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Der Alpdruck. Ханс ФалладаЧитать онлайн книгу.

Der Alpdruck - Ханс Фаллада


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alle – und dazwischen rief er nach Wein, Wein, Wein!

      Es wurde ein ganz großer Abend. Auf einen Mann Ausgang der Vierzig macht es schon Eindruck, wenn eine zwanzigjährige schöne Frau ihn merken läßt, er interessiert sie. Was Doll über so viel interessierter Jugend aber nicht verlor, war seine kritische Beobachtungsgabe, und die war es, die ihn darauf aufmerksam machte, daß der alte Tierarzt, während Doll begeistert nach links erzählte, unterdes rechts in eigener Sache arbeitete. Dem Tierarzt waren sowohl Geschichten wie Frauen längst gleichgültig geworden, ihn interessierte nur der Alkohol. Alkohol gab es genug an diesem Tisch, aber nach Ansicht von Farken-Willem wurde er zu langsam getrunken. Während er aller Augen auf die junge Frau gerichtet sah, tastete sich des Tierarztes Hand nach der Flasche. Hastig füllte er sein Glas, leerte es, und füllte es sofort wieder ...

      »Hoppla!« rief Doll, der ihm den Rücken zuzuwenden schien und hatte es doch gesehen. »Dies nun doch nicht! Solange ich der Gastgeber bin, bestimme ich das Tempo!« Und er nahm Wilhelm die Flasche aus der Hand, aber nicht unliebenswürdig.

      Natürlich fielen nun sofort alle Mann über den alten Freischlucker und Säufer her, sie zogen ihn nach Kräften auf. Sie verspotteten ihn, sie kramten Geschichten der beschämendsten Art über ihn aus, ins Gesicht hinein verdächtigten sie ihn aufs gemeinste. Aber das kümmerte ihn nicht viel, er schämte sich nicht. Er war es längst gewohnt, jeden Freischluck mit einer Kränkung seiner Menschenwürde zu bezahlen. Das war nun schon so lange und so oft geschehen, daß darüber all seine Menschenwürde längst verlorengegangen war. Sicher, er verachtete sie alle, sie hätten alle sterben können in dieser Minute vor seinen Augen es hätte ihm nichts ausgemacht – nur Alkohol machte ihm noch etwas aus. So ließ er sie auch jetzt spotten und hänseln, er hörte sie gar nicht, seine dicke, altersfleckige Hand lag um den Stiel des Weinglases, er dachte: ›Ich habe doch zwei Gläser Wein mehr als ihr!‹ Und: ›Wenn es wieder so paßt, versuche ich es noch einmal!‹

      Darauf brauchte er nicht einmal sehr lange zu warten. Es saß ja eine blühende, junge, schöne Frau am Tisch, ein gewaltiger Flirt – den alten Farken-Willem konnten sie alle Tage haben, aber dieses Weiblein durften sie sich nicht entgehen lassen. Vergessen saß der Tierarzt da. Diesmal drehte ihm Doll wirklich ganz den Rücken zu. Dreimal hatte er nun schon die Weinflasche angefaßt und die Hand doch wieder leer zurückgezogen. Beim vierten Male griff er entschlossen zu und schenkte sich neu ein ...

      Und sofort fuhr wiederum Dolls Kopf über die Schulter, und, diesmal ohne die geringste Liebenswürdigkeit, sagte er: »Wenn Ihnen das Tempo, in dem wir an diesem Tische trinken, nicht paßt, setzen Sie sich vielleicht an einen anderen? Es sind ja genug Tische frei ...« Und da der Tierarzt ihn zweifelnd, ungläubig, fast flehend anblickte, eher noch gesteigert: »Verstehen Sie mich nicht –? Sie sollen von diesem Tische fortgehen! Ich habe Ihre Unverschämtheiten satt!!!«

      Langsam hatte der alte Mann sich aufgerichtet. Langsam ging er auf einen Tisch im entgegengesetzten Winkel des Zimmers zu. (Da es schon sehr spät war, längst nach Polizeistunde, war kein anderer Gast als diese mehr im Zimmer.) Einen Augenblick hatte er geschwankt, aber dann hatte er doch dieses Glas, durch das er so viel verloren, in die Hand genommen, und trug es vorsichtig wie ein Heiligtum vor sich her. War es doch das letzte Glas Wein, das er voraussichtlich an diesem unseligen, so glücklich begonnenen Abend trinken sollte. Hinter ihm spotteten sie auf die gröbste Art, vor Schadenfreude zerplatzten sie bald, diese fetten, vollgetrunkenen Spießer. Übrigens beteiligte sich Doll natürlich nicht an diesen zusätzlichen Demütigungen eines schon Besiegten, vielleicht bereute er sogar seine zornigen Worte – es war ja schließlich ein alter Mann. Aber wenn er bereute, so verging diese Reue rasch, denn die junge Frau sagte plötzlich: »Das war recht, Herr Doll, ich habe den alten Schleicher auch nie ausstehen können!«

      Das Trinken und die lebhafte Unterhaltung am Stammtisch gingen weiter – diese Unterhaltung, die immer trunkener wurde. Der alte Tierarzt war vergessen. Er aber saß da an seinem Tischchen, die Hand noch immer um den Stiel seines Glases, das nun schon längst geleert war. Er saß, er sah, er hörte, er zählte. Er zählte die Flaschen, die noch an den Tisch getragen wurden, er zählte die Gläser, die jeder trank, und bei jedem Glase, das sie dort tranken, dachte er: ›Davon hätte ich auch eines haben müssen!‹

      Dr. Wilhelm wartete ab, bis die drüben endlich genug hatten und sich zum Bezahlen anschickten. Dann verließ der Tierarzt leise die Gaststube und stellte sich auf vor dem Hotel in einer dunklen Straßenecke.

      Lange mußte er warten, bis die beiden auftauchten, jedes sein Rad führend. Er sah das weiße Kleid der Frau, schnurgerade führte sie ihr Rad, während der Mann große Kurven machte, oft halten mußte. Dann nahm er einen neuen Anlauf, stieß gegen das Rad seiner Begleiterin und ließ das eigene fallen. Er brach in ein betrunkenes Gelächter aus und hielt sich an der Frau. Dr. Wilhelm stellte noch fest, daß die beiden an der Straßenecke, an der sie sich hätten trennen müssen, nicht auseinandergingen. Doll begleitete die junge Frau, stolpernd, fallend, fluchend, lachend, auf ihrem Heimwege. Kopfnickend, das lederne Gesicht noch mehr verzogen, als fräße er reine Galle, machte der Tierarzt sich auf den Heimweg, langsam und gravitätisch, mit sehr auswärts gesetzten Füßen.

      Am nächsten Morgen schon durchflogen Gerüchte von der ‹Orgie›, die im ersten Hotel der Stadt gefeiert worden, die Straßen und Gassen und gelangten mit den Milchwagen auch bald aufs freie Land. Doll, den ein telefonischer Hilferuf der jungen Frau in die Stadt holte, erfuhr von dieser, daß die sehr bigotte Frau des Hoteliers ihr ‹wegen unsittlichen Auftretens› für heut und immer die Gaststube verboten habe. Die junge Frau war unglücklich und empört; zum erstenmal in ihrem Leben sah sie sich einem jener Kleinstadt-Urteile gegenüber, die ohne Anhören des Beschuldigten gefällt werden und gegen die es weder Berufung noch Wehren gibt.

      »Und wir haben uns doch nichts vorzuwerfen! Nichts ist geschehen, nicht einmal ein Kuss! Und dieses Schwein von einem Tierarzt hat erzählt, ich hätte den ganzen Abend auf Ihrem Schoß gesessen, und Sie dann in der Nacht mit mir nach Haus genommen! Wo doch das ganze Hotel weiß, daß Sie dort übernachtet haben!«

      Dies war richtig: nachdem sich nämlich herausgestellt hatte, daß Doll weder gehen noch radeln konnte, hatte ihn seine Begleiterin zum Hotel zurückgeführt, wo er sich dann ein Zimmer genommen hatte.

      »Nein, Herr Doll, Sie müssen unbedingt mit dem Wirt reden! Das Lokalverbot gegen mich muß aufgehoben und diesen ekelhaften Gerüchten Einhalt getan werden! Sie müssen mir helfen, Doll, ich bin sehr unglücklich! Wie gemein das alles ist –! Die hier hassen eine Frau schon, bloß weil sie gut aussieht und gerne lacht. Am liebsten verkaufte ich unser Wochenendhaus auf der Stelle und käme nie wieder hierher –!«

      Tränen standen in den Augen der jungen Frau, und Doll versprach alles, was sie wünschte. Er hätte es aber auch ohne diese Tränen getan, denn auch ihn erfüllten Wut und Haß. Doch sollte er rasch erfahren, daß solche Gerüchte leichter entstehen als ausgelöscht werden. Der unter der Fuchtel der bigotten Frau lebende Hotelier wand sich wie ein Wurm; schließlich, als die Debatte hitziger wurde, verschwand er sachte aus dem Zimmer und – ward an diesem Tage nicht mehr gesehen. Der als Entlastungszeuge angerufene Amtsgerichtsrat, sichtlich von Eifersucht auf den jüngeren, erfolgreichen Doll besessen, war ungewiß in seinen Angaben: in der Gaststube habe er nichts Anstößiges beobachtet. Was dann in der Nacht draußen auf der Straße geschehen sei, darüber könne er freilich nichts aussagen. Mit solchen Geschichten habe er übrigens nicht gerne etwas zu tun –!

      Empört rief Doll: »Was soll denn auf der Straße vorgekommen sein –?! Jeder im Hotel weiß, daß ich hier übernachtet habe!«

      Sanft, mit gesenktem Kopf, gab die Hoteliere zu bedenken, daß zwischen dem Fortgang der beiden und seiner, Herrn Dolls, Rückkehr ins Hotel immerhin mehr als eine Stunde vergangen sei –!

      »Das ist maßlos übertrieben!« rief Doll. »Eine Viertelstunde vielleicht, im höchsten Falle eine halbe Stunde kann es gedauert haben –!«

      Die Hoteliere und der Amtsgerichtsrat lächelten, dann meinte die Frömmlerin, auch eine halbe Stunde sei lang, auch in einer halben Stunde könne vieles geschehen ...

      Jetzt drückte sich auch der Amtsgerichtsrat aus der Stube, den zornigen Ruf Dolls, wie


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