Der Duft von Pfirsichen. Denise HunterЧитать онлайн книгу.
das Kyle gestolpert war. Zoe tröstete das Kind in ihren Armen. Ein dunkler Faden Blut rann ihr aus dem Mundwinkel.
Eine dunkle Wolke Wut überkam ihn, und er drängte nach vorne, wollte ausbrechen. Fast hätte er es geschafft, aber Brady packte ihn noch einmal, und jemand anderes schnitt ihm den Weg mit ausgebreiteten Armen ab.
„Der Sheriff ist unterwegs“, sagte Brady. „Komm schon, beruhige dich. Wir wollen das alles nicht noch schlimmer machen.“
Hope half Zoe auf die Beine. Ihre Arme schlossen sich enger um ihre Tochter, deren Weinen zu einem leisen Schluchzen geworden war. Sie hatten sie schnell überprüft und nur einen Kratzer auf Gracies Bein gefunden.
Zoe wurde sich der sich ansammelnden Menschenmenge bewusst, wurde sich Cruz´ Anwesenheit bewusst, der von ihrem Bruder zurückgehalten wurde und Kyle wutentbrannt ansah.
Hitze stieg ihr in den Kopf, bis ihr ganz schwummerig war.
„Und das ist jetzt also der Dank?“, fragte Kyle mit kratziger Stimme und sah sie aus zusammengekniffenen Augen an. „Dafür, dass ich dich versorgt habe, mich gekümmert habe um …“ Er schaute Gracie bedeutungsvoll an und hob seinen Blick dann grausam drohend zu ihr.
Zoes Herz blieb stehen. Ihre Arme fassten Gracie fester. Er würde es nicht sagen. Er würde eher sterben, als die Wahrheit zu sagen. Das Geheimnis preiszugeben, das es ihm erlaubte, sie zu besitzen. Zu kontrollieren. Das es ihm jetzt ermöglichte, über Cruz zu herrschen, ganz nah und persönlich.
Der Moment zog sich in die Länge, die Zeit verging schleichend.
Endlich presste Kyle seine Lippen zusammen und hob hämisch die Mundwinkel. Er machte eine Bewegung in ihre Richtung, aber ein paar Kerle sprangen ihm in den Weg, und jemand packte ihn von hinten.
„Der Sheriff ist unterwegs, Kyle“, sagte einer. „Besser, du verschwindest hier, bevor er eintrifft. Du willst doch nicht in den Knast, oder?“
„Der geht nirgendwohin“, sagte Brady. „Der Knast ist genau das, was er verdient hat.“
Dem Blick auf Cruz‘ Gesicht nach war das auch genau das, was er wollte.
„Nein“, sagte Zoe. „Bitte … Ich will einfach nur, dass er verschwindet. Das war genug Drama für einen Abend.“
„Dann lässt du es besser, Kyle“, sagte jemand.
Kyle durchbohrte Zoe mit einem furchterregenden Blick und nannte sie etwas, das ihr Gesicht merklich wärmer werden ließ.
„Das reicht jetzt, Kyle!“, sagte Brady, der sich bemühte, Cruz weiter festzuhalten.
„Ohne mich bist du gar nichts!“, brüllte er.
In Zoes Kopf lichtete sich der Nebel. Sie sah die Szene und hörte Kyles Worte mit einer Klarheit, die sie lange nicht mehr empfunden hatte. Erinnerte sich an all die Arten und Weisen, mit denen er sie manipuliert, wie er sie kleingehalten, wie er sie zurückgehalten hatte.
Ihr Rücken reckte sich, als sie ihm geradewegs ins Gesicht sah. Sie war fertig. Sie war fertig damit, seinen Willen zu tun. Fertig damit, ihre Gefühle beiseitezuschieben. Fertig damit, jemand zu sein, den sie nicht einmal erkannte.
„Geh einfach, Kyle“, sagte sie.
Kyle stach mit dem Finger nach ihr. „Wir sind fertig! Ruf mich nicht an. Schreib mir nicht. Hörst du mich, Zoe? Du bist fertig.“
Er riss die Autotür auf und stieg ein. Eine Sekunde später drehten die Räder durch und feuerten Grasbüschel hinter sich. Dann schoss der Wagen aus der Parklücke.
„Ich bin fertig mit dir“, flüsterte sie.
KAPITEL 6
Zoe saß in Hopes Büro im Rusty Nail. Allmählich wurde ihr das Ausmaß des Ganzen bewusst.
Der Sheriff war aufgetaucht, als Kyle gerade weg war. Sie hatte keine Anzeige erstattet, obwohl alle sie dazu ermutigt hatten. Sie wollte einfach, dass diese Nacht endlich ein Ende nahm. Ein Sanitäter hatte sich um Gracie und sie gekümmert. Alles würde schnell wieder gut werden.
Körperlich zumindest.
Nachdem der Sheriff sich verabschiedet hatte, zerstreute sich die kleine Menschenmenge, kehrte zurück zu Freunden und unterbrochenen Unterhaltungen. Jetzt stand ein ganz neues Gesprächsthema auf dem Zettel. Bis morgen früh würde der Tratsch sich in der ganzen Stadt verbreitet haben.
Die Musik spielte weiter, der Bass war bis ins Büro der Geschäftsleitung zu hören.
Hope tupfte Zoes Lippe vorsichtig mit einem Papiertaschentuch ab. „Tut mir leid, falls das wehtut.“
„Alles gut.“
Im Waschraum nebenan wusch Brady Gracies Bein ab, und Cruz stand wie ein Schutzengel in der Bürotür. Mit seinen angespannten Gesichtsmuskeln und den dunklen, bohrenden Augen sah er respekteinflößend aus. Eines dieser Augen schwoll gerade an. Am Morgen würde er ein ordentliches Veilchen haben. Seine Arme waren vor dem Körper verschränkt. Unter den Ärmeln wölbten sich seine Muskeln. Nicht ein einziges Mal hatte er mit ihr gesprochen.
Erst jetzt fing Zoe an, den Schmerz in ihrem Unterkiefer zu spüren. Das würde ein blauer Fleck vom Feinsten werden. Aber die Verletzung war nichts, verglichen mit der dämmernden Erkenntnis, was ihre Umstände anging.
Kyle war weg. Er war mit Gracies Kindersitz verschwunden – mit ihrem Auto. Seinem Auto, ermahnte sie sich. Es lief auf seinen Namen. Wie alles andere auch, von dem sie sich gerade verabschiedet hatte. Vermutlich hielt er auf seinem Weg aus der Stadt hinaus kurz am Hotel und nahm alles mit, was sie mitgebracht hatten.
„Was habe ich nur gemacht?“ Mit zitternden Fingern umklammerte sie ihre Handtasche – ihre letzte Habseligkeit.
„Etwas, das du schon längst hättest tun sollen“, sagte Hope entschieden.
„Du verstehst das nicht.“
„Er hat dich geschlagen, Zoe. Das ist nicht okay.“
„Ich weiß.“
Zoe zuckte schmerzhaft zusammen, als Hope die Wunde abtupfte. Aber die Verletzung tat nicht annähernd so weh wie ihr Stolz. War sie so tief gesunken?
„Entschuldigung.“ Hopes Berührung wurde sanfter. „Hat er das schon mal gemacht?“
„Nein.“
Hope zog die Augenbrauen über den grünen Augen hoch und schaute sie skeptisch an.
„Hat er wirklich nicht.“ Vielleicht hatte er sie ein- oder zweimal geschubst. Aber nur, wenn sie ihn wirklich aufgeregt hatte. Und zu Gracie war er immer nur lieb gewesen.
Gracie.
Sie hatte nicht einmal Kleidung zum Wechseln für die Kleine. Oder einen Schlafplatz. Sie schloss die Augen, während der Sorgenpegel anstieg wie ein Bach im Frühling.
„Es wird alles gut werden“, sagte Hope. „Wirst schon sehen.“
„Ich habe kein Auto. Ich habe keine Arbeit“, sagte sie leise; sie wollte nicht, dass Cruz oder Brady das hörten. „In meiner Handtasche habe ich nur zwanzig Dollar! Meine Kreditkarte läuft auf seinen Namen, die wird er sperren lassen.“
Hope umfasste ihre ruhelosen Hände. „Du hast eine Familie, und wir werden uns um dich kümmern.“
Zoe riss sich los. „Ich will mich nicht umsorgen lassen!“
Sie hatte es so satt, umsorgt zu werden. Hatte es satt, andere Leute Entscheidungen für sie treffen zu lassen. Wie hatte sie es nur so weit kommen lassen? Früher war sie so unabhängig und mutig und kämpferisch gewesen. So wie Granny. Das hatten alle gesagt.
„Du hast das Bauernhaus und die Plantage. Lass uns einfach einen Tag nach dem anderen angehen.