Tom Sawyer. Mark TwainЧитать онлайн книгу.
Ja, gutaussehend – wenn man denn auf Blaumann steht. Gute Nacht Mädels, ich bin echt geschafft…
SANDRA: Gute Nacht… und träum schön vom kalten Strand oder heißen Hausmeister, such dir was aus…
CARO: Nimm den heißen Hausmeister… schlaf schön!
Heißer Hausmeister… Annabell grinste in sich hinein. Zugegeben, ganz attraktiv war er ja, mit seinen braunen, kurzen Haaren und seinen braunen Augen… und die muskulöse Figur unter diesem furchtbaren Blaumann war zumindest zu erahnen gewesen. Schlaksig und schwächlich war er ganz sicher nicht. Doch ganz egal, wie attraktiv dieser Jonathan auch war, Annabell hatte kein Interesse. Kein Interesse am Hausmeister – kein Interesse an irgendeinem Mann.
Das hatte vor fünf Jahren aufgehört. Jegliches Interesse am anderen Geschlecht, das sie vorher empfunden hatte, war verpufft, zu Asche zerfallen, einfach weg. Daran war er schuld gewesen. Er. Sie wusste nicht einmal seinen Namen, denn er hatte ihr einen falschen genannt. „Ich bin Carl Brook, Modelagent“, hatte er sich ihr vorgestellt und ihr förmlich die Hand geschüttelt. Carl Brook. Von wegen. Sie hatte später herausgefunden, dass es keinen Modelagenten namens Carl Brook gab, doch da war schon alles zu spät gewesen. Sie war siebzehn gewesen, blutjung, unerfahren und ganz am Anfang ihrer Modelkarriere. Nachdem sie ihr erster Auftraggeber fast schon klassischerweise von der Straße weg engagiert hatte – sie war mit Sandra und Caro Eis essend durch Lanbridge spaziert – waren weitere Jobs zunächst nur zögerlich gefolgt. Noch lief es nicht so richtig, aber alle, die schon länger in der Branche arbeiteten, sagten ihr eine goldene Zukunft voraus. Du bist was Besonderes, hörte sie oft, du hast das gewisse Etwas, das Gesicht von morgen… doch das nützte ihr heute noch nicht wirklich viel. Klinken putzen, empfahl ihr ihr erster Auftraggeber, nimm jeden Job, den du kriegen kannst, riet ihr ein bekannter Fotograf. Und das tat sie, doch irgendwie lief es noch nicht so richtig – sie war frustriert. Und als sie Carl Brook traf, wollte sie nichts mehr, als durchzustarten, ein bekanntes Model zu werden, und Geld zu verdienen. In einem Jahr würde sie die Schule abschließen, und im Gegensatz zu ihren Freundinnen hatte sie noch keine Ahnung, was sie danach machen würde. Sandra und Caroline wollten beide studieren. Caroline Medizin, das wollte sie schon immer, und Sandra war noch unsicher. Beide wollten sie überreden, sich ihnen anzuschließen. Überleg doch mal, Bella, wie lustig es wäre… wir drei zusammen an der Uni, pflegten sie auf sie einzureden. Doch Annabell hatte keine Lust dazu. Sie hatte lange genug die Schulbank gedrückt. Sie war keine schlechte Schülerin, aber eben auch keine begeisterte. Sie war clever und zuverlässig, und so schaffte sie ohne viel Mühe mittelmäßige bis gelegentlich gute Noten. Nicht wie Caro, die immer schon Klassenbeste gewesen war, aber sie hielt sich ohne Anstrengung im guten Mittelfeld. Damit weiterzumachen, Klausuren, Seminare, Hausaufgaben, Referate, und das ganze freiwillig – undenkbar für Annabell. Daher war sie überglücklich gewesen, als sich ihr die ersten Modelaufträge boten. Und als sie Brook traf, hatte sie bereits einige Wochen nicht mehr gearbeitet, und war verzweifelt. Es war einfach der perfekte Zeitpunkt gewesen. „Komm doch mit“, hatte er ihr angeboten, nachdem er ihr seine -gefälschte- Visitenkarte gegeben hatte. „Ich mache ein paar Aufnahmen mit dir, und vielleicht kann ich dich an einen meiner Kunden vermitteln!“ Das war Musik in Annabells Ohren gewesen, und sie hatte ihn zu sich ins Hotel begleitet. Das war der größte Fehler ihres Lebens gewesen.
7. Kapitel
Scheiße. Annabell stand unter der Dusche, drehte das heiße Wasser auf, und… nichts. Sie versuchte es ein zweites Mal, drehte die auf antik gemachte, aber hochmoderne Armatur zu und wieder auf, doch erneut tat sich rein gar nichts. Annabell seufzte und stieg aus der Dusche. Hoffnungsvoll versuchte sie es bei der Badewanne, aber auch hier – nichts. Kein heißes Wasser. Nada. Das kalte funktionierte einwandfrei, aber auf eine kalte Dusche hatte sie so überhaupt keine Lust. Nicht nach dem kalten Atlantik und dem noch kälteren Sand…! Sie hatte fast zwölf Stunden durchgeschlafen, und das ganze fast traumlos. Nur einmal hatte sie ein von Kopf bis Fuß in blau gekleideter Mann in ihren Träumen heimgesucht… komisch. Jetzt hatte sie sogar Rückenschmerzen vom langen Schlafen und wollte sich endlich wieder wie ein Mensch fühlen, zumal sie heute zum Glück den ganzen Tag frei hatte. Die Aussicht auf eine heiße Dusche hatte ihre gute Laune noch weiter verbessert, und jetzt das. Bella trat aus dem Badezimmer und zog sich schnell eine weite, leicht ramponierte Jogginghose an und schnappte sich dazu ein unfassbar kitschiges Tanktop, das ihr Sandra und Jake von ihrer verspäteten, kurzen Hochzeitsreise vor drei Monaten mitgebracht hatten. Es war leuchtend gelb, und hatte einen Cocktail auf der Brust, mit der Unterschrift „Sex on the Beach“. Eine klare Anspielung auf Caroline, die natürlich auch so ein Shirt erhalten hatte. Caros Lieblingscocktail war der besagte „Sex on the Beach“, und sie hatte dies einmal völlig unbedarft ihrem Schwarm Rick entgegengeschleudert, was zu einem wochenlangen Running Gag zwischen den drei Freundinnen geworden war. Annabell musste immer noch grinsen, wenn sie daran dachte. Wo ist denn noch mal die Nummer von diesem Hausmeister…? Bella suchte in ihren Unterlagen, die sie recht nachlässig in einem Fach ihres Küchenschrankes stapelte und verfluchte zum wiederholten Male ihre Unfähigkeit, Ordnung in derartigen Papieren zu halten. Ansonsten war sie ein sehr ordentlicher Mensch, ihre Wohnung war immer aufgeräumt, aber Dinge wie Infoschreiben, Werbebroschüren und Co. überforderten sie anscheinend. Irgendwo hierzwischen musste doch dieser Brief sein… Nein. So ein Mist. Bella hatte die Wahl. Sollte sie akzeptieren, nicht heiß duschen zu können, oder sollte sie den Hausmeister suchen? Kurzentschlossen ergriff sie ihr Schlüsselbund, schlüpfte in ihre Tigerpuschen und machte sich auf den Weg. Der letzte Hausmeister hatte im Souterrain gewohnt, dort würde sie es als erstes versuchen. Annabell stieg in den Aufzug und studierte das Hinweisschild. Und wirklich, beim Knopf „U“ für Untergeschoss stand „Concierge J. Bingly“ daneben. Concierge. Annabell grinste und schüttelte den Kopf, während sie den Knopf betätigte. Ob er selbst sich diese bescheuerte Berufsbezeichnung ausgedacht hatte? Sie bezweifelte es stark, denn es klang nicht nur blasiert, sondern auch albern, und beides schien er nicht zu sein. Sie rümpfte die Nase, als sie an gestern dachte. So bald hatte sie ihn eigentlich nicht wiedersehen wollen… aber ihre Dusche war anderer Meinung. Bella stieg aus dem Lift und stand direkt vor der Wohnungstür des Hausmeisters. Forsch klopfte sie an.
Jonathan hatte fast so lange geschlafen wie Annabell. Nachdem er gestern nach seinem Traum wieder in einen tiefen Schlaf gefallen war, war er doch nachts erneut erwacht. Hunger, Durst und seine Blase hatten ihn geweckt, und so hatte er sich einen nächtlichen Snack, bestehend aus einer Tiefkühlpizza und einem Bier gegönnt, bevor er sich erneut hingelegt hatte. Während des Essens hatte er im Internet, nur aus Langeweile, nach Annabell Jenkins gesucht. Wie sich schnell herausstellte, war sie momentan eine große Nummer im Modelbusiness. Jon sah hunderte, nein tausende Fotos, eines schöner als das andere. Und sie schien enorm wandelbar. Mal das kleine Mädchen, mal der heiße Vamp… sie konnte scheinbar einfach alles verkörpern und sah immer super aus. Abgesehen von den vielen Fotos fand er lächerlich wenig anderes über sie. Sie war hier in Lanbridge geboren und zur Schule gegangen, und war dann, fast schon klassisch, auf der Straße entdeckt worden. Dass sie immer noch hier wohnte, wunderte ihn. Zog es die meisten Models nicht in irgend so eine hippe Modemetropole? Dann hatte er sich wieder hingelegt und hatte traumlos bis zum nächsten Vormittag durchgeschlafen, so müde war er nach dem anstrengenden Wochenende und dem Montag. Mal wieder hatte er eine Vorlesung einfach ausfallen lassen… lange ging das nicht so weiter, das wusste er. Er würde sich am Riemen reißen müssen, um seine Leistung an der Uni zu halten. Jon machte sich eine Schale Müsli, schnitt eine Banane hinein und goss den kläglichen Rest Milch darüber. Na toll. Einkaufen gehen musste er also auch noch… Dann setzte er sich auf sein Sofa, schaltete den Fernseher ein und während er durch die Programme zappte, löffelte er sein Frühstück – bis ein Klopfen an der Tür ihn innehalten ließ. Jon stellte seufzend die Müslischale ab, schaltete den Fernseher aus und eilte zur Tür. Concierge, dachte er, Tag und Nacht, immer zuständig…
Als er die Tür öffnete, setzte sein Hirn für einen Moment aus. Häh…? Zu mehr als diesem sinnvollen Gedanken war er nicht fähig. Im ersten Augenblick erkannte er Annabell nicht mal, obwohl er sie heute Nacht in den verschiedensten Aufmachungen vor Augen gehabt hatte… aber bestimmt nicht so. Doch