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Erwin Rosenberger: In indischen Liebesgassen - Prostitution in Bombay - Aus dem Tagebuch eines Schiffsarztes. Erwin RosenbergerЧитать онлайн книгу.

Erwin Rosenberger: In indischen Liebesgassen - Prostitution in Bombay - Aus dem Tagebuch eines Schiffsarztes - Erwin Rosenberger


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nordöstlich von der Grant-Road ist als Kamatipura auf dem Stadtplan bezeichnet. – Da bin ich also an der richtigen Schmiede. Hier dürfte die Gasse liegen, die wir gestern durchstreift haben.

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      Ein zweiter Besuch

       Ein zweiter Besuch

       https://www.projekt-gutenberg.org/rosenerw/liebesga/chap004.html

      Bombay, im Februar 19..

      Gestern Abend war ich wieder in Kamatipura und in der gewissen Gasse. Diesmal mit Offizieren unseres Dampfers.

      Das Namenschild dieser Gasse, in der die Hauptansiedlung der Freudenmädchen ist, zeigt die Aufschrift „Suklajistreet“.

      Wir schlenderten langsam durch die Gasse, blieben da und dort verweilend stehen, wenn uns eine Einzelheit lebhafter interessierte.

      Alsbald schloss sich uns ein Inder an und erbot sich mit einigen englischen Wort-Brocken, er wolle uns zu empfehlenswerten Mädchen hinführen.

      Meine Begleiter, die, wie es scheint, im allgemeinen auf die Zunft der Kuppler nicht gut zu sprechen sind, weisen den Mann nicht gerade höflich ab.

      Es ist ersichtlich, dass hier in der Suklajistreet, gemäß der landesüblichen Wertung, der „Europäer“ unter allen Besuchern der Gasse der angesehenste und begehrteste ist.

      Eingeborene Männer gibt's zwar genug in der Suklajistreet, – sie sind entweder unbeteiligte, durch die Gasse schreitende Passanten oder sie sind aus Schaulust hergekommen oder vielleicht um der Hütte einer Inderin einen Besuch abzustatten, – aber diese Inder oder sonstigen „Natives“ werden von den Mädchen gar nicht beachtet, zum mindesten nicht von den „höheren“ Kategorien, nämlich von den Europäerinnen und Japanerinnen.

       Die Freudenmädchen haben eben mit den meisten ehrbaren Mitgliedern der menschlichen Gesellschaft die Eigenheit gemein, dass sie den Leuten mehr oder weniger Beachtung schenken, je nachdem die Leute mehr oder weniger Geld zu besitzen scheinen. Der braune, mit zweifelhaft weißem Weißzeug dürftig bekleidete Inder ist ja nicht so zahlungswillig oder zahlungskräftig wie der Europäer. Und überdies ist er ein „Native“, also etwas a priori minder Wünschenswertes.

      Solange nur Inder vorbeigehen, sind die Europäerinnen, Japanerinnen und im Allgemeinen auch die Inderinnen bloß ruhige Beobachterinnen der Gasse, harrend einer würdigeren Beute. Erst wenn ein Europäer auftaucht, hebt das Konzert der Werberufe und das Wink-Gebärdenspiel an.

      Die Europäer! Die Repräsentanten des Europäertums, welche diese Gasse aufsuchen, sind zumeist Seeleute verschiedentlicher Grade und Nationen, ferner Soldaten der englischen Garnison von Bombay; in vereinzelten Exemplaren sind auch Männer zu sehen, die den europäisch-bürgerlichen Kreisen von Bombay anzugehören scheinen.

      Weder gestern, noch vorgestern waren übrigens die europäischen Besucher allzu reichlich vertreten.

      Die meisten Häuschen der Gasse sind von Freudenmädchen okkupiert. Hie und da im Erdgeschoß eines Häuschens der ärmliche Geschäftsladen oder die dürftige Werkstätte eines Eingeborenen.

      Europäische Mädchen halten gleich die ersten Häuschen links nahe dem Anfang der Gasse besetzt, vielleicht in der Absicht: wer zuerst lockt, lockt am erfolgreichsten.

       Eine Europäerin hat sich auf einem Sessel vor ihrem Häuschen so zurechtgesetzt, dass die Form des bestrumpften Beines genügende Publizität erhält. Im großen Ganzen sind jedoch die Mädchen von Kamatipura nicht darauf aus, zu Werbezwecken eine bewusste ungemäßigte Exhibition zu verwenden, in größerem Ausmaße „sich eine Blöße zu geben“. Die Europäerinnen der Suklajistreet, die da vor ihren Freudenhütten sitzen oder stehen, sind verhältnismäßig züchtig gekleidet. Zwar sind viele dieser Europäerinnen in einer Tracht, in der sie nicht durch die Straßen europäischer Städte gehen könnten, – sie sind ausgiebig dekolletiert, – doch auf europäischen Bällen könnten sie erscheinen, ohne Aufsehen zu erregen, auf europäischen Tanz- und anderen Unterhaltungen, bei Festtafeln, auf den Brettern und bei sonstigen öffentlichen Gelegenheiten, wo die Dame der guten europäischen Gesellschaft ihrem Dekolleté auch keine größeren und keine kleineren Raumüberschreitungen gestattet als die europäischen öffentlichen Mädchen hier in der Freudengasse von Bombay.

      Hier in der Suklajistreet haben manche der europäischen Freudenmädchen zudem ziemlich kurze Röcke; ziemlich „unziemlich“.

      An der Tracht der Japanerinnen merkt der europäische Besucher der Suklajistreet keinerlei erotische Intentionen. Die Europäerin sucht durch ein Manko ihrer Bekleidung, durch ein Minus der Verhüllung auf den Mann Eindruck zu machen, die Japanerin hingegen durch eine Reichlichkeit der Gewandung, durch eine Vollständigkeit der Bedeckung mit einem sichtlichen Willen zur Prunkhaftigkeit. Wenn die japanischen Mädchen regungslos, ohne zu winken und zu rufen, vom Fenster niederblicken, hat man eigentlich kein rechtes Anzeichen, ihren Beruf zu ersehen.

      Die Inderinnen der Suklajistreet, unserer Freudengasse, sind nicht mehr entblößt als die ehrbaren Hindu-Mädchen, die man in den belebtesten Straßen von Bombay sieht.

      – Die Freudengasse, in der wir gestern waren, gibt uns reichlich Anregung, über das Kapitel „Schamhaftigkeit und Ungeniertheit“ Betrachtungen anzustellen. An einzelnen Stellen der Gasse geht's recht ungezwungen zu, man sieht manchmal Situationen, welche dartun, dass Männlein und Weiblein, europäische und asiatische, hier unter Umständen keine übermäßige Scheu vor dem Auge allfälliger Beobachter haben.

      Hinter den Gitterstäben einer Hütte sitzt in zärtlicher Umarmung mit einer Inderin ein Weißer, der, seinem Habitus nach, einer unteren Seefahrerklasse angehören mag. Er liebkost mit heiterer – oder angeheiterter – Gemütlichkeit sein schwarzbraunes Mädchen und schert sich nicht im Geringsten um sämtliche Zeugen, weiße und dunklen, die draußen vor dem Gitter vorbeispazieren.

       Eine andere Hütte birgt – vielmehr zeigt – einen Europäer (dem Anschein nach ebenfalls ein Seemann), der gerade dabei ist, in kompletter Straßentoilette das Lager einer Inderin aufzusuchen; er schlägt einen der vier Vorhänge zurück, die eine Art Zelt über dem Bett bilden, und verschwindet im Innern des Vorhang-Geheges.

      Das vollzieht sich nahezu in der Öffentlichkeit, denn jeder Vorübergehende hat direkten Einblick durch die Gittertür in die kleine stallartige Behausung, in die einzige Räumlichkeit der Hütte.

      Hm, es ist eine gewisse Logik in solcher Ungeniertheit; (von der ästhetischen Seite und vom Reinlichkeitsstandpunkt der Angelegenheit wollen wir schweigen;) wer durch derlei Schauspiele in den Zorn des Tugendhaften versetzt wird, der braucht eben nicht in die Hütten hineinzuschauen, der braucht überhaupt nicht nach Kamatipura herauszukommen. Kommt und schaut er dennoch, nun so hat er sich's selber zuzuschreiben, dass er genötigt ist, die gewisse moralische Entrüstung zu simulieren.

      Ähnlichen Erwägungen sind wohl auch die britischen Verwaltungsorgane zugänglich, die hier in Bombay, innerhalb und außerhalb des Freudenmädchen-Quartiers, dem Satz „Naturalia non sunt turpia – Natürlichkeiten sind nicht schändlich“ eine Berechtigung zugestehen, die sie ihm bekanntlich ansonsten nicht immer einzuräumen pflegen.

      Die klügliche britische Taktik! – Im Kolonialgebiet werden herkömmliche Einrichtungen, die Bräuche des Eingeborenen, Bekleidungssitten, Religion und andere Kulturerscheinungen nicht angetastet, sofern sie harmlos sind; harmlos, das heißt: wenn sie die englische Herrschaft nicht bedrohen. Zu Hause, in der englischen Heimat, hat, wie man weiß, der gewisse Mr. Cant manchmal noch andere Ansichten über Harmlos und Nicht-harmlos.

      – – – Um den Geschmack der Schiffsoffiziere, mit denen ich dahinspaziere, zu erkunden, frage ich, welche Spezies der Mädchen ihnen verhältnismäßig am meisten zusage. Sie antworten, am nettesten sähen die Europäerinnen aus.

       Es scheint, dass in jedem Häuschen der Japanerinnen ungefähr ein halbes Dutzend Mädchen untergebracht ist. An je einem Fenster sitzen zwei japanische Mädchen; manchmal hat nur ein einziges Mädchen ein Fenster inne.


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