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Die Reise nach Hause. Lee CarrollЧитать онлайн книгу.

Die Reise nach Hause - Lee Carroll


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Sie sie einer Hilfsorganisation.«

      Der Nachbar schien überwältigt von so viel Großzügigkeit und strahlte übers ganze Gesicht, als er Mike die Hand schüttelte. Mike hatte den Eindruck, dass der Mann tatsächlich vieles von den Sachen gebrauchen konnte. »Katze«, der Fisch, war von seinem Nachbarn – nachdem dieser die Polizei gerufen hatte – gerettet worden; und da er sich jetzt sowieso im Aquarium des Mannes befand, schien es das Beste, dass er da blieb.

      »Bye-bye, Katze!«, hatte Mike lächelnd gesagt, als er in der Wohnung des Mannes gewesen war. »Nicht die Hoffnung aufgeben.« Katze hatte ihn nicht einmal angeschaut. Er war mit seinen neuen Fischfreunden beschäftigt.

      Fünf Tage nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, stellte Mike fest, dass er mit den Vorbereitungen fertig war. Er hatte keine rechte Vorstellung, was er jetzt tun und wo er eigentlich hingehen sollte. Es war Abend und alles war still. Er wusste, der Engel würde mitbekommen, wann er bereit war, und morgen würde etwas Neues beginnen. Mike fühlte, dass es an der Realität seiner Reise keinen Zweifel gab. Er war fest überzeugt, dass ihm gezeigt würde, was er zu tun hatte. Alles, was in der letzten Woche passiert war, rechtfertigte diese Überzeugung. Er beschloss, die Schätze, die er in den Reisetaschen auf seine spirituelle Fahrt mitnehmen würde, noch einmal anzuschauen.

      Er öffnete die Taschen und prüfte jeden Gegenstand, den er glaubte mitnehmen zu müssen. Zuerst waren da die Fotos. Das Fotoalbum war im Laufe der Zeit etwas aus dem Leim gegangen, und viele der alten Fotos waren mit den altmodischen Klebe-Ecken aus den fünfziger Jahren eingeklebt. Er öffnete das Buch vorsichtig, um die schlechter klebenden Bilder nicht abzulösen; wieder überkam ihn die wohlbekannte Melancholie, als er auf das Hochzeitsfoto seiner Eltern blickte – das erste Foto im Album. Dieses und andere Fotos von ihnen hatte er nach dem Unfall gefunden und kaum die Kraft gehabt, sie anzuschauen.

      Da waren die beiden – verliebt in die Kamera lächelnd – am Beginn ihres gemeinsamen Lebens. Ihre Kleidung fand Mike eher komisch und soweit er sich erinnern konnte, war es das einzige Mal, dass er seinen Vater mit einer Krawatte sah. Irgendwann hatte Mike Moms altes Hochzeitskleid auf dem Speicher gefunden. Er hatte eine Nachbarin gebeten, es einzupacken, weil es für ihn selbst zu schmerzlich war. Als das Hochzeitsfoto seiner Eltern damals aufgenommen wurde, existierte von Mike noch nicht mehr als der Glanz in ihren Augen: Voll freudiger Erwartung blickten sie der Zukunft entgegen. Mike starrte lange auf das Foto, bis er schließlich sanft zu ihm sagte: »Mom und Dad, ich bin euer einziges Kind. Ich hoffe, das, was ich jetzt vorhabe, wird euch nicht enttäuschen. Ich liebe euch und wünsche mir, euch bald wiederzusehen.«

      Dann schlug er die Seiten auf, die ihn als Jungen zeigten. Er lächelte oft. Da war die alte Farm, und ab und zu Bilder von Freunden, die seinen Lebensweg geteilt hatten. Er liebte das Foto, wo er selbst auf dem Traktor saß und sechs Jahre alt war. Wieviel ihm dieses Album bedeutete! Mike hatte den Eindruck, Gott eine Freude zu machen, wenn er die Fotos mit auf seine besondere Reise nahm und in dieser Weise seine Eltern und sein früheres Leben hochhielt. Was später mit dem Album passieren würde, konnte niemand wissen. Doch im Augenblick hatte Mike das Gefühl, dass er diese Dinge nicht zurücklassen durfte.

      Außerdem waren da noch seine Bücher. Er liebte sie über alles! Seine Bibel: vom vielen Lesen dünn geworden; wie oft hatte sie ihn getröstet! Auch wenn er nicht alles verstand, so fühlte er doch ihre spirituelle Energie. Sie war sorgfältig eingepackt und Mike hätte sie niemals irgendwo zurücklassen können. Dann seine Jugendbücher, die ihm so viel bedeuteten: Die Hardy Boys, Charlottes Netz – ein paar Taschenbücher, die er ab und zu wieder las; und die ihn jedesmal an die Zeit erinnerten, als er diese spannenden Geschichten zum ersten Mal gelesen hatte und an alles, was er in dem Alter gemacht hatte. Schließlich das tolle Abenteuerbuch von Moby Dick – da war er schon etwas älter – und die Sherlock-Holmes-Serie. Und dann einige seiner Lieblingsgedichte von unbekannten Schriftstellern.

      All die Bücher und Fotos passten problemlos in zwei Taschen und waren leicht zu tragen, so dass er auch noch einen mittelgroßen Beutel für Proviant mitnehmen konnte. Mike war mit allem fertig und legte sich zum Schlafen ein letztes Mal auf den Boden seines nun leeren Apartments. Er hatte ein Kissen und das genügte. Er war für den kommenden Tag gerüstet und auf seine spirituelle Suche so gespannt, dass er kaum einschlafen konnte – so sehr beschäftigte ihn alles, was passiert war und die Verheißung des Kommenden. Morgen würde seine Reise nach Hause beginnen.

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      V i e r

      Das erste Haus

      Der nächste Morgen sah ein wenig trüb aus, doch Mike war in ausgezeichneter Stimmung. Von dem bisschen Geld, das er gespart hatte, kaufte er sich ein großes Frühstück und aß es auf der Terrasse eines Bistros in der Nachbarschaft. Es war ein seltsames Gefühl, um diese Zeit draußen zu sein. Normalerweise arbeitete er jetzt schon, gewohnt, den ganzen Tag zu schuften, ein Butterbrot am Schreibtisch zu essen und den Sonnenuntergang zu verpassen, da er um die Zeit noch im Büro saß.

      Die Taschen in der Hand und den Sack geschultert, stand Mike vor dem Restaurant und überlegte, in welche Richtung er gehen sollte. Er wusste, dass er nicht nach Westen konnte, da der Ozean ihm schon bald den Weg versperren würde. Also auf nach Osten, bis ihm eine andere Marschroute gezeigt wurde. Mike hatte ein gutes Gefühl dabei, eine Reise zu unternehmen, die auf Glauben und Vertrauen gegründet war; dennoch hätte er gerne ein klareres Ziel gehabt.

      Wenn ich nur wüsste, in welche Richtung ich gehen soll – oder wenigstens eine Karte hätte oder einen Hinweis auf meinen augenblicklichen Standort, sagte Mike zu sich selbst, während er ostwärts wanderte und die scheinbar endlosen Vororte von Los Angeles durchquerte, um den Fuß der Hügel anzusteuern, wo ein weiteres Wohnviertel begann. Es wird Wochen dauern, bis ich zu Fuß hier raus bin, dachte er.

      Mike hatte keine Ahnung, wo er hinging, hielt sich aber immer in Richtung Osten. Um die Mittagszeit setzte er sich auf einen Bordstein und verzehrte die Reste, die von seinem Frühstück übriggeblieben waren. Wieder fragte er sich, ob er wohl auf dem richtigen Weg sei.

      »Wenn ihr da seid, dann brauche ich euch jetzt!«, rief Mike zum Himmel hinauf. »Wo ist der Eingang zu meinem Weg?«

      »Eine aktuelle Landkarte ist vonnöten!« Mike hörte eine bekannte Stimme in seinem Ohr sprechen. Er stand auf und blickte um sich, sah aber niemanden. Er erkannte die Stimme des Engels.

      »Habe ich das gehört oder gefühlt?«, murmelte er aufgeregt und erleichtert. Zumindest gab es nun eine Verständigung!

      »Warum hast du so lange gebraucht?«, fragte Mike, der Sinn für Humor hatte.

      »Du hast gerade erst um Hilfe gebeten«, antwortete die Stimme.

      »Aber ich bin seit Stunden unterwegs!«

      »Das war deine eigene Entscheidung«, bemerkte die Stimme. Warum hast DU so lange gebraucht, deine Bitte an uns zu richten?« Die Stimme hatte offensichtlich Spaß daran, Mikes Vorwurf umzukehren.

      »Meinst du damit, dass ich nur Hilfe bekomme, wenn ich darum bitte?«

      »Ja. Stell dir vor!«, erwiderte die Stimme. »Du bist ein freier Geist, mächtig und hoch geehrt; imstande, den eigenen Weg zu finden, wenn du dich dazu entschließt. Dein Leben lang hast du nichts anderes getan. Wir sind immer da, aber nur dann aktiv, wenn du darum bittest. Ist das so seltsam?« Mike war einen Augenblick irritiert, denn der Engel hatte vollkommen recht.

      »O.k., wo soll ich also hingehen? Jetzt wird es schon Nachmittag; den ganzen Morgen über habe ich geraten, in welche Richtung ich gehen soll.«

      »Richtig geraten«, antwortete die Stimme wie mit einem Zwinkern. »Das Tor zu deinem Weg liegt direkt vor dir.«

      »Das heißt, ich bin die ganze Zeit darauf zugelaufen?«

      »Es


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