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Mörderisches Bamberg. Werner RosenzweigЧитать онлайн книгу.

Mörderisches Bamberg - Werner Rosenzweig


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sah Franziska fragend an.

      „Guten Tag, mein Name ist Franziska Berger, ich komme aus Bamberg …“ – weiter kam sie nicht.

      „Ich weiß, ich weiß“, unterbrach sie der Pagenschnitt und wackelte mit der Oberweite. „Sie sind ja pünktlich wie die Maurer. Ich habe Sie schon erwartet. Die Autopsien der beiden Bamberger Mordopfer, richtig? Den Bericht den Bischof betreffend habe ich gerade erst fertiggestellt. Der Chef hat ihn aber auch schon unterschrieben.“

      Franziska war im ersten Moment so verdattert, dass sie nicht wusste, wie sie reagieren sollte, doch dann erfasste sie die Bedeutung der Worte. „Ähm, ja, die beiden Autopsieberichte, genau“, antwortete sie und bemühte sich um ein Pokerface.

      „Ich mag es, wenn jemand pünktlich ist“, lächelte der Pagenschnitt, griff in eine Schublade des Schreibtisches, zog zwei braune Umschläge heraus und drückte sie Franziska in die Hand. „Und richten Sie Herrn Hagenkötter auch schöne Grüße von Herrn Professor Stich aus“, flötete die mächtige Oberweite noch, sah damit offenbar die kurze Konversation als beendet an, setzte sich ein Headset auf den Kopf und wandte sich wieder der Tastatur ihres Computers zu.

      Franziska war immer noch ziemlich perplex, als sie wieder auf dem Gang stand. Langsam stieg dazu ein Gefühl des Triumphs in ihr auf, gepaart mit der Besorgnis, dass ihr unrechtmäßiges Verhalten sie in große Schwierigkeiten bringen konnte. „Cool down, cool down“, sprach sie sich selbst Mut zu.

      Draußen auf der Straße vor dem Institut nahm sie sofort ihr Mobiltelefon zur Hand, beglückwünschte sich zur Macht des Zufalls und wählte die Nummer von Tina Meisel, die sie erst vor zwei Tagen frisch eingespeichert hatte.

      „Tina Meisel, Kripo Bamberg.“

      „Franziska hier, hallo Tina. Sag mal, meldest du dich immer mit deiner vollen Berufsbezeichnung, auch auf deinem privaten Handy?“

      Franziska hörte Tina lachen. „Wenn ich im Dienst bin, ist für mich kein Telefonanruf privat, auch nicht am persönlichen Handy. Was gibt’s denn?“

      „Tina, können wir uns kurzfristig treffen? Es ist sehr wichtig.“

      „Sorry, Franziska, ich bin gerade dienstlich nach Erlangen unterwegs. Ich hätte nicht einmal ans Handy gehen können, wenn ich nicht wegen eines Unfalls bei Möhrendorf im Stau stehen würde.“

      „Bist du auf dem Weg in die Universitätsstraße 22?“

      „Woher weißt du das?“

      „Tina, ich halte die beiden Berichte, die du abholen willst, schon in meinen Händen. Kennst du das Café Mengin am Schlossplatz? Ich warte da auf dich. Und dann erzähle ich dir eine Geschichte, die du kaum glauben wirst.“

      Zusammenarbeit

      Dienstag, 29. August

      30 Minuten hatte Franziska Zeit, sich einen Cappuccino und einen Toast Hawaii zu bestellen, die beiden Berichte aus den unverschlossenen Kuverts zu nehmen und Seite für Seite abzufotografieren, bevor Tina völlig aufgelöst und überhastet ins Café gestürzt kam und sich schnaubend neben ihr niederließ.

      „Was machst du nur für Sachen, Franziska! Das kann uns beide in Teufels Küche bringen.“

      „Ich weiß, ich weiß! Aber hör mir erst mal zu …“

      Nachdem sich Tina ein großes Mineralwasser bestellt hatte, begann Franziska zu erzählen: vom Auftrag Hühnertods bis zur beinahe fatalen Verwechslung des Pagenschnitts im Büro von Professor Stich.

      Die Kommissarin zweifelte nicht an der Aufrichtigkeit ihrer Worte: „Aber wie ich dich von früher kenne, hast du die Gunst der Stunde schon genutzt, habe ich recht?“

      Franziska hatte den Anstand, wenigstens eine Sekunde lang betreten dreinzuschauen. „Klar, ich war einfach zu neugierig und hab reingelesen. Und ich sage dir ganz aufrichtig – der Bericht zur Wasserleiche hat mich schockiert. Hast du eine Ahnung, was dem Mädchen in ihrem jungen Leben schon widerfahren ist?“

      „Offensichtlich nicht, du hast mir den Blick in den vollständigen Obduktionsbericht ja voraus.“

      „Es ist einfach widerlich. Was muss da für eine Bestie am Werk gewesen sein? Tina, ganz ehrlich: Ich kann mich da nicht nur auf das passive Schreiben irgendwelcher Artikel beschränken. Ich muss da tiefer rein, ich will wissen, wer der Mörder ist.“

      Tina machte große Augen und schnaufte tief durch. „Franziska, nein, was denkst du dir nur, wenn du so was sagst? Bitte halt dich da raus, du bist Journalistin und keine Kriminalerin, du kennst meine Bedenken. Der Mörder läuft noch frei herum. Jetzt nehmen wir einmal an, du kommst ihm wirklich auf die Spur: Wenn er sich in die Enge getrieben fühlt – wer weiß, zu welchen weiteren Taten er bereit ist! Und was machst du dann? Ich will nicht noch eine dritte Leiche auf dem Tisch haben.“ Tina schüttelte heftig ihren Lockenkopf. „Was treibt dich eigentlich? Geht es dir wirklich nur um den beruflichen Erfolg? Um die Schlagzeile Bamberger Journalistin überführt Sexmonster?“

      „Nein, Tina, das ist es nicht.“ Franziska sah die Kommissarin, ihre frühere Schulfreundin, ernst an. „Zumindest nicht vordergründig. Natürlich habe ich meinen jornalistischen Ehrgeiz … aber ich habe auch persönliche Gründe.“ Sie zögerte und wich Tinas Blick aus, bevor sie langsam und leise weitersprach. „Vielleicht erinnerst du dich – damals am Gymnasium … es gab da diese Zeit, in der ich … anders war. Zurückgezogen, depressiv.“

      Tina war still geworden und fixierte Franziska mit weit hochgezogenen Augenbrauen.

      Diese hob nun wieder ihren Blick. Ein tiefes Atemholen. „Ich sage das, weil ich will, dass du mir vertraust, Tina, und weil ich dir vertraue … Als ich 14 war, wurde ich selbst Missbrauchsopfer. Mein Lieblingsonkel, der Bruder meiner Mutter, hat mich auf einem gemeinsamen Ausflug in die Fränkische Schweiz vergewaltigt … Unmittelbar danach war ich geschockt, wusste nicht, was ich tun sollte. Vor allem, als er sich bei mir heulend entschuldigte und mich beschwor, niemandem etwas davon zu erzählen, sonst käme er ins Gefängnis … Kannst du dir vorstellen, was in mir vorging? Die körperliche Verletzung war schlimm, aber die psychische noch so viel mehr … die Angst, die Verzweiflung, die Schutzlosigkeit, alles war kaputt.“

      „Mein Gott, Franziska, ich hatte keine Ahnung …“

      „Am nächsten Tag habe ich es meiner Mutter erzählt. Die hat sofort das Telefon genommen und die Polizei angerufen.“ Franziska griff nach ihrer Cappuccinotasse, obwohl die schon längst leer war. „Was danach kam, war für mich fast schlimmer als die eigentliche Tat selbst. Versteh mich nicht falsch, ich bin meiner Mutter sehr dankbar für ihr Handeln – es war wichtig, Anzeige zu erstatten, niemand darf mit so etwas davonkommen. Aber wie mit mir dann umgegangen wurde … die hochnotpeinlichen Fragen, die angeblich zur Wahrheitsfindung notwendig waren, die Einzelheiten des Tathergangs, die ich detailliert erzählen musste, nur weil der Richter sie hören wollte. Ob ich mich gegenüber meinem Onkel in einer aufreizenden Art und Weise gezeigt habe? Ob ich ein sexuelles Lustgefühl verspürt habe? Ich habe mich am Ende so schuldig gefühlt und mich so sehr geschämt. Ein Jahr lang war ich in psychotherapeutischer Behandlung.“

      Tina hatte Franziskas Bericht mit gerunzelter Stirn zugehört und griff jetzt vorsichtig nach ihrer Hand. „Das wusste ich alles nicht. Es tut mir so leid. Wie geht es dir heute damit?“

      Franziska lächelte leicht. „Meistens ist alles gut. Und dann an manchen Tagen auch wieder nicht. Vielleicht bin ich auch immer noch deshalb am liebsten allein, ohne Mann. Wer weiß?“ Sie griff nach dem Kuvert mit dem Obduktionsbericht zur unbekannten weiblichen Wasserleiche. „Ich könnte kotzen, wenn ich daran denke, was dem toten Mädchen alles widerfahren ist. Ich meine, der Bericht von Professor Stich lässt da wenige Zweifel offen. Lies selbst! Nein, Tina, du kannst mich nicht dazu bringen, an dieser Stelle inaktiv zu bleiben. Ich werde recherchieren und keine Ruhe geben, bis das Schwein gefunden ist, das dieses Verbrechen begangen hat. Und wenn ich ihn vor euch finde, dann schneide ich ihm höchstpersönlich die Eier ab und werfe sie in die Regnitz!“ Franziska


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