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Amerikanische Satiren. Albrecht ClassenЧитать онлайн книгу.

Amerikanische Satiren - Albrecht Classen


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mehr muss die US-Regierung dafür bezahlen. Die Arizona-Regierung erlässt daher immer mehr Gesetze, um immer mehr Menschen auch nur wegen kleinster Vergehen gefangen zu nehmen, und schon floriert das Geschäft. Wem gehören aber diese Privat-Gefängnisse? Ja, es sind Gefängnisse in privater Hand, die die Regierung erheblich für jedes Gefangenenbett belangen. Je mehr Menschen in eine Zelle gepfercht werden können, desto mehr Geld für das Unternehmen! Ganz einfach, und die konservativen Parlamentarier haben das schon längst spitz bekommen und arbeiten daher kräftig darauf hin, immer härtere Gesetze erlassen. Ich fürchte, die haben alle klammheimlich ihre eigenen Finger im Spiel. Aber bitte, zitiert mich hierbei nicht. Ich werde alles ableugnen und mich als guten Staatsbürger beweisen, der gar nichts von Schulen hält und jubelt, wenn die Regierung weniger dafür ausgibt. Nur, ich lehre an der Universität, und wie soll das denn bei uns laufen, wenn diese jungen Menschen sich einschreiben und völlig unbedarft sind. O tempora o mores!

      Zurück aber zum Schulsystem, das einen immer geringeren Prozentanteil im Gesamtbudget der Regierung einnimmt als die Gefängnisse. Je schlechter die Schulen sind, desto weniger lernen die Schüler. Wenn sie dann den Abschluss machen, finden sie keine guten Arbeitsstellen, und dann verdienen sie auch wenig. Viele wenden sich daher dem Drogenhandel zu oder begehen Verbrechen, und schon schlägt die Falle zu. Willkommen im Privatgefängnis!

      Schule und Abschluss habe ich gerade gesagt. Das ist hier wirklich ein Witz, und schon immer so gewesen. Amerikanische Schüler gehen zur Schule und verbringen dort gemütlich ihre Zeit, denn Hausaufgaben müssen sie ja sowieso nicht machen. Prüfungen gibt es wenige, und wenn, dann nur Standardtests in den Naturwissenschaften und Mathematik. Eigentlich kommen die meisten Studenten mit Null-Wissen an die Universität, weil sie die meiste Zeit mit Geldverdienen verbracht haben. Gut, diejenigen, die Deutsch an der High Scholl belegen, sind meistens höher qualifiziert, aber ansonsten hat man von Tuten und Blasen keine Ahnung, ehrlich.

      Das kann jetzt also nur noch besser werden. Die Schüler besitzen keinerlei Wissen. Die neuen Lehrer kommen von irgendwoher, verstehen zwar eventuell etwas von der Sache, können sie aber nicht erklären. Die Schüler merken das schnell und wählen dann das jeweilige Fach mit ihren Füßen ab. Herrlich, herrlich, die staatlichen Ersparungen werden immer besser. Aber mein Vorschlag geht natürlich noch viel weiter. Wäre es nicht insgesamt viel vernünftiger, alle öffentlichen Schulen abzuschaffen und allein private Schulen zu fördern, denn die Trennung von Staat und Kirche ist schon lange unterlaufen. Die Reichen verdienen es bestimmt, vom Staat extra Geld für ihre Kinder zu bekommen. Die Armen brauchen all das unnötige Wissen gar nicht mehr, denn sie lesen sowieso keine Zeitungen, keine Gebrauchsanleitungen, keine Bücher. Bei McDonald muss man ja nur auf Knöpfe mit Bildern drücken. Wozu also Schulen?

      Ach, ich lebe wirklich in einem glücklichen Bundesland! Wir haben so viel Sand in unserer Wüste, was bestimmt für all unsere Politiker ausreichen dürfte, die so gerne den Kopf in den Sand stecken. Nach mir die Sintflut, eh, ich meine, nach mir die totale Dürre, auch an den Schulen!

       AMERIKANISCHE VERKEHRSORDNUNG

      Autofahrer in Europa würden diese amerikanische Verkehrsregelung schätzen und darauf pochen, dass sie auch bei ihnen eingeführt werden sollte. In Europa ist alles so furchtbar hierarchisch geordnet, mit Vorfahrtsstraße und Nebenstraße. Die einen haben halt Vorfahrt, die anderen müssen warten. Wenn kein Schild zu sehen ist, gilt einfach, dass derjenige, der von rechts kommt, zuerst fahren darf.

      Aber in Amerika ist man viel freundlicher und demokratischer. Der Verkehr muss ja nicht so strikt reglementiert sein, und so kommt es zu der verblüffenden Situation, dass in zahllosen Nachbarschaften die Autofahrer an Kreuzungen gelangen, wo nicht zwei, sondern vier Stoppschilder stehen. Schön eins für jede Straße. Das ist super gut, denn somit muss zunächst einmal jeder stehen bleiben, muss sich umschauen, dem anderen zunicken, ein paar Zeichen austauschen, dann kurz nachdenken, schließlich vorsichtig losfahren, und schon, rums, haben sich alle vier Autos schön in der Mitte getroffen, ein kräftiger Materialschaden. Hm, wer hatte also Vorfahrt? Wer hätte die Lage bestimmen sollen? Macht doch alles nichts, denn nun kommen die Rechtsanwälte zum Zuge und werden gut an den Verhandlungen verdienen. Die Autoversicherungen sind auch nicht die Gedeppten, denn sie versuchen natürlich, jeden einzelnen Fahrer für fehlerhaftes Fahrverhalten schuldig zu erklären. So dreht sich das Karussell.

      Aber was soll man denn machen an dieser Kreuzung? Natürlich bleibt man stehen, wartet, versucht dann, sich zu orientieren, fragt sich, wie man sich entscheiden soll, und genau dann, wenn man sich endlich entschieden hat und losfährt, machen die anderes das ebenfalls. Das Resultat ist dann so wie oben beschrieben. Ich aber bin Fahrradfahrer, und weiß wirklich nicht, wie ich mich verhalten soll. Da stehe ich also an der Kreuzung, der Autofahrer auf der anderen Seite rührt sich nicht, ich winke heftig, er solle fahren, aber weil seine Autoscheiben dunkel gefärbt sind, kann ich ihn nicht sehen. Also entscheide ich mich endlich, die Vorfahrt zu nehmen, nur hat er wohl meine Zeichen missverstanden und fährt ebenfalls los. Meine Güte, wieviele Fast-Unfälle habe ich da schon erlebt.

      So kann man also Demokratie auch praktizieren; am Ende fährt dann am besten wohl keiner mehr. Man sollte aussteigen, sich kennenlernen, ein wenig plaudern, dann einfach umdrehen und eine andere Kreuzung suchen, wo niemand mich gefährden könnte. Vielleicht sollte man in der Zukunft kleine eingepackte Geschenke mit sich führen, um den Verkehrspartner, der bei der Kreuzung sich auch nicht weiterzufahren getraut, etwas bei der Begegnung zu überreichen und ihn oder sie freundlich zu stimmen. Man könnte ja dadurch das Recht eingeräumt bekommen, als erster zu fahren. Nur, nach all den Bemühungen, an der Kreuzung das soziale Geflecht auseinander zu wirren, ist dann so viel Zeit verstrichen, dass ich dann sowieso nicht mehr weiterfahren muss, habe ich ja meinen Termin schon längst verpasst. Es geht also gleich wieder nach Hause, wo ich mir über einen Kaffee Gedanken darüber machen kann, warum amerikanische Kreuzungen solch ein Problem darstellen. Ein Philosoph sollte sich dieser Aufgabe mal annehmen.

       ANGST VOR DER DUNKELHEIT

      Ohne Zweifel, in Amerika hat man Angst vor der Dunkelheit. Nachts darf es nicht richtig dunkel werden. Vielleicht steckt dies ganz tief in der amerikanischen Psyche, Flucht aus der alten, dunklen Welt? Ich bin mir da nicht so ganz sicher, ich weiß nur, dass es überall das gleiche Phänomen ist: Fußballstadien schalten ihre Flutlichter irgendwann mal früh morgens aus, nur nicht nachts. Stromkosten – ignorieren wir mal. Shopping Malls sind ein Lichtermeer, und man kann richtig darin baden, so viele Lampen scheinen überall. Interessant ist aber für mich insbesondere, wie die Situation bei der Arbeit aussieht. Abends, wenn ich noch einmal zum Büro zurückkehre und wirklich genau sagen kann, dass kein anderer mehr da ist, begrüßen mich freundlich lächelnd alle Rechner-Monitoren, hell strahlend; die Flurlampen werden nie gelöscht, manche Büros sind herrlich ausgeleuchtet, die ganze Nacht. Was soll’s aber auch? Stromrechnungen werden erst später bezahlt, und der Strom kommt sowieso aus der Steckdose, da braucht man nicht weiter nachzudenken.

      Ich in meiner sturen deutschen Art gehe dann von Rechner zu Rechner, von Lichtschalter zu Lichtschalter und schalte alles systematisch, ordnungsliebend, aus. Spare ich nicht damit auch etwas Strom? Ich glaube schon, aber keiner achtet darauf. Amerika, du hast es wirklich besser, bei dir geht das Licht nie aus.

       ARMUT, WIRKLICH?

      Tagtäglich beobachte ich mit großen Sorgen, wie die Armut in den USA um sich greift. Mir war schon immer bewusst gewesen, dass es viele arme Menschen auch in dem superreichen Amerika gibt, aber dass sie sich so offen auf der Straße zeigen würde, wie es heute immer mehr der Fall ist, war mir bislang nicht bewusst. Ich meine noch nicht einmal die vielen Obdachlosen, die Bedürftigen oder verarmte Frauen, die dringend einen Unterschlupf brauchen. Davon gibt es genügend in jeder Stadt, an vielen Straßenecken, an Bushaltestellen, an Bahnhöfen usw. Das ist alles schlimm und sehr traurig, aber heutzutage fällt mir die Armut sogar im Alltag auf, in Geschäften, auf Banken, in den Schulen, auf der Universität, überall. Was aber meine ich damit, woran denke ich? Nun, die Situation macht sich gerade bei jungen


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