Tausend und eine Nacht. Max GeißlerЧитать онлайн книгу.
dich nicht abhalten, den Wunsch deines Königs zu erfüllen; denn wenn du ungehorsam wärest, müsste ich dich töten lassen. Du sollst ja nur nach der Insel Serendyb reisen, und es steht bei dir, nach Erledigung meines Auftrages sofort umzukehren.«
Weil Sindbad sah, dass der König auf seinem Willen bestand, erklärte er sich schweren Herzens bereit; denn ihm ahnte Unheil; und nach wenigen Tagen stach sein Schiff in See.
Der König schickte seinem Freunde ein Bett von Goldstoff, der so wertvoll war wie drei Segelschiffe und zwölf arabische Hengste, schickte fünfzig Gewänder aus Atlas, Brokat und Scharlach; hundert andere von feinstem Gewebe aus Kairo; er schickte ein Gefäß aus Achat und eins aus Rubin, beide einen Finger dick und mit einer Öffnung von der Weite eines halben Fußes, er sandte weiße Rosse mit purpurnen Decken – die Herrlichkeit der Schätze lässt sich nicht aufzählen, die das Schiff barg.
Und Sindbad landete auch glücklich im Hafen des Königs von Serendyb, empfing viele reiche Geschenke, und am vierten Tag entließ ihn der König mit hohen Ehren.
Aber es dauerte nicht lange, so wurde das Schiff von Seeräubern überfallen, die jeden von der Mannschaft niedermetzelten, der sich zur Wehr setzte. Diejenigen, die übrigblieben, wurden ihrer schönen Kleider beraubt, in Lumpen gehüllt und von den Räubern nach einer fernen Insel gebracht, wo sie verkauft wurden.
Sindbad wurde von einem sehr reichen Kaufmann erstanden, der ihn sofort in seine Wohnung führte und ihn mit einem Sklavenanzug bekleidete. Dann fragte ihn der Kaufmann, ob er gut mit dem Bogen schießen könnte.
»Dies ist eine meiner Jugendübungen gewesen«, antwortete Sindbad, »und ich glaube, ich habe diese Kunst seitdem nicht verlernt.«
Darauf gab ihm sein Herr Bogen und Pfeile, hieß ihn neben sich auf einen Elefanten steigen, und beide ritten nun in einen großen Wald. Dort befahl er Sindbad: »Steige nun von dem Reittier, nimm Pfeil und Bogen und klettere auf einen dieser sehr hohen Bäume. Es gibt in diesem Walde eine große Menge Elefanten. Davon sollst du mir etliche erlegen, und sobald du einen getroffen hast, benachrichtige mich; denn ich werde noch in dieser Stunde zurückreiten in die Stadt.«
Er gab ihm auch einige Lebensmittel mit und ritt alsbald von dannen, um der Gefahr aus dem Wege zu kommen.
Sindbad blieb den Tag und die folgende Nacht jägerwachsam auf dem Baume sitzen; aber ein Elefant zeigte sich nicht. Als jedoch die Sonne von Neuem stieg, zog eine ganze Herde durch den Wald; Sindbad schoss mehrere Pfeile gegen sie und traf so glücklich, dass eins der Tiere, zu Tode verwundet, zusammenbrach. Die anderen begaben sich auf die Flucht, und der geschickte Bogenschütze hatte Zeit, zu seinem Herrn zu entkommen und ihm die Kunde zu bringen. Der Herr belobte seinen neuen Sklaven sehr, ging mit ihm und einigen seiner Arbeiter in den Wald, und sie begruben den Elefanten an der Stelle, an der er gefallen war. Nach einiger Zeit, in welcher der Leib verwittern sollte, wollte der Kaufmann wiederkommen und die Stoßzähne des erlegten Wildes an sich nehmen; denn er war ein Elfenbeinhändler.
Sindbad musste von da ab Tag und Nacht im Walde zubringen, und es gelang ihm fast täglich, einen Elefanten zu erlegen.
Zwei Monate hatte er diese Jagd ausgeübt, da erschienen eines Tages sehr viele jener mächtigen Tiere, umstellten den Baum, auf dem Sindbad sich verborgen hatte, und begannen ein erderschütterndes Brüllen. Einer der größten aber erfasste den unteren Teil von Sindbads Baum mit dem Rüssel, entwurzelte ihn mit einem Ruck und warf ihn zur Erde.
Aber was der zu Tode erschrockene Mann gefürchtet hatte, geschah nicht; sondern der Elefant packte ihn, hob ihn sich auf den Rücken, setzte sich an die Spitze des Zuges und trug ihn zu einem sehr fernen, von Wald umgebenen Hügel. Dort setzte er ihn auf die Erde und –– das ganze Heer der Elefanten lief, so schnell dies gehen mochte, von dannen.
Zunächst war Sindbad mehr tot als lebendig. Als er aber seiner Sinne wieder mächtig wurde, erkannte er, dass ringsumher die Skelette von mehr als hundert Elefanten in der Sonne bleichten, und an jedem dieser Skelette befanden sich die Stoßzähne von köstlichem Elfenbein.
Sindbad wunderte sich über die Maßen. Hatten ihm die klugen Tiere diesen Platz nicht gezeigt, damit er aufhören solle, die Lebenden zu verfolgen? Es war offenbar die Begräbnisstätte der Elefanten; aber Sindbad fand es doch geraten, dies Knochenfeld so rasch als möglich zu verlassen.
Mit der Nachricht von dem seltsamen Funde kam er am anderen Tage zu seinem Herrn. Der überzeugte sich von der Wahrheit dieser Geschichte und umarmte Sindbad, indem er sprach: »Mein Bruder – du sollst hinfort nicht mehr mein Sklave sein – Gott möge dich mit allem Glücke überhäufen! Jedes Jahr haben die Elefanten mir eine große Menge Sklaven getötet. Und doch haben wir bis jetzt auf keine andere Weise Elfenbein erhalten können, als wenn wir das Leben der Sklaven daranwagten. Nun wird durch dich unsere ganze Stadt reich werden! Glaube nicht, dass ich dir nur die Freiheit schenke – nein, ich will dich mit Gaben der seltensten Art erfreuen und will den König bitten, dass er dich zum Statthalter ernennt.«
»Ich danke für die Ehre«, erwiderte Sindbad höflich; denn er dachte an die Zeit, in der er schon einmal Staatsminister gewesen war, »ich erbitte mir nichts weiter, als die Erlaubnis, heute nach Hause reisen zu dürfen.«
»Das ist sehr schade«, sagte der Kaufmann; »aber damit du siehst, wie lieb ich dich habe, sollst du dir ein Schiff mit Elfenbein beladen; denn ich habe gesehen, dass ich außerdem noch sieben Vorratshäuser voll von jenem Hügel herbeischaffen lassen kann.«
Dieses Geschenk nahm Sindbad mit großem Dank an, schiffte sich alsbald ein und löste aus dem Schatze der Zähne einen kleinen Berg Gold.
Der König belohnte ihn reichlich; aber Sindbad bezeigte hinfort keine Lust mehr zu so gefahrvollen Reisen, sondern lebte in Bagdad als ein kluger und wohltätiger Reicher, geehrt und geliebt von der ganzen Stadt. Und derlei Leute sollen in allen Landen nicht gar viele sein.
1 Gewürznelken <<<
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