Handbuch Wirtschaftsprüfungsexamen. Christoph HillebrandЧитать онлайн книгу.
der Täter zumindest billigend in Kauf nehmen muss. Außerdem muss sich bei § 826 der Vorsatz – anders als bei den anderen Haftungstatbeständen – auch auf den Schaden als Handlungserfolg beziehen und der Täter muss einen Schaden dieser Art wenn schon nicht verwirklichen wollen, so doch billigend in Kauf genommen haben.
Der eingetretene Schaden gehört ausnahmsweise zum Unrechtstatbestand selbst. Ersatzfähig ist dabei ausnahmslos jeder Vermögensschaden.
Die Verletzung bestimmter Rechtsgüter (vgl. etwa § 823 Abs. 1) oder Verhaltensnormen ist nicht erforderlich, vielmehr können auch isoliert genommen zulässige Handlungen die Schadensersatzpflicht auslösen, wenn es sich um eine unzulässige Rechtsausübung handelt. Die Ersatzfähigkeit eines Schadens ist, wie stets im Deliktsrecht, nicht auf einen korrespondierenden Vorteil des Schädigers beschränkt.
775
Für die Anwendung von § 826 haben sich Fallgruppen herausgebildet. Zentrale Fallgruppe ist die Täuschung Dritter mit Schädigungsvorsatz, etwa durch Vorspiegelung von Gewinnmöglichkeiten gegenüber Anlegern am Kapitalmarkt oder die leichtfertige und gewissenlose Erstattung falscher Gutachten durch Sachverständige (die Haftung gerichtlich bestellter Sachverständiger nach § 839a geht in subjektiver Hinsicht weiter, als dort grobe Fahrlässigkeit genügt, die zudem nicht auch auf den Schadenseintritt gerichtet sein muss). Sittenwidrig ist außerdem die Verleitung anderer zum Vertragsbruch gegenüber ihren Gläubigern, sofern dies z.B. unter Übernahme etwaiger Ersatzpflichten aus dem Vertragsbruch geschieht. Schließlich ist der bewusste Missbrauch formaler Rechtsstellungen sittenwidrig, also etwa die Vollstreckung aus erschlichenen Urteilen.
§ 3 Ausgleichsordnung › E. Unerlaubte Handlungen › VII. Haftung für Verrichtungsgehilfen nach § 831
VII. Haftung für Verrichtungsgehilfen nach § 831
776
Nach § 831 Abs. 1 S. 1 ist, wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt (den sog. Verrichtungsgehilfen), zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den dieser Verrichtungsgehilfe in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt.
Dadurch wird eine Haftung für vermutetes eigenes Verschulden des Geschäftsherrn in Auswahl oder Anleitung des Verrichtungsgehilfen begründet. Ein etwaiges Verschulden des Gehilfen ist für diesen Anspruch irrelevant (begründet jedoch ggf. eine Eigenhaftung des Gehilfen nach § 823 Abs. 1 etc.).
Dem Geschäftsherrn ist gegen die Vermutung seines Auswahl- oder Überwachungsverschuldens der Entlastungsbeweis eröffnet (§ 831 Abs. 1 S. 2), dass er bei der Auswahl des Verrichtungsgehilfen, bei der Beschaffung der nötigen Vorrichtungen oder Gerätschaften und bei der Anleitung der Verrichtungen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet habe, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sei.
Darin unterscheidet sich diese selbstständige Haftungsnorm von der bloßen Zurechnungsnorm für fremdes Verschulden in § 278 für die vertragliche Schadenshaftung. Schuldfähig (vgl. §§ 827, 828) muss bei der Haftung für fremdes Verschulden der Handelnde, in § 831 hingegen der Haftende sein.
1. Tatbestand
777
§ 831 S. 1 knüpft an die anderen Deliktstatbestände des BGB an und spricht eine Haftung des Geschäftsherrn aus, wenn sein Verrichtungsgehilfe den objektiven Tatbestand einer unerlaubten Handlung im Zusammenhang mit der ihm übertragenen Verrichtung erfüllt. Voraussetzung ist also (nur) die Verwirklichung des äußeren Tatbestands einer unerlaubten Handlung i.S.d. §§ 823–826. Schuldhaftes Handeln des Täters selbst ist nicht erforderlich (sofern es nicht ausnahmsweise bereits zum Deliktstatbestand gehört, wie bei § 826 und in vielen Fällen von Schutzgesetzen des § 823 Abs. 2).
Der handelnde Täter muss Verrichtungsgehilfe sein, wofür genügt, dass der Geschäftsherr ihn entgeltlich oder unentgeltlich mit einer tatsächlichen oder rechtsgeschäftlichen Tätigkeit in der Weise betraut hat, dass der Gehilfe weisungsabhängig ist und seine Tätigkeit nach Zeit und Umständen vom Geschäftsherrn bestimmt ist und jederzeit beschränkt oder entzogen werden kann (Regelfall ist die Arbeitnehmereigenschaft des Gehilfen). Den Gegensatz bildet die Einschaltung selbstständiger Subunternehmer, für welche nicht nach § 831 gehaftet wird (wohl aber ggf. vertraglich über § 278).
Hinzukommen muss, dass der Verrichtungsgehilfe die unerlaubte Handlung gerade „in Ausführung“ der ihm übertragenen Verrichtungen vorgenommen hat. Erforderlich ist ein äußerer und innerer Zusammenhang mit der übertragenen Tätigkeit. Das ist stets dann der Fall, wenn sich ein Risiko verwirklicht, dessen Vermeidung zu den spezifischen Sorgfaltspflichten der bestellten Verrichtung gehört; Verkehrsstraftaten eines Berufsfahrers oder Vermögensdelikte eines angestellten Vermögensberaters gehören dazu. Den Gegensatz bilden Straftaten nur gelegentlich der Verrichtung, so etwa der Diebstahl durch einen Malergesellen in der anzustreichenden Wohnung (anders aber eine von ihm beim Hantieren verursachte Sachbeschädigung).
2. Entlastungsbeweis
778
§ 831 S. 1 ist (eigentlich, weil unvollkommen) eine Risikohaftung des Unternehmers (Haftung für sein Betriebsrisiko; ähnlich der noch weitergehenden kaufmännischen „Leutehaftung“ nach § 428 HGB), dem nicht einmal eine objektiv sorgfaltswidrige Missachtung von Verkehrspflichten nachgewiesen werden muss (solches wäre im Fall seines eigenen Unterlassens nach § 823 Abs. 1 erforderlich), sondern der vielmehr seinerseits deren sorgfältige Beobachtung nachweisen muss. Damit ist formal einem Verschuldensgrundsatz genügt und sind unvorhersehbare Schädigungen von der Haftung ausgenommen. Letztlich zwingt dieser Entlastungsbeweis zu einer Objektivierung von Auswahl-, Anleitungs-, Fortbildungs- und Überwachungsprozessen hinsichtlich eigener Arbeitnehmer und insb. zu entsprechender bürokratischer Dokumentation.
a) Problem des Organisationsgrads
779
Der höhere Organisationsgrad erleichtert damit die Exkulpation (sog. dezentralisierter Entlastungsbeweis: man hat ja „Stellen“ eingerichtet und ihnen die Verantwortung übertragen). Hiervon ausgehend erklärt sich die Entwicklung weitgehender Organisationpflichten für bestimmte Tätigkeiten und Berufe als Verkehrspflichten i.S.d. § 823 Abs. 1 zur Gefahrenvermeidung; so die Produzentenhaftung, weitgehende Sicherungspflichten der Organisatoren von Massenveranstaltungen, Überwachungspflichten von Reiseveranstaltern hinsichtlich der Verkehrssicherheit ihrer Vertragshotels, aber auch von Architekten zur Vorsorge gegen mögliche Baumängel und der Inhaber von Kfz-Reparaturwerkstätten zur Vermeidung aller möglichen Verkehrsrisiken durch Arbeitsfehler. Die Entlastungsmöglichkeit durch den Organisationsgrad (§ 831 S. 2) wird kompensiert durch einen Zwang zur Prozessorganisation; deren Verletzung ist dann das eigene Organisationsverschulden des Unternehmers (Haftung des Rechtsträgers nach § 823 Abs. 1).
b) Organhaftung als Außenhaftung von Geschäftsführern[93]
780
Eine Garantenstellung für die Einhaltung ebendieser Verkehrspflichten führt zudem zu einer Außenhaftung der Geschäftsleiter solcher Organisationseinheiten. Zwar lehnt die Rechtsprechung eine Garantenstellung allein aus der Organmitgliedschaft ab und verlangt für die Haftung als Teilnehmer im Grundsatz eine positive Kenntnis des jeweiligen Organmitglieds von den Pflichtversäumnissen ressortzuständiger Kollegen[94] – jedenfalls bei reinen Vermögenstaten (anders möglicherweise in Bezug auf deliktisch geschützte Rechtsgüter).[95] Insb. in einer angespannten wirtschaftlichen