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Vier Pfoten und drei Koffer. Helge SobikЧитать онлайн книгу.

Vier Pfoten und drei Koffer - Helge Sobik


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nicht ins Bett – und anderswo sowieso nicht. Bis meine damalige Freundin ihn einlud und ich feststellte, dass diese Nähe nicht nur ganz natürlich, sondern auch Ausdruck von Vertrauen ist. Und dass mein Hund kein Hofhund, sondern ein Haushund war. So ein besonderer wie Hoover. Mit ganz besonderer Bindung.

      Hoover durfte schon als ganz kleiner Welpe ins Bett, als ans aktive Zusteigen noch nicht zu denken war und er noch hereingehoben werden musste. Das hatte auf Anhieb Vorteile, weil er dort anders als in seinem Körbchen richtig gut schlief und nur noch halb so oft mitten in der Nacht in den Garten musste. Und weil es bei Hunden nicht anders ist als bei Kindern: Je mehr davon nach und nach ins Rennen gehen, desto großzügiger wird man in der Erziehung.

      Trotzdem gilt diese Regel: Er steigt als letzter zu und auch dann erst auf das Kommando »Jetzt komm«, nie auf eigenen voreiligen Beschluss. Und erst recht nicht alleine. Ohne Mensch auf der Pritsche ist das Bett tabu für den Hund.

      Bei seinem ersten Hotelaufenthalt nach einem langen Fahrtag in der Nähe von Perpignan sieht er das plötzlich ganz anders. Von den zwei Einzelbetten im Hotelzimmer sucht er sich, kaum dass wir den Raum betreten haben, das linke aus, springt drauf, schaut mich ganz kurz an, eher beschließend als fragend. Dann wälzt er sich auf der angejahrten Tagesdecke und strampelt mit allen Vieren in der Luft. Glücklich darüber, dass wir endlich irgendwo angekommen zu sein scheinen, wo wir wenigstens ein bisschen bleiben.

      Aus dem Kommando »Runter!« wird in der letzten Millisekunde, bevor ich es ausspreche, ein im Ton ebenso wie inhaltlich wesentlich freundlicher aufgestelltes »Ach, ist ja auch egal«. Und gleich danach: »Schließlich hast Du bezahlt«. Denn tatsächlich hat die Rezeptionistin ein Stockwerk tiefer keine drei Minuten zuvor zehn Euro Aufpreis für den Hund kassiert. Den muss er auch erwohnen dürfen – abwohnen nicht unbedingt, aber erwohnen schon. Selbst in einem derart winzigen Zimmer mit kaum mehr an Ausstattung als diesen zwei Betten und einem Duschbad mit Toilette. Und mit unbegrenzt viel Leitungswasser aus dem Hahn, ganz ohne Blubberblasen.

       Das Hotelzimmer verteidigen

      Meistens ist es ein Vorteil, wenn das Hotelzimmer nicht direkt ans Treppenhaus oder den Fahrstuhl grenzt. Vor allem dann ist das sinnvoll, wenn diesseits der mit dunkelblauem Kunststoff in mäßigem Schick furnierten Spanplatte mit dem Plastikgriff, die hier als Zimmertür fungiert, nachts ein ausgewachsener Flat Coated Retriever auf dem Bett sitzt und erst tieftönig knurrt, dann sogar ein, zwei sonore Bell-Töne absondert, sobald irgendwer oder irgendetwas draußen auf dem Korridor vorbeischlurft, sich womöglich sogar räuspert, gar spricht oder, ganz fatal, unsere Plastiktür streift!

      In diesem Etappenhotel jedenfalls wird der superfriedliche Hoover zum aufmerksamsten Wachhund der Welt, der jedem Hotelflurpassanten sofort und völlig zweifelsfrei signalisiert, dass dies hier für diese Nacht unser Zimmer ist. Dass er hier residiert und nicht gedenkt, eine Sekunde unaufmerksam zu sein oder in wohl verdienten Tiefschlaf zu verfallen. Denn er ist hier, um Herrchen und unser Hab und Gut – insbesondere die Tüte mit den abgepackten Reiseportionen seines Futters – zu bewachen. Und er ist hier, um sicherzustellen, dass wir unsere Weiterreise morgen früh mit sämtlichen Habseligkeiten einschließlich Plüsch-Tintenfisch der zweiten Generation und Stoffente antreten werden. Und natürlich mit meinen paar Sachen. Um den größten Hundsurlaub aller Zeiten anzutreten und ein Ziel anzusteuern, das noch toller sein muss als der beste Autobahnrastplatz in der Eifel. Obwohl ich wohlweislich um ein Zimmer an Ende des Korridors gebeten und auch eines der hintersten Quartiere zugeteilt bekommen hatte, gibt es offenbar noch weiter hinten an der Fluchttreppe Kammern. Jedenfalls ist auf dem Flur im Laufe der Nacht ganz schön was los. Mal sind es bloß Schritte, dann klingt es so, als zöge jemand eine ganze Flottille Rollkoffer hinter sich her und rempele nebenbei mit einem Rucksack immer wieder gegen die Wände.

      Hoover springt vom Bett, baut sich direkt hinter der Zimmertür auf und lässt Geräusche erklingen, von denen ich bis dahin nicht wusste, dass er sie irgendwo in der Tiefe seiner Kehle erzeugen kann. Und dass er es will. Irgendwie bin ich gerührt, rolle mich aus dem Bett, schlurfe die zweieinhalb Schritte bis zu ihm, lobe und streichele ihn. Sofort wedelt er wie wild, will mich abschlabbern, um gleich darauf den Kopf schief zu halten, konzentriert zu horchen und noch mal zu knurren.

      Später in der Nacht scheint jemand mit Hund ein- oder auszuchecken. Und das Exemplar wefft zwei-, dreimal im Flur. Wieder ist Hoover sofort hellwach und antwortet, halb in einem Tonfall, der nach »Hier ist Verstärkung, sag Bescheid, wenn Du Hilfe brauchst« klingt. Und zur anderen Hälfte schwingt mit: »Meine Tür. Mein Zimmer. Mein Herrchen. Meine Entensammlung. Weitergehen ist sicherer.« Ich muss schmunzeln. Und endlich ist nichts mehr. Wir schlafen für den Rest der Nacht tief und fest. Ich erhole mich von den Strapazen der Fahrt und all der Konzentration hinterm Steuer, Hoover erholt sich vom Kräfte zehrenden Schlafen auf der Rückbank während des langen Fahrttages. Bis von irgendwoher ein Hahn kräht, ich die Gardine aufziehe, draußen ein paar Pinien und Zypressen im Vordergrund und die Ausläufer der Pyrenäen im Hintergrund sehe. Ich öffne das Fenster, rieche den Süden. Und Hoover springt an der Fensterbank hoch, schaut ebenfalls und bläst die Nasenflügel richtig auf. Was er einatmet: Frühlingsluft, während zuhause gerade Schnee fällt.

       Einer muss den Hund nehmen

      Kaum dass wir angekommen sind und eine Nacht geschlafen haben, geht es schon wieder weiter. Ich greife nach Tüten, Taschen, Rucksack, habe zuvor Futternapf und Wasserschale wieder verstaut, um unser Hab und Gut wieder hinunter zum Auto zu schleppen. Hoover schaut mir direkt ins Gesicht, und seine Pupillen scheinen sich zu zwei großen Fragezeichen zu verformen. Was kann bloß unser Ziel sein? Haben wir überhaupt eines? Wofür all die Winterschlafstunden auf der Rückbank, die Bifis, die Kauknochen und die vielen Kurz-Stopps an den Kassenautomaten der Maut-Autobahn? Er ist irritiert. Und er ist aufgeregt, wedelt, dreht sich im Kreis, fürchtet, schon wieder vergessen werden zu können – zumal ich gar keine Hand mehr frei habe, um auch noch die knallrote Leine zu greifen, die er bei all seinen Drehungen hinter sich her rotieren lässt.

      Ich sage »Aber einer muss den Hund nehmen« und leite so unseren neuesten gemeinsamen Spaß ein. Hoover ist sofort voll konzentriert, schaut mich wieder fragend an, ob nun auch der nächste Satz folgt, der zu diesem Spielchen gehört. Und da ist er auch schon: »Nimmst Du den Hund?«, frage ich und sofort fasst er mit den Zähnen in die Schlaufe der Leine und führt sich selber. Sind Zuschauer dabei, ernten wir damit immer einen kleinen Lacherfolg. Noch kurzweiliger ist es geworden, seit Hoover die Nummer erweitert hat und die Leine unaufgefordert noch mal kurz fallen lässt, um sie in erstaunlicher Geschwindigkeit in drei exakt gleich lange Elemente zusammenzulegen, die er dann wiederum mit dem Maul greift. Nichts hängt jetzt mehr durch, nichts schleift über den abgewetzten Teppichboden. Er hat sich selber an der kurzen Leine. Manchmal nimmt er auf dasselbe Kommando hin die Leinen anderer Hunde ins Maul und zerrt die Artgenossen sehr resolut durch Feld und Flur. Es scheint, als ob es sich sehr förderlich auf sein Selbstbewusstsein auswirkt, ihm derlei Verantwortung zu übertragen. Und sei es für einen Moment.

      Jetzt brauche ich nur noch einmal kurz zu horchen, ob auf dem Hotelflur gerade freie Bahn ist, sage »Aber schön hier bleiben« und öffne die Zimmertür. So diszipliniert wie niemals, wenn ich die Leine halte, trabt er nun neben mir her, sichtbar stolz, dass er sich um diesen großen schwarzen Hund kümmern darf, um diesen Flat Coated aus dem Norden auf großer Fahrt. Um sich selbst.

      Erst knapp diesseits der Tür zu Lobby und Rezeption sortiere ich im Gehen das Gepäck um, hangele dann mit der frei gewordenen Hand nach seiner Leine, sage »Und jetzt nehme ich aber wieder den Hund«, bekomme die Strippe bereitwillig ausgehändigt und checke aus.

      Ehe wir weiterfahren, steht nur noch ein kurzer Spaziergang unter Pinien durch den kleinen Park nebenan auf der Tagesordnung, damit aller Ballast aus Hundeblase und Hundegedärm vor der Weiterfahrt noch eben der Natur überantwortet werden kann.

       Der Blechmann hinterm Rasthof

      Der Hinweis »Da sind ja Leute!« oder auch die Variation »Guck mal, da kommen Leute!«


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