GEWAHR SEIN. Daniel SiegelЧитать онлайн книгу.
Das relationale Segment des Rands hilft so, die dritte wissenschaftlich belegte Säule des Geistestrainings zu entwickeln, nämlich die Kultivierung freundlicher Absicht, indem wir unseren Sinn für Mitgefühl und Verbundenheit mit der Welt entwickeln.
Die Übung mit dem Rad gibt uns zudem Gelegenheit, in einer Sitzung die große Bandbreite der Erfahrungen, die in unserem mentalen Leben auftauchen, Tag für Tag systematisch zu erkunden, und dies auf eine Art und Weise, die uns dabei unterstützt, unserem häufig fragmentierten und hektischen Leben außerhalb der Übung innerer Einkehr näher zu kommen, mit Fokus, Ruhe und Mitgefühl.
Bereit, loszulegen?
Mit dem einfachen Bewusstseinsrad üben
Suchen Sie sich einen ruhigen Ort aus, an dem Sie für ungefähr eine halbe Stunde ungestört sitzen, liegen oder stehen können. Schalten Sie Ihre mobilen Geräte aus. Schauen Sie sich nochmals das Rad-Diagramm an (die Abbildung im ersten Abschnitt). Sie müssen lediglich die Struktur des Rads kennen; es ist nicht nötig, das Rad als eine Karte visualisieren zu können. Rufen Sie sich ins Gedächtnis, dass die Nabe das Wissen des Gewahrseins repräsentiert; der Rand das Gewusste und die Speiche den Fokus der Aufmerksamkeit. (Nochmals, es empfiehlt sich, sich die ganze Übung durchzulesen, bevor Sie die Übung ausprobieren, und sich dann selbst aus dem Gedächtnis anzuleiten. Beginnen Sie mit dem einfachen Rad; das vollständige werden wir später auf unserem Weg erkunden.
Lassen Sie uns beginnen, indem wir uns auf den Atem als eine Möglichkeit der Zentrierung fokussieren. Lassen Sie die Empfindung des Atems einfach Ihr Gewahrsein füllen. Ziehen Sie Ihre Aufmerksamkeit von Ihrem Atem weg. Stellen Sie sich vor, im Zentrum des Rads zu sein, in der Nabe des Wissens, des Gewahrseins. Stellen Sie sich vor, wie Sie eine Speiche der Aufmerksamkeit von der Nabe des Wissens auf das erste Segment des Rands richten. Beginnen Sie damit, die Aufmerksamkeit auf die Empfindung des Hörens zu richten, indem Sie das Gewahrsein sich mit Klang füllen lassen … (Es kann hilfreich sein, bei jeder Empfindung fünfzehn bis dreißig Sekunden zu verweilen.)
Lassen Sie nun das Hören los, und rücken Sie die Aufmerksamkeitsspeiche ein bisschen weiter auf diesem ersten Segment zum Sehsinn vor, indem Sie das Gewahrsein sich mit Licht füllen lassen …
Lassen Sie nun die Aufmerksamkeitsspeiche wieder vorrücken, und gehen Sie zum Geruchssinn über, indem Sie das Gewahrsein sich mit Düften füllen lassen …
Rücken Sie nun die Aufmerksamkeitsspeiche vor, indem Sie sich dem Geschmackssinn öffnen und das Gewahrsein sich mit Geschmäckern füllen lassen…
Lassen Sie nun die Aufmerksamkeitsspeiche zum Tastsinn vorrücken, indem Sie das Gewahrsein sich mit der Empfindung von Haut, die Haut berührt (Hand in Hand), von Haut, die Kleidung und Boden berührt, füllen lassen …
Einen tiefen Atemzug nehmend rücken Sie nun die Aufmerksamkeitsspeiche zum nächsten Segment des Rands vor, das das Innere des Körpers repräsentiert – die Empfindungen der Muskeln und Knochen sowie der inneren Organe. (Hier wird die Zeitdauer für jeden erwähnten Körperteil variieren, zwischen ein paar Sekunden und fünfzehn Sekunden oder so.) Lassen Sie uns mit der Gesichtsregion beginnen, indem Sie die Empfindungen der Gesichtsmuskeln und -knochen das Gewahrsein füllen lassen … Lenken Sie die Aufmerksamkeit zur Stirn und zur oberen Kopfhaut, nun an den Seiten der Kopfhaut hinunter, an den Ohren vorbei und zu den Muskeln und Knochen des Halses und Nackens. Lenken Sie nun die Aufmerksamkeit zu den Schultern, und lassen Sie sie beide Arme hinab zu den Fingerspitzen strömen … Bringen Sie nun die Aufmerksamkeit zum oberen Rücken und zur Brust … nun zum unteren Rücken und den Bauchmuskeln … und nun fokussieren Sie die Aufmerksamkeit auf die Empfindungen der Lippen … und lassen Sie die Aufmerksamkeit beide Beine hinab zu den Zehenspitzen strömen.
Fokussieren Sie nun die Aufmerksamkeit auf die Beckenregion. Öffnen Sie das Gewahrsein für die Empfindungen der Geschlechtsorgane … richten Sie die Aufmerksamkeit auf das Innere des Bauchs, indem Sie mit den Organen tief im Bauch beginnen … und nun bewegen Sie sich aufwärts zur Magenregion im Oberbauch … und nun folgen Sie den Empfindungen vom Magen durch die Brustmitte, indem Sie sich den Empfindungen in der Speiseröhre öffnen, die den Magen mit der Kehle und dem Mundinneren verbindet. Gehen Sie nun zum Atmungsapparat über, indem Sie hinter den Wangenknochen mit den Empfindungen der Nebenhöhlen beginnen … dann zur Nase … und zum Mund … und dann die Kehle vorne hinunter zur Luftröhre, der Röhre, welche die Leben spendende Luft in die Mitte der Lungen bringt, in das Innere des Brustkorbs … zu den Lungen, die sich auf beiden Seiten ausdehnen und zusammenziehen … Lassen Sie nun den Fokus der Aufmerksamkeit zur Herzregion übergehen, indem Sie das Gewahrsein den Empfindungen des Herzens öffnen.
Lassen Sie nun die Empfindungen des ganzen Körperinneren das Gewahrsein füllen, vom Kopf bis zu den Zehen. Inzwischen hat die Wissenschaft aufgezeigt hat, was die Weisheitstraditionen seit vielen Jahren wussten: Das Öffnen des Gewahrseins für die Empfindungen des Körpers ist eine machtvolle Quelle der Weisheit und Intuition. Daher lade ich Sie dazu ein, einen tieferen Atemzug zu nehmen und – im Wissen, dass Sie stets zum Erkunden dieser sechs Sinne der Körperempfindungen zurückkehren können – die Aufmerksamkeitsspeiche zum nächsten Randsegment vorzurücken.
Wir werden nun die Speiche der Aufmerksamkeit auf das dritte Randsegment fokussieren, das Segment, das die mentalen Aktivitäten der Emotionen, Gedanken, Erinnerungen, Vorstellungen, Absichten, Hoffnungen und Träume repräsentiert. Ich ermutige Sie dazu, alle mentalen Aktivitäten einzuladen – Gedanken, Gefühle und Erinnerungen –, zur Nabe des Wissens zu kommen. Seien Sie offen für alles, was vom Rand auftaucht – oder eben nicht auftaucht. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Viele Dinge könnten kommen oder nichts könnte kommen. Öffnen Sie einfach die Nabe für alle mentalen Aktivitäten vom Rand. Lassen Sie uns mit dieser Übung sogleich beginnen … (und fahren Sie damit für anderthalb Minuten fort.)
Während Sie alle mentalen Aktivitäten in die Nabe des Wissens einladen, lade ich Sie als Nächstes dazu ein, die Aufmerksamkeit besonders darauf zu richten, wie eine mentale Aktivität, also ein Gedanke, zuerst ins Gewahrsein tritt. Taucht sie plötzlich oder allmählich auf? Sobald sie sich selbst dem Gewahrsein gezeigt hat, auf welche Art und Weise bleibt sie präsent? Ist sie stabil? Vibrierend? Und wie verlässt die mentale Aktivität, der Gedanke, die Erinnerung oder die Emotion, das Gewahrsein? Geht sie von einem »Ort« zu einem anderen? Allmählich oder plötzlich? Wird sie lediglich durch eine andere mentale Aktivität, also einen anderen Gedanken, ein Gefühl oder eine Erinnerung ersetzt? Und wenn nicht, wie fühlt sich die Lücke zwischen der einen mentalen Aktivität und der nächsten an? Ich lade Sie dazu ein, die Architektur des mentalen Lebens zu erforschen, indem Sie studieren, wie mentale Aktivitäten zuerst im Gewahrsein auftauchen, präsent bleiben und dann das Gewahrsein verlassen. Lassen Sie uns mit der Übung beginnen, gleich jetzt … (und fahren Sie für anderthalb Minuten damit fort).
(Hinweis: Wenn Sie die vollständige Rad-Übung machen, geschieht dies dann, wenn Sie die Speiche zur Nabe zurückbiegen. Ich gehe darauf in einem späteren Kapitel ein.)
Ich lade Sie dazu ein, einen tiefen Atemzug zu nehmen und dann die Speiche der Aufmerksamkeit zum vierten und letzten Segment des Rands vorzurücken. Dies ist der Teil des Rands, der unseren relationalen Sinn repräsentiert, unsere Verbundenheit zu anderen Menschen und unserer Umwelt, in die wir hineingeboren wurden.
Mithilfe der Aufmerksamkeitsspeiche auf diesem vierten Randsegment lassen Sie nun das Gewahrsein sich mit dem Gefühl der Verbundenheit zu Menschen füllen, die Ihnen körperlich nah sind, genau jetzt. Öffnen Sie sich dann für das Gefühl der Verbundenheit mit der Familie und mit Freunden, die weiter weg sind. Nun lassen Sie das Gewahrsein sich mit einem Gefühl der Verbundenheit mit Menschen füllen, mit denen Sie arbeiten – in der Schule, am Arbeitsplatz, in Ihrer Gemeinde. Öffnen Sie sich für das Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, die in Ihrer Nachbarschaft leben … für das Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, die Ihrer Gemeinde angehören … Mit Menschen, die in Ihrem Dorf oder Ihrer Stadt leben … und nun öffnen Sie sich dem Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, die in Ihrer Region oder Ihrem Bundesland leben … und mit Menschen, die in Ihrem Land leben … mit Menschen, die auf dem gleichen Kontinent wie Sie leben. Und nun sehen Sie, ob Sie Ihr Gefühl der Verbundenheit allen Menschen gegenüber öffnen