Fahrer, sie am Thuner Platz abzusetzen, von dort würde sie laufen oder den Bus nehmen. Nachdem sie ausgestiegen war, überquerte sie die kopfsteingepflasterte Straße und ging auf den gegenüberliegenden Parkfriedhof.

      Marks Vater, ein britischer Soldat mit einem schweren Alkoholproblem, ließ ihn und die Mutter sitzen, als Mark zehn war. Der Vater kehrte nach England zurück und meldete sich nie wieder. Marks Mutter kam nicht darüber hinweg, und nach ihrem dritten Suizidversuch übertrug das Amt die Vormundschaft für den Sohn der Großmutter. Bei ihr lebte er, wenn er nicht im Internat auf Schwanenwerder war. Der vierte Versuch seiner Mutter, ihrem Leben ein Ende zu setzen, glückte, als Mark sechzehn war. Trotz dieses belastenden familiären Hintergrunds war Mark ein sehr guter Schüler. Nach dem Tod seiner Mutter stürzte er sich in seine Ausbildung, legte ein glattes Einser-Abi hin und zog sein direkt anschließendes Architekturstudium ebenso konsequent durch. Er machte den besten Abschluss seines Jahrgangs und bewarb sich im Büro des britischen Architekten Richard Rogers um einen Job. Als einer der jüngsten Mitarbeiter war er knapp ein Jahr später an den Bauvorhaben am Potsdamer Platz beteiligt.

      Marks Großmutter Elisabeth war eine resolute und pragmatische Frau, die die ersten Zeichen ihrer beginnenden Krebserkrankung sofort richtig einschätzte. So überschrieb sie Mark das Haus und richtete ihm sämtliche Vollmachten ein. Sie sprach ausführlich mit ihm über ihre Wünsche und versicherte ihm, dass er sich keine Sorgen um sie zu machen brauchte. Elisabeth war über siebzig, hatte ein erfülltes Leben geführt, von dem sie nur die wenigsten Dinge bereute, und sah dem Tod gelassen entgegen. Als es ihr langsam schlechterging, kündigte Mark seinen Job entgegen allen Warnungen seiner Kollegen und Freunde und pflegte Elisabeth. Zunächst alleine, später mit der Unterstützung zweier Pflegerinnen. Er hielt Elisabeths Hand, als sie starb.

      Nach ihrer Beerdigung buchte er einen Flug nach Glasgow, packte seinen Trekkingrucksack und begann eine lange Wanderung durch das Schottische Hochland. Lea begegnete ihm bei Duncansby Heads, vor den Stacks, der spektakulären Felsformation im Norden des Landes. Bereits ein Jahr nach ihrem ersten Treffen kam ihr Sohn Duncan in Berlin zur Welt. In den folgenden Jahren bauten sie das Haus aus, in dem Elisabeth bis zu ihrem Tod gelebt hatte, gestalteten den großen Anbau und legten den Garten ganz neu an.

      Mark hatte seinen Tod genauso ordentlich geregelt wie seine Großmutter den ihren. Und Lea hatte ihm versprechen müssen, nicht öfter als einmal im Monat auf den Friedhof zu gehen. Sie sollte nach vorne blicken und ihr Leben neu gestalten. Bislang war ihr das noch nicht gut gelungen.

      Mark wurde verbrannt und seine Asche in einem Urnengrab auf dem nächstgelegenen Friedhof beigesetzt. Heute tauschte Lea die Lavendelpflanze in dem Topf vor seinem Grabstein aus und steckte die alte in eine kleine Plastiktüte, die sie aus ihrer Vintage Schultertasche zog. Sie setzte die alten Lavendelpflanzen alle zwei Monate in eine Ecke ihres Gartens, diese würde die siebente sein. Bis jetzt war keine eingegangen, auch die nicht, die sie im Winter in den gefrorenen Boden gepflanzt und mit warmem Wasser gegossen hatte.

      Nachdem Lea die alte Pflanze eingepackt hatte, zog sie einen silbernen Flachmann aus ihrer Tasche und hob ihn wie zum Toast in die Höhe. »Rum Cask, unser ewiger Favorit. Ich denke, die Flasche schaffe ich heute. Die zu Hause, du Schaf, nicht den Winzling in meiner Hand! Den mache ich hier alle. Es ist genauso mies wie im letzten Monat, nur kann ich inzwischen so gar nicht mehr schlafen. Letzte Nacht habe ich Hantschke gefunden, tot, auf dem Mauerweg. Mit ’ner toten prossie an seiner Seite. Nee, glaubste nicht, is klar. Die Polizei hat meine Nikes mitgenommen, so ein Scheiß! Hoffentlich laufe ich mir in dem Ersatzpaar keine Blase. Slainte, my heart!” Sie nahm einen zweiten Schluck und fluchte dem unglaublichen Abgang nach. »Holy pirate rum influence!«

      Sie hatten beide so gelacht, als sie diese Beschreibung des Whiskybouquets auf einer Website entdeckt hatten. Mark hatte da gerade seine erste Chemo hinter sich gehabt, keine Haare mehr und sich grauenvoll gefühlt. Sie hatten beide im Bett gelegen, es war ein Sonntagmorgen gewesen, Lea hatte den Laptop auf ihren Knien gehabt und ihm die Neuigkeiten auf der Balvenie Website vorgelesen. Durch Zufall war sie danach auf die amerikanische Seite gestoßen. Sie hatte die Flasche geholt und ihn daran riechen lassen, danach hatten beide einen Schluck davon getrunken. Es war der letzte Whisky gewesen, den Mark hatte


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