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Der undankbare Kontinent? - Группа авторов


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Nominierungsliste für einen Preis gestrichen, nach Protesten der Jury wieder eingesetzt.3 Henri Guaino, Ministerialbeamter und Sarkozys Ghostwriter, hat seine Positionen verteidigt und seine afrikanischen Kritiker persönlich angegriffen. Die angesehene Zeitung Le Monde stand insofern im Zentrum der Auseinandersetzungen, als sie sich weigerte, eine (ziemlich polemische) Replik des Herausgebers Makhily Gassama auf einen Artikel abzudrucken, in dem sich Philippe Bernard abschätzig über das Niveau der Beiträge zu L’Afrique répond à Sarkozy geäußert hatte (»Sammlung von Absurditäten und Halbwahrheiten«). Die Diskussion zeigte insofern Wirkung, als weitere Sarkozy-Reden, gehalten in Tunis, Constantine und Kapstadt, viel umsichtigere Formulierungen aufwiesen als der Text von Dakar, so dass bei oberflächlicher Betrachtung der Eindruck entstehen könnte, die letztgenannte Rede sei eine Art Unfall gewesen, auf die einige Afrikaner vielleicht übertriebene Reaktionen an den Tag legten. Wer sich auf diese Affäre einlässt, läuft somit Gefahr, in ein tagespolitisches Kreuzfeuer zu geraten und seinerseits von da oder dort attackiert zu werden. Was soll es bringen, sich einzumischen und Nicolas Sarkozy über die zahllosen Klischees, die er seinen afrikanischen Zuhörern zumutete, aus der Sicht einer zentraleuropäischen Universität belehren zu wollen, wenn diese Arbeit bereits von informierten Afrikanern sehr weitgehend geleistet wurde?4

      Die Motivation des Teams, das sich im Sinne der Herausgabe und Übersetzung engagierte, ist komplex. Zweifellos machte der polemische Elan, der die Stellungnahmen einer so großen Zahl von afrikanischen Universitätslehrern, Schriftstellern und Kulturschaffenden inspirierte, Eindruck. Angesichts des Sarkozy-Textes, dessen Schwächen auch aus europäischer Sicht leicht erkennbar sind, fiel es den RomanistInnen aus Österreich nicht schwer, die Empörung der Afrikaner zu teilen. Bei distanzierterer Betrachtung wurde aber bald klar, dass spontane Anteilnahme und Solidarisierung als Basis des Projektes nicht als alleinige Maßstäbe bei der Auswahl der Texte dienen durften. Es galt vor allem, die Wiederholungen von Themen und Argumenten, die bei einer Sammlung von Stellungnahmen zu ein und demselben Objekt unvermeidlich sind, so weit wie möglich in Grenzen zu halten. Eine solche Strategie setzte voraus, dass nur solche Beiträge für die Übersetzung ausgewählt wurden, deren Informationswert – speziell im Hinblick auf die Interessen einer zentraleuropäischen Leserschaft – besonders hoch war und die einander durch komplementäre Schwerpunktsetzungen wechselseitig beleuchteten. Tatsächlich stellte sich bei sorgfältiger Durchsicht der »Antworten auf Sarkozy« heraus, dass die Mehrzahl der AutorInnen bemüht war, zwischen emotionaler Betroffenheit und sachlicher Konfrontation einen Ausgleich zu finden. Nach Diskussionen entschieden sich die Herausgeber des vorliegenden Bandes für die Bevorzugung jener Texte, die auf den hochtrabenden Ethnozentrismus der Sarkozy-Rede mit besonders durchdachter und fundierter Kritik reagieren.

      Angesichts der stilistischen Besonderheiten der Rede von Dakar muss schon das Bemühen um Sachlichkeit in den afrikanischen Beiträgen als Verdienst anerkannt werden. Denn es war zunächst der archaische Duktus, der bei den Rezipienten der Rede des Präsidenten Erstaunen und Betroffenheit weckte. Sarkozy kam mit bestimmten politischen Absichten nach Dakar, in einer bestimmten europolitischen Konstellation, in der dem Projekt einer Union méditerranéenne ein gewisser Aktualitätswert zukam. Darüber hinaus lag es im Interesse des französischen Präsidenten, bei seinen Zuhörern Verständnis für diverse Zuspitzungen der französischen Afrikapolitik im Zusammenhang mit den Krisen in Ruanda, im Kongo und im Tschad zu suchen. Der Redner hätte also jedes Interesse gehabt, auf seine ZuhörerInnen einzugehen und ihre nicht zuletzt auf der Kolonialgeschichte beruhenden Sensibilitäten zu berücksichtigen. Tatsächlich aber steht die ganze Rede im Zeichen eines Diskurses, der den Sprecher als Künder eines Zivilisa­tionsprojektes ohne glaubhafte Distanzierung vom kolonialen Erbe präsentiert – und zwar mit einem Einsatz von rhetorischen Orgeltönen, der direkt auf das 19. Jahrhundert und die französische Landnahme in Afrika verweist. 1879 hatte Victor Hugo anlässlich eines Banketts, das an die Abschaffung der Sklaverei erinnern sollte, in Anwesenheit von Victor Schœlcher5 die Kolonisierung Afrikas als Wohltat seitens der europäischen Großmächte gepriesen:

      Lasst eure überschüssige Kraft in dieses Afrika strömen und löst so mit einem Schlag eure Sozialprobleme, indem ihr aus euren Proletariern Besitzende macht. Geht hin, seid aktiv! Baut Straßen, baut Häfen, baut Städte, lasst wachsen, bringt hervor, kolonisiert, vermehret euch, damit auf diesen Ländereien, die mehr und mehr von Priestern und Fürsten befreit werden, der Geist Gottes durch den Frieden herrsche und der Geist der Menschen durch die Freiheit.6

      Genau dieses Pathos der zivilisatorischen Mission Europas und Frankreichs findet sich bei Nicolas Sarkozy wieder, wenn er die Jugend Afrikas allein für die Erlösung des Kontinents als zuständig erklärt und zugleich betont, dass es ohne französische Unterstützung nicht gehen werde:

      Ihr jungen Afrikaner, die Renaissance, die Afrika braucht, könnt nur ihr verwirklichen, denn nur ihr werdet dazu die Kraft haben. Diese Renaissance bin ich gekommen euch vorzuschlagen. Ich bin gekommen, sie euch vorzuschlagen, damit wir sie gemeinsam verwirklichen, denn von Afrikas Renaissance hängen zu einem entscheidenden Teil die Renaissance Europas und die Renaissance der Welt ab.

      Hugo ist ein markantes Beispiel für ein zivilisatorisches Sendungsbewusstsein, dessen Entwicklung bis auf das Jahrhundert der französischen Klassik zurückgeht, bei zahlreichen Schriftstellern vom 17. bis zum 20. Jahrhundert nachgewiesen werden kann7 und sich auch immer wieder im Diskurs der Politiker wiederfindet. Eine der Schnittstellen findet sich bei dem Geografen Onésime Reclus, der schon vor hundert Jahren den Terminus der Frankophonie ­kreierte, um damit die Idee der kulturellen und zugleich kolonisatorischen Expansion Frankreichs voranzutreiben. Lâchons l’Asie, prenons l’Afrique: Où renaître? et comment durer?8, so der Titel eines von Reclus’ Büchern, erschienen 1904. Genau dieser heroische Elan der Zivilisationsbringer beflügelt die Rede Sarkozys, die zugleich vorgibt, sich für den Aufbau einer gemeinsamen Zukunft Afrikas und Europas einzusetzen. Die Partnerschaft aber bleibt Lippenbekenntnis, wenn ständig der »alte« Diskurs dazwischenfunkt und den Südkontinent als hinterwäldlerische Spielwiese für eine von Frankreich und Europa organisierte Modernisierung präsentiert. Die traditionelle Rhetorik des Monopols der Universalität, wie sie sich über weite Strecken in der Kulturgeschichte Frankreichs manifestiert, tritt in Sarkozys Rede mit einer Direktheit zutage, wie man sie in Zeiten zumindest verbaler Political Correctness sonst kaum noch findet. Alte Argumente mit alten Stilmitteln aufgeputzt – der Leser fühlt sich in Formationsperio­den des zentralistischen Herrschaftsdiskurses, die er meinte nur noch als historische betrachten zu dürfen, zurückversetzt. Dabei sind die Leerstellen, das Ungesagte (etwa die aktuelle Rolle Frankreichs und der Europäischen Union in Afrika betreffend) mindestens ebenso bedeutungsvoll wie das von Sarkozy Geäußerte. Dass eine solche Rede beansprucht, die Weichen für die Zukunft zweier Kontinente von heute zu stellen, kann schockierend wirken. Die Verzerrungen, Widersprüche und Zumutungen, an denen diese Rede so reich ist, mussten aufs Korn genommen und in präziser Analyse bloßgestellt werden, wäre doch schweigendes Übergehen in diesem Fall nur allzu leicht als Hinnahme und Akzeptanz deutbar gewesen.

      Daher ist es nicht weiter erstaunlich, wenn alle in diesem Band vereinten Beiträge zunächst in mehr oder weniger ausführlichen Analysen auf die Rede von Dakar eingehen. Bemerkenswert und motivierend erschien dem Wiener Team hingegen der Umstand, dass die Texte durchwegs weit über die kritische Beleuchtung von Sarkozys Darbietung hinausgehen und Perspektiven eröffnen, welche die Gesamtheit der einstigen und aktuellen Probleme zwischen Afrika und Europa bzw. dem »Westen« erfassen. Im Vorwort zu den »Antworten« stellt der Herausgeber Makhily Gassama9 – auf den Vorwurf des »ewigen Nachbetens« der Vergangenheit eingehend – fest:

      Es ist wichtig, die Vergangenheit »nachzubeten«, da wir den Anspruch erheben, unser Schicksal zu meistern, die Gegenwart zu lenken und die Zukunft zu bauen, sind doch die Vorboten einer Rekolonisierung Afrikas in unseren heutigen Beziehungen zu Europa manifest. Das immer schnellere Voranschreiten der Welt macht diesen Einsatz erforderlich. Unsere Lage zwingt uns dazu, sind wir doch rückständige Gesellschaften, traumatisiert durch das Verhalten unserer Regierenden und das Scheitern der von ihnen während bald fünf Jahrzehnten praktizierten Politik. Auch die Hellsicht und Ungeduld der jungen Generation lassen uns keine Wahl, ebenso wie die Gefahren, welche die Globalisierung für unsere brüchigen Volkswirtschaften bereithält.10

      Mit einem solchen Auftakt ist das Signal des Übergangs


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