Amerikanische Satiren. Albrecht ClassenЧитать онлайн книгу.
zwischen zwei kleine Personenwagen? Na, das soll dann die Versicherung klären. Und der Spritverbrauch? Mensch, damit solltest du mich aber wirklich nicht belästigen. Dafür gibt es Kreditkarten, und wie viele Meilen ich pro Gallone fahren kann, geht wirklich niemanden an. Hauptsache, der Motor brummt so richtig kräftig und demonstriert meine eigene Männlichkeit. Ja, in Amerika macht es noch Spaß, sich auf der Straße motorisiert zu bewegen. Da brauche ich gar keine Viagra-Pillen mehr und fühle mich wie ein Cowboy aus den alten Tagen.
AMERIKANISCHE POLITIK
Wir können schon stolz darauf sein, einen Präsidenten zu haben, der laut eigener Aussage der genialste, begabteste, intelligenteste und fähigste Führer unseres Landes sei. Mir ist zwar nicht ganz klar, wer ihn gewählt haben könnte, aber die Neuentwicklung Amerikas als großartigstes Land der Welt kann nun endlich ohne jegliche Einschränkungen vonstatten gehen. Umweltschutz und Hilfe für die Einwanderer, was für törichte Vorstellungen! Sozialwesen und Energieeinsparungspläne können wir nun in die Mottenkiste der Vergangenheit stecken. Dazu kommen natürlich sofort die Frauen, die allesamt zurück in die Küche geschickt werden, oder einfach ins Ehebett. Wenn unser Präsident einmal an die Muschi packt, dann ist das ja aus männlicher Sicht ganz in Ordnung, selbst die Evangelikalen stecken das einfach weg. Von den Homosexuellen wollen wir mal gar nicht reden, die werden sowieso an der Wand plattgedrückt.
Lieber Präsident, wie wahr, wir sind eine weiße, christliche Nation. Wer das nicht anerkennt, braucht sich gar nicht erst anzustellen, um Hilfe vom Staat zu erhalten. Es geht alles nur um Golf, auf höchster Ebene, und wer nicht mitspielen will, und auch nicht seine Millionen Dollar Mitgliedsgebühr zu bezahlen bereit ist, soll sich gleich verkrümeln. Heil Donald, so heißt es heute im Weißen Haus. Woher aber diese weiße Weste kommen mag, ist mir schleierhaft. Vielleicht hat man sie in Moskau gestrickt? Überhaupt, wir sollten alle Russisch lernen, um die von dort ausgesandten Befehle besser verstehen zu können. Da, da, da.
Leider gibt es Millionen von Latinos, die hier im Lande geboren sind, von den anderen Nicht-Weißen mal ganz zu schweigen. Aber der gute Donald hat natürlich so seine eigenen Vorstellungen und wird sie alle ganz schnell jenseits seiner Mauer katapultieren, wenn sie denn mal gebaut sein sollte. Auf Biegen und Brechen soll da so ein Bauwerk entstehen, das eigentlich niemand will, das in Wirklichkeit gar nicht möglich sein wird, das aber höchst publikumswirksam die Vorherrschaft der weißen Rasse betonen wird, die schon längst zur Minderheit gehört und immer noch auf die weiße Bibel pocht, die stets schon völlig vielfarbig gewesen ist. Oh mein Gott, welche üblen Früchte wachsen da heran?
Früher hatten wir noch eine Regierung, die so halbwegs erwachsen wirkte, Ich weiß zwar nicht, was ich über den George Bush Junior oder Ronald Reagan sagen soll, aber Schwamm darüber, Verfehlungen hat es schon immer gegeben. Wir wollen einmal gutwillig annehmen, dass es auch in der Vergangenheit einen demokratischen Prozess gegeben haben mag, aus dem tatsächlich der in Mehrheit gewählte Präsident herausgekommen sein könnte. Wie gut nur, dass wir uns im Konjunktiv auszudrücken vermögen. Immerhin, es gab eine Wahl, und bisher entschied man sich, wie man so dachte, für den besseren Kandidaten, oder die bessere Kandidatin. Inzwischen aber hat sich der grüne Kerl, der Dollarschein, ganz frech zwischen die Menschen und die Politiker gestellt, und dies massenhaft. Man mag es nun glauben oder nicht, es könnte einmal ein demokratisches System gegeben haben, in dem ehrlich gewählt wurde. Dies war zwar niemals in den USA der Fall, und auch nicht in der Schweiz, aber träumen ist ja immer noch gestattet.
Was sollte ich denn z. B. von den Schwarzen sagen? Sind sowieso nur ehemalige Sklaven, und da wollen sich die guten christlichen Amerikaner auf gar nichts einlassen. Wer also wählen will, in den USA, muss ganz einfach weiß, christlich und männlich sein, und sowieso nur republikanisch denken. Wer keinen Kleinlaster fährt, wer kein Munitionslager oder eine Galerie an Schnellfeuerwaffen besitzt, kann sich gleich verkriechen, denn heute bedeutet Demokratie eben etwas anderes. Wir sind endlich wer, aber halt nicht mehr Gastfreunde für die Flüchtlinge aus der ganzen Welt. Dort soll man ruhig unsere Waffen kaufen, schön Krieg führen, ohne Bedenken die Natur ausbeuten, die Frauen vergewohltätigen oder die Schulen zerstören. Solange der Rubel, ich meine, der Dollar, rollt, sind wir doch mit allem zufrieden. Na, so ganz sicher bin ich mir vielleicht doch nicht.
AMERIKANISCHE SCHULEN
Nun ja, es kostet eine Stange Geld, eine ordentliche Schule zu betreiben. Wir brauchen Schuldgebäude, Klassenzimmer, Bücher und Computer, und dann sogar noch Lehrer. Wirklich, wir brauchen Lehrer? Wer sagt denn so was? Klar, in Deutschland und eigentlich im Rest der ganzen Welt ist das selbstverständlich. Schule und Unterricht bedeuten eben, dass Kinder von Lehrern unterrichtet werden. Und die Lehrer kommen mit einer soliden Ausbildung. Auch selbstverständlich. Je besser die Lehrer, desto besser also der Unterricht, und desto größer der Lernerfolg. Dafür haben wir Schulen, und jeder weiß, dass ein Staat oder ein Land nur dann einen guten Standard erreicht, wenn auch die Schulen ein gutes Niveau besitzen. Was rede ich also, was soll dieses Gelaber, das weiß doch jedes Kind; das pfeifen die Spatzen vom Dach?
Tja, meine Lieben, das denkt Ihr nur so, denn es geht auch ganz anders. Bei uns in Arizona versucht man, einen anderen Weg einzuschlagen, um erstens viel Geld zu sparen, und zweitens um die zukünftigen politischen Wähler schön im Unwissen zu halten und ein braves Wahlvolk heranzuzüchten. Oder, noch perfider, um allein den Reichen gute Schulen zur Verfügung zu stellen, während die Mittelklasse und die Armen einfach wegfallen können. Brillantes Konzept, und es breitet sich überall in den USA aus. Da ist Arizona gar nicht so einzigartig, vielmehr nehmen wir eine Vorreiterrolle ein.
Man stelle sich das mal vor, da hat der Gouverneur jüngst ein Gesetz unterschrieben, dass es Schulen erlaubt, als Lehrer eine x-beliebige Person einzustellen, ohne Ausbildung, Zertifikat oder nachgewiesene Qualifizierung. So macht man das, um konservative Politik zu betreiben! Was sollen überhaupt öffentliche Schulen? Die jungen Leute dort sind sowieso viel zu aufmüpfig und lernen alle möglichen verdächtige Dinge, die sie kritisch werden lassen könnten. Man stelle sich bloß vor, wenn sie dann mit achtzehn die Schule verlassen und tatsächlich mündig wären? Dann bestände ja die Gefahr, dass sie Zeitungen oder Blogs lesen, sich online kundig machen und darauf anders wählen, als es die Regierung will! Nur keine geistige Selbständigkeit! Die jungen Leute sollen Geld verdienen, ein Haus und ein Auto auf Raten kaufen, für den Rest ihres Lebens sich verschulden, nicht wählen, Kinder kriegen, und Schluss damit.
Lehrer ohne Ausbildung! Ach ja, das ist ja genauso wie mit dem Fremdsprachenunterricht. Wieso braucht man Fachlehrer dafür? Nehmen wir mal Deutsch, das tatsächlich immer noch an relativ vielen Schulen in Arizona unterrichtet wird. Ein Deutschlehrer, der mit einem M.A. daherkommt und schon Jahre auf der Uni Lehrerfahrung gesammelt hat, kostet doch viel zu viel. Nehmen wir einfach einen ehemaligen US-Soldaten, der einige Jahre in Deutschland verbracht hat und gerade mal sagen kann, ‘ein Bier bitte’, oder, ‘Fräulein, Essen bitte’. Für den ist sowieso alles bloß Bahnhof. Als Lehrer erhält er dann ein Minimalgehalt, keine Sozial- oder Altersversicherung und kann jederzeit gefeuert werden, wenn das Interesse der Kinder an Deutsch sinkt. Die würden in dem Fall sich sowieso nicht mehr in eine Deutschklasse einschreiben, weil dieser Lehrer unfähig wäre, auch nur irgendeine grammatische Konstruktion zu erklären oder die richtige Aussprache zu vermitteln. Wir haben das hier ja immer wieder, dass Deutsche sich an uns auf der Universität wenden, sie würden gerne bei uns unterrichten, sie seien sowieso Muttersprachler und könnten gut etwas Geld gebrauchen. Als ob solche Leute Ahnung von ihrer eigenen Sprache hätten! Wie erklärt man Adjektivendungen, die Rolle von ‘ein’ vor Artikeln, doppelten Infinitiv bei Modalverben im Plusquamperfekt, Passivkonstruktionen bei ‘bleiben’ und ‘lassen’ etc.?
Unser Gouverneur scheint aber genau von der gleichen Vorstellung beherrscht zu sein, Ausbildung sei nicht vonnöten. Vielleicht hat er ja recht, wenn ich mir seinen eigenen Lebensweg ansehe. Finanzwesen hat er studiert, dann krumme Geschäfte gemacht, ein lautstarker Mann, Republican, ja, ein wahrer Führer in unserem freien Staate.
Arizona ist wirklich ein Vorbild, so geht man verantwortlich und effektiv mit den Steuergeldern um, indem man sie