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Wo der Hund begraben liegt. Beate VeraЧитать онлайн книгу.

Wo der Hund begraben liegt - Beate Vera


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als den archaischen Ernährer, der einen warmen Platz am Feuer erwartete, wenn er nach Hause kam. Das hätte im 21. Jahrhundert lächerlich wirken müssen, wenn er nicht in Svenja eine Frau gefunden hätte, die sich seinem manipulativen Verhalten nicht entziehen konnte. Aus Gründen, die Lea völlig rätselhaft waren. Dass Svenja überhaupt arbeiten ging, war René ein echter Dorn im Auge, und es gab regelmäßig Streit deswegen, aber hier setzte Svenja sich durch. Sie war Marketingkauffrau und arbeitete zwanzig Stunden die Woche als zweite Teamassistentin in einer mittelständischen Marketingagentur. René machte sich regelmäßig über ihren Job lustig, am liebsten vor Publikum. Sicherlich würde sie keine glanzvolle Karriere machen, aber darum ging es auch gar nicht, nur verstand dieser Holzkopf das nicht. Er war überdies extrem eifersüchtig und machte seiner Frau ständig Szenen, bestand aber gleichzeitig darauf, dass sie, wenn er mit ihr ausging, ihre gute Figur »angemessen zur Geltung brachte«, wie er es nannte. Immer wenn sie an die Ritters dachte, fühlte Lea sich ein wenig erschöpft, ging dann aber sofort mit sich ins Gericht. Es war nicht fair von ihr, sich ein Urteil über die Ehe der beiden zu erlauben. Sie hatte eine so ehrliche Beziehung mit Mark gehabt – was wusste sie denn schon von den Problemen anderer Paare? Svenja war erwachsen, und irgendetwas musste sie an René finden, sonst könnte sie ihn ja auch verlassen. Vermutlich war das alles normal, und sie und Mark hatten nur großes Glück gehabt. Wie auch immer, sie hätte nicht so ein Leben führen können.

      Lea gab Talisker ein Zeichen und ging mit ihm hinaus.

      Glander schaute den unrasierten und übernächtigt wirkenden Mann hinter der Ladentheke so erstaunt an, als habe er sich verhört. »Der kostet wie viel?«

      »280 Euro. Das ist eine seltene Abfüllung, dafür muss man schon ein bisschen tiefer in die Tasche greifen.«

      »The World of Spirits« beherbergte ein erkleckliches Angebot an Spirituosen und war stadtweit vor allem für seine gute Auswahl an Malt Whiskys bekannt. Bezahlbar seien diese, hieß es, woran Glander gerade zweifelte. Er beschloss, dem Mann sein Anliegen zu erklären, vielleicht konnte der ihm ja weiterhelfen.

      »Schauen Sie mal, ich möchte einer Frau, die ich gerade erst kennengelernt habe und die am liebsten Speyside Malts trinkt, einen Whisky schenken. Sie mag sehr gerne den Balvenie Rumfass oder so ähnlich. Es soll was Spezielles sein und zeigen, dass ich mir Gedanken gemacht habe, darf aber auch nicht zu viel des Guten sein. Sie verstehen, was ich meine?«

      Der Inhaber griente Glander ein wenig anzüglich an. Er hatte nur wenige weibliche Kunden und nur eine einzige, die regelmäßig bei ihm The Balvenie oder andere Abfüllungen aus der Region Speyside kaufte, auch in den höheren Preislagen. Berlin war zwar eine europäische Metropole, aber die Welt des Whiskys war hier doch eine überschaubare. Die Frau war sehr lange nicht in seinem Geschäft gewesen, und er beschloss, diesem traurigen Experten vor ihm unter die Arme zu greifen, für den Fall, dass es sich tatsächlich um diese Kundin handelte.

      »Also, wenn die Lady gerne den Balvenie Rum Cask trinkt, empfehle ich aus derselben Region entweder den BenRiach Horizons für knapp fünfzig Euro oder den Macallan Masters Edition Fine Oak 2007 für einen Zehner mehr. Beide sind ein bisschen außergewöhnlich. Der BenRiach ist dreifach destilliert mit Finish in Oloroso-Sherry-Fässern. Der hat’s mit fünfzig Prozent ganz ordentlich in sich, ist dafür aber überraschend mild, was der Dame vermutlich wichtig ist. Der Macallan hat ebenfalls ein Sherry-Fass gesehen und ist regelrecht samtig, sehr lecker und eine limitierte Abfüllung. Leichter auch, mit nur knapp 43 Prozent.«

      Glander stand vor dem Besitzer des Spirituosenladens und war sich schlagartig darüber im Klaren, dass er nicht länger so tun musste, als verstünde er wirklich etwas von Whisky. Der Bladnoch war ein Geschenk gewesen, und der Zufall wollte es, dass er ihm richtig gut schmeckte. Bis dahin hatte es aber auch ein Jack Daniels getan. Schön auf dem Teppich bleiben, dachte er sich. »Wissen Sie, was, ich nehme beide und entscheide mich spontan, welchen ich ihr schenke.«

      »Vielleicht kommt sie ja auch mal zu Ihnen, dann haben Sie was Ordentliches zum Anbieten …« Der Mann nahm die beiden Flaschen und packte sie in eine Papiertüte mit dem Aufdruck des Ladenlogos. »Sagen wir, glatt hundert Euro, dann mache ich heute zwei Menschen eine Freude.«

      Glander schaute ihn ein wenig säuerlich an. »Jeden Tag eine gute Tat, was? Sehr löblich. Vielen Dank!«

      »Aber gerne.«

      Als sich die Tür hinter Glander schloss, fragte sich der Besitzer, ob dieser Vogel bei der Kundin wirklich eine Chance hatte.

      Zum selben Zeitpunkt traf Lea mit Talisker auf Höhe des Eupener Wegs auf eine wildgestikulierende Gruppe von Nachbarn. Als sie sich der Gruppe näherte, winkte sie Herr Michalke schon zu sich heran. »Frau Storm, schön, dat Sie jrad vorbeikomm’! Et hat schon wieda een awischt.«

      Lea traute ihren Ohren nicht. Noch ein Mord? Das konnte doch nicht sein! »Wen hat es erwischt, Herr Michalke?«, fragte sie vorsichtig.

      »Na, den Kalli von die Renners.«

      Frau Renner hatte rotgeweinte Augen, wie Lea jetzt bemerkte, und Herr Renner legte den Arm um sie. Kalli war der dauerkläffende Foxterrier der Renners, mit dem sie – zum Leidwesen aller Nachbarn mit einem etwas leichteren Schlaf – immer um Punkt halb sieben das erste Mal am Tag Gassi gingen. Freundliche Hinweise, dass man gerne auch mal ausschlafen würde, wenigstens an den Wochenenden, prallten an den Renners ab. Kalli war ihr Augenstern, im Winter bekam er eine Weste übergestreift, um sich nicht zu erkälten, und gefüttert wurde er mit einer Mischkost, die probiotischen, linksdrehenden Biojoghurt und Beerenmüsli enthielt und gleichermaßen teuer wie unsinnig war. Kalli hinterließ ungeniert Durchfallpfützen mitten auf dem Gehweg, was die Renners komplett ignorierten. Was sollte man da auch aufheben und in einen Beutel tun?

      »Frau Renner, Herr Renner, das tut mir sehr leid. Was ist denn passiert?«

      »Er wurde ermordet! Das war sicher der Hantschke. Oder die Krahmer. Die mit ihren Katzen, die hat unseren Kalli gehasst, nur weil er mal eins von ihren blasierten Biestern gepackt hat.«

      Frau Renner schaute empört in die Runde, die ein bekräftigendes Gemurmel hören ließ. Neben den Renners standen Herr Michalke aus dem Dürener Weg 4, die Ehepaare Schulze und Rohde aus dem Dürener Weg 25 und 39, das Ehepaar Hartmann aus dem Stolberger Ring 39 sowie Carola Sabersky aus dem Dürener Weg 21. Die Saberskys wohnten neben Hantschke.

      Fifi, die Pudeldame von Frau Michalke, mit der jetzt immer Herr Michalke unterwegs war, seit er vor einem halben Jahr in den Frühruhestand gegangen war, ließ sich gründlich von Bismut, dem Rüden undefinierbarer Herkunft der Hartmanns, beschnuppern. Die Hartmanns waren beide Chemiker, und ihr Hund Bismut hatte tatsächlich die leicht ins Rosa gehende weiße Färbung, die so typisch für dieses Element gleichen Namens war. Außerdem, so Herr Hartmann, zeichnete den Hund die gleiche schlechte Leitfähigkeit wie das Metall aus: Er zeigte sich generell eher desinteressiert an den Rufen seiner Besitzer, und waren sie ohne Leine unterwegs, konnte es oft Stunden dauern, bis er wiederauftauchte.

      Horst, der Basset von den Saberskys, lag von allem unbeeindruckt im Schatten eines geparkten Autos. Carola Sabersky und ihr Mann Arne hatten vier Kinder, die alle extrem sportlich waren. Carola hetzte ständig hin und her, um sie zu diversen Trainingsorten zu fahren, nachdem sie sie von zwei verschiedenen Schulen eingesammelt hatte. Lea dachte wie immer, wenn sie Carola sah, an Berge von Wäsche, die dort täglich durch die Maschine laufen mussten. Alle Kinder spielten Hockey, dazu kam noch Tennis bei Nicole, der Mittleren, Fußball bei Marcel, dem Kleinen, und Baseball bei den Zwillingen Yannick und Noah, den Ältesten. Carola Sabersky hatte das Gemüt einer Holsteiner Stute und leider auch deren Statur, wie sie selbst sagte. Ohne diese beiden Eigenschaften würde sie vermutlich in der Klapse enden, betonte sie ebenfalls recht regelmäßig, bevor sie wieder mindestens fünf Einkaufstüten vom Auto ins Haus schleppte. Carola und Arne schliefen im ausgebauten Keller, damit die Kinder jeder ein Zimmer für sich im Obergeschoss hatten, die Zwillinge teilten sich das größte. Sie hatten eine zweite Garage angemietet, um ihre Sportgeräte und Kisten voller Kleidung, Bücher und Kinderspielzeug unterzubringen, die Carola seit Jahren sichten und ausrangieren wollte. Es konnte einem schwindlig werden, wenn man die sechs


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