Beutezug. Petra GabrielЧитать онлайн книгу.
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Petra Gabriel
Beutezug
Kappes 17. Fall
Kriminalroman
Jaron Verlag
Petra Gabriel, geboren in Stuttgart, ist gelernte Hotelkauffrau, Dolmetscherin und Journalistin. Sie lebt als freiberufliche Autorin in Laufenburg und Berlin. 2001 wurde ihr erster Roman «Zeit des Lavendels» veröffentlicht. Neben historischen Romanen schreibt sie Kurzgeschichten und Krimis. 2004 gründete sie das Internetmagazin 3land.info. 2010 erschien ihr Mystery-Roman «Der Klang des Regenbogens», 2011 ihr sechster historischer Roman «Die Köchin und der König». (www.petra-gabriel.de)
Originalausgabe
1. Auflage 2012
© 2012 Jaron Verlag GmbH, Berlin
1. digitale Auflage 2013 Zeilenwert GmbH
Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.
Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin
ISBN 9783955520168
Inhaltsverzeichnis
KAPITEL EINS in dem Kappe einen alten Schulkollegen wiedertrifft
KAPITEL ZWEI in dem Kappe zurückgepfiffen wird
KAPITEL DREI in dem ein Junge das Fürchten lernt
KAPITEL VIER in dem Kappe begreift, dass sein Sohn in Gefahr ist
KAPITEL FÜNF in dem Fluchthelfer eine große Rolle spielen
KAPITEL SECHS in dem Kappe erfährt, was es mit der Operation Ymir auf sich hat
KAPITEL SIEBEN in dem ein Mann heimkehrt
KAPITEL ACHT in dem Kappe aufschlussreiche Dokumente findet und verschwinden lässt
KAPITEL NEUN in dem Kappe einiges über Menschen und ihre dunklen Geschäfte lernt
KAPITEL ZEHN das in einem Pfarrhaus in Moabit spielt
KAPITEL ELF in dem es um den tragischen Tod eines kleinen Mädchens geht
KAPITEL ZWÖLF in dem sich zwei ehemalige Schulkameraden erneut überraschend wiedertreffen
KAPITEL DREIZEHN in dem Kappe und Lempel eine weitere schreckliche Entdeckung machen
KAPITEL EINS
in dem Kappe einen alten Schulkollegen wiedertrifft
JEDEN MOMENT musste er kommen. Traugott Lempel strich zum hundertsten Mal die dünnen Haare nach hinten und fingerte nach seiner Taschenuhr. Doch für seinen kräftigen Zeigefinger war das Uhrentäschchen einfach zu klein. Er hatte, gemessen an seiner hochgewachsenen und hageren Gestalt, breite, zupackende Hände, das Erbteil einer langen Kette von Fischern. Lempel schaute zur Sicherheit noch einmal in den Kalender, auf dessen Ledereinband in Goldprägung die Jahreszahl 1942 prangte. Ein Geschenk der Firmenleitung «für besondere Verdienste». Da stand es, schwarz auf weiß: 18. Mai, 15 Uhr, Kappe. Lempel gab den Kampf mit der Tasche auf, zog an der vergoldeten Kette, die an einem Knopfloch der Weste befestigt war, und die Taschenuhr flutschte heraus. Er klappte den Deckel auf und betrachtete die Zeiger. Es war 15.03 Uhr.
Er kam sich langsam albern vor. Wie ein Schuljunge, der seine erste Verabredung hat und auf das Mädchen wartet, das sich verspätet. Er erinnerte sich gut. Damals hatte er sich ähnlich gefühlt, mit diesem Kloß im Hals und diesem Druck in der Magengegend. Kommt sie, kommt sie nicht? Doch das jetzt war eine andere Art der Verabredung. Er seufzte und steckte das in tickende Rädchen und Goldgehäuse gegossene Symbol der verfließenden Zeit vorsichtig zurück. Es war ein besonders gutes Stück: das Geschenk seiner kürzlich verstorbenen Frau zur silbernen Hochzeit.
Ob Kappe überhaupt kam? Und ob er ihm trauen konnte? Trampe hatte behauptet, dass Kappe kein Hundertprozentiger sei.
Er müsste es wissen. Er kannte Kappe gut und schon lange - nämlich seit der als einfacher Wachtmeister nach Berlin gekommen war. Das musste nun über dreißig Jahre her sein. Also kannte er ihn weit besser als er selbst. Er selber war so etwas wie ein Schulfreund, allerdings zwei Klassenstufen unter Kappe. Damals in Wendisch Rietz. Er hatte ihn bewundert.
Dennoch, da blieb diese Frage. «Kappe ist nicht so einer», hatte Theodor Trampe vorgestern immer wieder betont. Hoffentlich stimmte es.
Per Zufall hatten Trampe und er vor einigen Wochen festgestellt, dass sie beide Kappe kannten. Der Elektriker führte hin und wieder Auftragsarbeiten bei Borsig aus. Und er hatte Kontakte zu den Widerständlern unter den Borsig-Arbeitern. Das wusste Lempel aus sicherer Quelle. Auch wenn er es eigentlich nicht wissen durfte. Nur deswegen hatte er es schließlich gewagt, ihn ein wenig über Kappe auszuhorchen. Was hatten sie gelacht, als sie über dessen Eigenheiten sprachen! Trampes erster Beitrag war: «Er hat noch immer ein rundes Kindergesicht.»
«Und noch immer diese Nase?»
«Ja, sie ist noch immer sein hervorstechendes Merkmal», hatte Trampe geantwortet.
Beide grinsten, wohl wissend, dass damit nicht nur die Größe des bemerkenswerten Kappe’schen Riechorgans gemeint war, sondern auch die Form. Es sah aus wie eine Knüppelkirsche.
Aber kannte Trampe seinen Freund Kappe wirklich gut genug? Wer bei der Mordkommission etwas werden wollte, der tat besser daran, ein strammes Parteimitglied zu sein. Oder zumindest so zu tun.
«Kappe ist nicht in der Partei», hatte Trampe mehrfach im Brustton der Überzeugung behauptet. «Das wüsste ich. Er versucht halt, irgendwie über die Runden zu kommen. Wie wir alle. Du kannst ihn ruhig ansprechen, wenn du ein Problem hast. Worum geht es denn? Soll ich vermitteln?»
Traugott Lempel hatte den Kopf geschüttelt. «Es ist besser, ich mache das selbst.»
«Aha.» Das war neben einem scharfen Blick Trampes einzige Reaktion gewesen.
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