Toxikologie für alle. Helmut GreimЧитать онлайн книгу.
oxidiert wird. Da die Ameisensäure nur langsam über die Niere ausgeschieden wird, steigt die Konzentration im Körper an, wenn bei höherer Exposition mehr Ameisensäure gebildet wird, als ausgeschieden werden kann. Dies führt zur Übersäuerung (Acidose), die besonders die Sehnerven schädigen kann.
13.6 Reduktive Metabolisierung
Reduktive Metabolisierung findet vor allem durch Enzyme der Darmbakterien statt und kann eine bedeutende Rolle bei der Metabolisierung von Fremdstoffen spielen. Ein Beispiel ist die reduktive Spaltung von Azofarbstoffen wie Kongorot, wodurch aromatische Amine freigesetzt werden. Aus aromatischen Nitroverbindungen wie Nitrobenzol entsteht durch schrittweise Reduktion über Nitrosobenzol und Phenylhydroxylamin schließlich Anilin.
13.7 Epoxidhydrolasen
Die Epoxidhydrolasen spielen eine wichtige Rolle bei der Entgiftung von Epoxiden, die zumeist durch CYP-Aktivitäten gebildet werden, wobei in der Leber die höchste Aktivität der Epoxidhydrolasen zu finden ist. Die geringe räumliche Entfernung zum CYP fördert die Entgiftung der über die CYPs gebildeten reaktiven Epoxide zu den weniger reaktiven und damit praktisch nicht mehr toxischen Dihydrodiolen.
13.8 Phase-II-Enzyme
Durch verschiedene Phase-II-Reaktionen werden Fremdstoffe oder ihre Phase-I-Metaboliten zumeist in wasserlösliche Produkte umgewandelt, die über die Niere oder Galle ausgeschieden werden. Bei diesen Reaktionen werden reaktive Zwischenprodukte (Co-Faktoren) wie die UDP-Glucuronsäure, 3´-Phosphoadenosin-5´-phosphosulfat oder Acetyl-Coenzym A mithilfe entsprechender Enzyme an die Fremdstoffe oder die Phase-I-Metaboliten angehängt (konjugiert). In einzelnen Fällen entstehen dabei reaktivere und damit toxische Konjugate.
Die meisten Konjugationsreaktionen finden in der Leber statt. Die dabei entstehenden Glucuronide werden wegen ihres hohen Molekulargewichts bevorzugt über die Gallenwege ausgeschieden. Sie gelangen damit in den Darm, wo sie bakteriell gespalten, rückresorbiert und wieder in der Leber ankommen können (enterohepatischer Kreislauf). Die mit Sulfat gekoppelten Fremdstoffe haben ein kleineres Molekulargewicht und werden über die Nieren ausgeschieden.
13.9 Glucuronidierung
Die Glucuronidierung ist eine der bedeutsamsten Konjugationsreaktionen, die sowohl körpereigene als auch Fremdstoffe in gut wasserlösliche Endprodukte umwandelt. Diese von Glucuronyltransferasen vermittelten Reaktionen benötigen aktivierte Glucuronsäure als Co-Faktor, die sie an eine funktionelle Gruppe der zu verändernden Substanz koppeln (siehe Abb. 12.2). Hohe Aktivitäten dieser Enzyme finden sich in der Leber, den Nieren und in der Darmwand. Neben vielen Fremdstoffen werden auch körpereigene Substanzen wie Bilirubin, Steroidhormone und fettlösliche Vitamine glucuronidiert. Bilirubin ist ein Abbauprodukt des roten Blutfarbstoffes, der kurz nach der Geburt durch den Abbau des fetalen Hämoglobins in großen Mengen anfällt. Dadurch wird die Glucuronidierung überfordert, sodass die Bilirubinkonzentrationen im Blut ansteigen und es zur Gelbfärbung der Haut kommt.
13.10 Sulfatierung
Diese Reaktion wird von Sulfotransferasen, einer Gruppe von Enzymen aus Leber, Niere, Magen-Darm-Trakt und Lunge, katalysiert, indem eine Sulfatgruppe an den Fremdstoff angehängt wird.
Das zur Bildung des aktivierten Sulfats nötige anorganische Sulfat wird aus dem Abbau schwefelhaltiger Aminosäuren bereitgestellt, seine Verfügbarkeit ist abhängig von Ernährungsfaktoren und daher begrenzt. Falls große Mengen an Fremdstoffen sulfatiert werden müssen, kann Sulfatierung wegen des Mangels an diesem Co-Faktor nicht mehr stattfinden. Dadurch kann die Sulfatierung und die Ausscheidung von körpereigenen Stoffen beeinträchtigt werden, wie auch die Synthese von sulfathaltigen Aminosäuren wie Methionin oder Cystein und damit von Proteinen.
13.11 Kopplung an Aminosäuren
Körpereigene oder über verschiedene Wege aufgenommene Carbonsäuren können mit unterschiedlichen Aminosäuren konjugiert werden. Die wichtigsten Substrate für die Aminosäurekonjugation sind aromatische Carbonsäuren wie Benzoesäure, Arylessigsäuren und substituierte Acrylsäuren. Dabei wird der Fremdstoff zunächst durch Bildung eines Coenzym-A-Esters aktiviert, an den die Aminosäuren gekoppelt werden können.
13.12 Acetyltransferasen
Aromatische Amine, α-Aminosäuren, Hydrazine und Sulfonamide werden durch Übertragung der Acetylgruppe aus Acetyl-Coenzym-A durch die Acetyltransferasen acetyliert. Die beim Menschen vorhandenen genetisch bedingten Unterschiede sind im Abschn. 13.18 dargestellt.
13.13 Glutathion-S-Transferasen
Diese Gruppe von Enzymen katalysiert die Bildung von Mercaptursäuren (N-Acetylcystein-Derivaten), indem sie in einem ersten Schritt mit Glutathion (GSH) gekoppelt werden. Glutathion-S-Transferasen finden sich in vielen Organen, in hoher Konzentration in der Leber, im Magen, im Darm und in den Hoden.
Die gebildeten Glutathionkonjugate werden über mehrere Zwischenprodukte zu den wasserlöslichen Mercaptursäuren metabolisiert, die über die Niere ausgeschieden werden. Als Zwischenprodukte entstehen Cysteinkonjugate, aus denen mithilfe einer Acetyltransferase die Mercaptursäuren entstehen.
Viele toxische Verbindungen werden als Mercaptursäurederivate mit dem Urin oder als Glutathionkonjugate mit der Galle ausgeschieden. Glutathion-Transferasen katalysieren auch die Entgiftung von reaktiven Sauerstoffspezies. Dabei wird GSH zu Glutathiondisulfid (GSSG) oxidiert.
13.14 Methyltransferasen
Methyltransferasen sind eine große Gruppe von Enzymen, die nicht nur Fremdstoffe, sondern auch körpereigene Substanzen methylieren. Sie spielen damit eine wichtige Rolle im Stoffwechsel des Körpers (Intermediärstoffwechsel). Neben Aminen und Schwefelverbindungen werden auch Metalle wie Quecksilber und Arsen methyliert, was deren Toxizität erhöht.
13.15 Faktoren, welche die Biotransformation von Fremdstoffen beeinflussen
Der Aufnahmeweg und die in den Körper gelangte Menge einer Substanz beeinflussen Ausmaß und Wege ihrer Biotransformation. Stoffe, die aus dem Darm aufgenommen und damit über die Pfortader direkt in die Leber transportiert werden, unterliegen dort quantitativ über leberspezifische Enzyme einer Metabolisierung und gelangen damit nur in geringer Menge in andere Organe. Diese Biotransformation wird als hepatischer First-Pass-Effekt bezeichnet. Wird dagegen eine Substanz intravenös injiziert oder inhaliert, verteilt sie sich im Körper und gelangt zu den verschiedenen Organen und wird dort metabolisiert. Die Verfügbarkeit eines Stoffes in einem Organ ist damit abhängig vom Aufnahmeweg sowie ihrer Wasserbzw. Fettlöslichkeit, da nur Letztere die Zellmembranen durchdringen, während die wasserlöslichen ausgeschieden werden. Einige Fremdstoffe liegen im Organismus zum größten Teil in einer proteingebundenen Form im Blut oder auch in Organen vor. Da die so gebundenen Substanzen für eine toxische Wirkung oder für die Ausscheidung nicht verfügbar sind, hat die Proteinbindung einen großen Effekt auf die Verfügbarkeit des Fremdstoffes in der Zelle und damit auf ihre Toxizität sowie die Ausscheidungsgeschwindigkeit.
Auch Ernährung, Geschlecht, Lebensumstände, Alter und genetische Veranlagung können die Aktivität einzelner Stoffwechselenzyme beeinflussen. Bei Neugeborenen ist die Kapazität für den Stoffwechsel für einige Fremdstoffe gering, entsprechende Enzymaktivitäten entwickeln sich erst in den ersten sechs Lebensmonaten. Im fortgeschrittenen Alter geht die Kapazität des Körpers zur Verstoffwechslung von Fremdstoffen wieder zurück.