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Schwarzer Kokon. Matthias KlugerЧитать онлайн книгу.

Schwarzer Kokon - Matthias Kluger


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die Schultern fiel, wurde vielfach beneidet um die Schönheit und Anmut, die sie mit ihren 28 Jahren ausstrahlte. Ihre Ehe mit Clexton glücklich zu nennen, wäre übertrieben. So verebbte mit der Geburt ihres Sohnes die liebevolle Zuneigung, die sie zu Beginn von Clexton erhielt. Es war keine Seltenheit, dass Clexton nachts nicht neben ihr lag.

      Als Veronika wieder einmal alleine in ihrem Bett aufwachte, schlich sie an der Kinderwiege vorbei aus dem Schlafzimmer im ersten Stock und suchte nach ihrem Mann. Sie fand ihn, betrunken mit einer Flasche Gin und der Bibel auf seinem Schoß, seitlich der Eingangshalle im großen Ledersessel der Bibliothek. Unbemerkt huschte sie über die ausladend geschwungene Treppe im Eingangsfoyer hinauf ins Schlafgemach. Sie vermied es, ihn darauf anzusprechen – zu gut kannte sie seine Zornausbrüche, die kurz nach ihrer Heirat zutage kamen, wenn Unangenehmes in der Luft lag.

      Irgendetwas schien ihren Mann zu beschäftigen, denn er stand angewurzelt mit Blick gen Osten am hölzernen Geländer der Veranda.

      »Guten Morgen, Clexton, warst du die ganze Nacht wach?«

      Clexton fuhr herum und blickte sie ungehalten an.

      Schon bereute sie die spontane Frage.

      Langsam, eindringlich den Blick direkt auf Veronika gerichtet, antwortete er eisig: »Ja, meine Liebe, ich bin wach gewesen. Sicher wird es dich nicht stören zu hören, dass, während du in Ruhe schlafen konntest, ich mir Gedanken um die heutige Verladung gemacht habe. Wir haben zu wenig Ware, um die Zwischendecks voll zu bekommen. Die Nigger arbeiten zu langsam und das bedeutet Einbußen, die weder du noch ich wollen – oder bist du anderer Meinung?«

      »Entschuldige, Clexton. Mir liegt es fern, dich zu verstimmen.« Veronika senkte den Blick, streichelte über den Haarschopf ihres Sohnes in der Hoffnung, dass ein gemeinsames Frühstück ihren Mann wieder besser gelaunt stimmen würde. So griff sie mit der freien Hand nach der mit kleinen Ornamenten verzierten goldenen Glocke, die auf dem schlichten Messingtisch der Veranda stand.

      Tumelo, ein Sklave aus Botswana, der seit sieben Jahren auf der Plantage lebte, erschien. Aufgrund der Fähigkeit, die englische Sprache lediglich durch Zuhören schnell erlernt zu haben, durfte er seit zwei Jahren als Bediensteter im Herrenhaus arbeiten. Zu seiner Aufgabe gehörte, neben dem Reinigen aller silbernen Gegenstände wie Leuchter und des Bestecks, hauptsächlich die Reparatur von Schäden, welche im über dreißig Jahre alten Herrenhaus anfielen. Nicht aber die morgendliche Versorgung der Herrschaften! Insofern verwunderte es Veronika, dass nicht Zola, das Dienstmädchen, vor ihr stand.

      »Sie wünschen, Madam?«, fragte Tumelo in einwandfreiem Englisch.

      »Wir würden gerne das Frühstück auf der Veranda einnehmen. Wo ist Zola?« Veronika blickte Tumelo fragend an.

      Zögernd sah Tumelo erst zu Clexton, danach zu Veronika. Ihm war, als hätte sein Herr, Mr. Baine, drohend die Augen zugekniffen. Bestimmt würde Mr. Baine eine Strafe verhängen, sobald er erfuhr, dass Zola morgens nicht in der Großküche, welche im hinteren Trakt des Herrenhauses lag, erschienen war. Sollte er die Wahrheit sagen oder eine Ausrede zum Schutz von Zola vorbringen? Er entschied sich für Ersteres, zumal Mr. Baine bekannt dafür war, zu strafen, egal ob nötig oder nicht.

      »Zola heute Morgen nicht in Küche, haben bereits nach ihr gesucht. War auch nicht in ihrem Zimmer – werden aber suchen.«

      Ängstlich, eine Züchtigung für die Nachricht zu erhalten, blickte er mit gesenktem Haupt auf die Holzplanken der Veranda, deren weiße Farbe an mehreren Stellen abblätterte. Aus seinem Augenwinkel heraus erkannte Tumelo, wie Mr. Baine abweisend seine rechte Hand erhob.

      »Wenn sie nicht erschienen ist, wird sie in der Hütte ihrer Mutter sein«, raunzte Clexton und wandte seinen Blick wieder gen Osten, in Richtung der Sklavenbehausungen. »Ich kümmere mich darum.«

      Veronika blickte verwundert. Wieso in der Hütte? Warum engagierte sich Clexton derart, wo er doch sonst den direkten Kontakt zu seinen Sklaven mied und seine Anweisungen sowie die Art der Bestrafung an seine Vorarbeiter übertrug?

      »Ich würde mich gerne darum kümmern dürfen«, warf sie ein. »Du hast doch sicherlich mit der heutigen Schiffsladung vieles zu erledigen.«

      Zur Antwort erhielt sie den kalten Blick Clextons, der ohne weitere Diskussion und zum Erstaunen Veronikas an ihr und Tumelo vorbei ins Innere des Hauses drängte. Verwirrt sah Veronika ihrem Mann hinterher.

      Tumelo hob langsam den Kopf. Würde noch eine Anweisung von Madam kommen?

      »Habt ihr wirklich das gesamte Haus durchsucht?«

      Tumelo nickte, blieb aber stumm. Sollte er vom Blut in Zolas Zimmer berichten, das er bei der Suche entdeckt hatte? Er entschied sich vorerst dagegen.

      »Gut, Tumelo, geh hinüber zu den Stallungen und suche dort nach ihr«, befahl Veronika, »und frage Sam, ob er sie gesehen hat. Gib mir sofort Bescheid, wenn du etwas herausgefunden hast.«

      Tumelo nickte abermals und schritt die Stufen der Veranda hinab in Richtung Stallungen. Veronikas Blick folgte Tumelo in Sorge um Zola, die sie in der kurzen Zeit, da sie im Herrenhaus untergebracht war, lieb gewonnen hatte.

       Vier Jahre zuvor, Charleston, South Carolina, 1728

      Als Veronika vom diesjährigen Ball der Plantagenbesitzer erfuhr, war sie aufgeregt vor Freude, sollte das Fest doch eine wundervolle Abwechslung für sie sein. Voller Tatendrang, der ihrem jungen Naturell entsprach, empfand sie die Sommermonate auf der Plantage als äußerst langweilig und genoss daher täglich lange Ausritte auf ihrem schwarzen Hengst, den sie von ihren Eltern zum 21. Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Mindestens einmal die Woche besuchte sie mit ihrer Mutter Tea Partys der Plantagenfamilien. Abwechselnd wurde eingeladen, ohne Beisein der Männer, da derartige Treffen den Frauen vorbehalten waren. Unterhaltungen über das wundervoll aufgetischte Gebäck oder die neueste Mode aus England entlockten Veronika allerdings nur ein müdes Gähnen. Sollte ab und an dennoch Spannung aufkommen, so meist, wenn hinter vorgehaltener Hand die Gerüchteküche blühte. Veronika liebte das Getuschel über angebliche Affären der Männer derjenigen Frauen, die nicht zur Tea Party eingeladen waren, und wurde abrupt enttäuscht, wenn die Gerüchte, wie sie fand, zu schnell im Sande verliefen. Mutter betonte dann stets, dass es sich nicht zieme, da die bessere Gesellschaft Skandale zu vermeiden hätte.

      Die Sommermonate waren also unaufgeregt und so fieberte Veronika, sobald sich die Blätter der Bäume in goldenes Braun verwandelten, dem Winter entgegen. In der kälteren Jahreszeit wohnte sie mit ihren Eltern in der prunkvollen Villa direkt in Charleston City. Das rege Treiben der Stadt sowie die vielen Läden waren eine willkommene Abwechslung. Sie freute sich auf das neue Theater, welches ihr Vater mit der Stadtverwaltung an der Ecke Church Street/​Dock Street plante. Doch bis dahin würden noch einige Monate vergehen, denn jetzt war die Zeit, in der die Sonne tagsüber das Land zum Glühen brachte.

      Die kleine, bunte Einladungskarte zum Sommerball, auf die Veronika schon gespannt gewartet hatte, lag auf dem schweren mahagoniroten Arbeitstisch ihres Vaters Robert Turner. Er hatte seine Tochter zu sich gerufen und schob ihr die Karte lächelnd hin.

      Veronikas Wangen röteten sich vor Freude, als sie die Einladung las. »Endlich. Ich dachte schon, sie würde gar nicht mehr kommen. Was soll ich nur anziehen?« Sie unterlegte ihren gespielt fragenden Blick mit Schmollmund und leicht seitlich gewandtem Kopf. Als ob dies ein Thema wäre! Ihr Kleiderschrank war voll mit prachtvoller Garderobe. Bevor ihr Vater antworten konnte, küsste sie ihn auf die Wange und tänzelte mit dem Schreiben, fest an ihre Brust gepresst, aus dem Arbeitszimmer.

      Robert Turner lächelte kopfschüttelnd seiner Tochter hinterher, dann wandte er sich wieder seinen Unterlagen auf dem Arbeitstisch zu.

      Die Zeit bis zum Ball wollte und wollte nicht vergehen. Seitdem Veronika den ersehnten Termin auf der Einladung gelesen hatte, waren ihr die Minuten wie Stunden und die Stunden wie Tage vorgekommen.

      Schließlich war es so weit. Der große


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