Tom Jones. Henry FieldingЧитать онлайн книгу.
in Sünden. Er führte verschiedene Sprüche an, (denn in der Bibel war er sehr belesen) dergleichen waren: Er sucht die Sünden der Väter heim an den Kindern; und, die Väter haben Herlinge gegessen, und den Kindern sind die Zähne stumpf geworden, u.s.w. Hieraus verteidigte er die Rechtmäßigkeit, das Verbrechen des Vaters an dem Bankert zu bestrafen. Er sagte: »Obgleich die Gesetze nicht ausdrücklich erlaubten, solche Schandgeburten aus der Welt zu schaffen, so hätten sie solche doch für erb- und ehrenunfähig erklärt; die Kirche betrachte solche als erb-und ehrlos, und das Höchste, was man für sie thun dürfte, wäre, daß man sie zu den niedrigsten und verächtlichsten Diensten in der bürgerlichen Gesellschaft aufwachsen ließe.«
Herr Alwerth antwortete auf alles dieses und auf noch weit mehreres, was der Kapitän über diesen Punkt vorgebracht hatte: »So strafbar die Eltern sein möchten, so wären die Kinder doch gewiß unschuldig. Betreffend die Sprüche, die er angeführt habe, so wäre der erste eine an die Juden besonders gerichtete Drohung, gegen die Sünde der Abgötterei, wenn sie ihren himmlischen König verließen und haßten; und der letzte wäre eine Parabel, oder Gleichnißrede, und ginge mehr darauf, die gewissen und notwendigen Folgen der Sünden anzuzeigen, als daß es ein ausdrücklicher Urteilsspruch sein sollte. Den Allmächtigen aber als einen Rächer hinzustellen, der den Unschuldigen die Sünden des Verbrechers büßen lasse, sei unanständig, wo nicht gar Gotteslästerung, weil man dadurch sagte, Gott handle gegen den höchsten Grundsatz der natürlichen Gerechtigkeit, und gegen die ursprünglichen Begriffe von Recht und Unrecht, die er doch selbst in unsre Seelen gepflanzt habe; nach welchen wir nicht nur alle nicht geoffenbarten Dinge, sondern die Wahrheit der Offenbarung selbst beurteilen müßten.« Er sagte: »er wüßte es, daß viele über diesen Punkt mit dem Kapitän einerlei Grundsätze hätten; er aber selbst sei vom Gegenteile fest überzeugt, und wolle er in eben dem Maße für dies arme Kind sorgen, als ob ein echt-eheliches Kind das Glück gehabt hätte, an eben der Stelle gefunden zu werden.«
Unterdessen daß der Kapitän jede Gelegenheit wahrnahm, diesen und ähnlichen Gründen alle Stärke und Nachdruck zu geben, um den kleinen Findling aus Herrn Alwerths Hause zu schaffen, über dessen Zärtlichkeit gegen das Kind er eifersüchtig zu werden begann, hatte Jungfer Deborah eine Entdeckung gemacht, welche in ihren Folgen dem armen Tom wenigstens mehr Unheil drohte, als alle Gründe und Warnungen des Kapitäns.
Ob die unersättliche Neugier dieser braven Jungfer sie zu diesem Geschäfte angetrieben, oder ob sie es unternahm, um sich in der Gnade und Gewogenheit der Ehegemahlin des Herrn Blifil festzusetzen, welche, ungeachtet ihres äußerlichen Betragens gegen den Findling, insgeheim doch öfter auf das arme Kind schalt, und auf ihren Bruder obendrein, wegen seiner Affenliebe zu demselben, das will ich nicht entscheiden; aber sie hatte nunmehr, wie sie fest meinte, den Vater des Bankerts völlig ausgespähet.
Da dies nun aber eine Entdeckung von wichtigen Folgen ist, so wird es nötig sein, ihr bis zur ersten Quelle nachzugehen. Wir wollen daher die vorläufigen Sachen, wodurch solche herausgebracht wurde, mit aller Genauigkeit erzählen; und zu diesem Ende werden wir genötigt sein, alle Geheimnisse einer kleinen Familie zu offenbaren, mit welcher der Leser bis dahin noch völlig unbekannt ist, und deren Haushaltung so seltsam und sonderbar war, daß ich besorge, es werde der höchsten Glaubenswürdigkeit vieler meiner verheirateten Leser etwas sauer eingehen.
Beschreibung einer häuslichen Regierungsform, errichtet auf Gründe, welche denen vom Aristoteles gegebenen schnurstracks entgegenlaufen.
Mein Leser habe die Güte, sich zu erinnern, wie er benachrichtigt worden, daß Hannchen Jones einige Jahre bei einem gewissen Schulmeister gedient, der sie auf ihr dringendes Bitten im Latein unterwiesen hatte, in welcher Sprache sie, um ihrem Genie Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, es hernach für sich selbst so weit gebracht hatte, daß sie an Gelehrsamkeit ihren Meister übertraf.
In der That, obgleich dieser arme Mann sich einer Profession unterzogen hatte, zu welcher bekanntermaßen Gelehrsamkeit erfordert wird, so war diese doch die geringste unter seinen empfehlenden Eigenschaften. Er war einer der gutherzigsten Gesellen von der Welt und besaß dabei so viele Spaßhaftigkeit und Laune, daß er als Schöngeist der Gemeinde berühmt war; und alle benachbarte Landjunker hatten seine Gesellschaft so gern, daß er, weil Versagen eben sein Talent nicht war, in ihren Häusern manche liebe Zeit versaß, die er mit mehr Nutzen in seiner Schule hätte anwenden können.
Es läßt sich denken, daß ein Edukator von solchen Eigenschaften und Neigungen gar keine Gefahr lief, den gelehrten Seminarien zu Eaton oder Westminster großen Abbruch zu thun. Unverblümt zu sprechen, seine Schüler waren in zwei Klassen verteilt. In der obersten saß ein junger Herr, der Sohn eines benachbarten Gutsherrn, welcher in einem Alter von siebzehn Jahren eben bis in seine Syntaxis gekommen war, und in der niedern saß ein zweiter Sohn eben jenes Landjunkers, welcher darin nebst sieben Jungens aus dem Kirchspiele lesen und schreiben lernte.
Das Einkommen, welches diese Schulanstalt abwarf, möchte schwerlich hingereicht haben, dem Lehrer die fröhlichen Genüsse des Lebens zu verschaffen, hätte er nebst diesem Amte nicht auch zugleich die Aemter eines Küsters und Barbierers verwaltet, und hätte nicht Herr Alwerth dem Ganzen einen Jahrgehalt von zehn Pfund hinzugethan, welche der arme Mann jede Weihnachten empfing und wodurch er instandgesetzt war, sein Herz während dieses heiligen Festes fröhlich und guter Dinge sein zu lassen.
Unter andern Schätzen besaß der Pädagog auch ein Weib, das er aus Herrn Alwerths Küche ihres Vermögens wegen geheiratet hatte, denn sie hatte wirklich an zwanzig Pfund zusammengespart.
Dieses Ehegemahl war nicht sehr liebreizend von Person. Ob sie wirklich meinem Freunde Hogarth zu der Zeichnung saß, lasse ich dahingestellt sein, aber sie glich dem jungen Frauenzimmer Zug für Zug, das auf dem dritten Blatte vom Harlots Progreß ihrer Gebieterin Thee einschenkt. Sie war dabei eine offenbare Anhängerin jener berühmten Sekte, welche in sehr alten Zeiten von der heiligen Xanthippe gestiftet worden; vermittelst dessen sie in der Schule sich mehr Ehrfurcht erwarb, als selbst ihr Eheherr. Denn die Wahrheit zu gestehen, war er dort ebensowenig jemals Herr, als er es sonst irgendwo in ihrer Gegenwart sein durfte.
Obgleich ihre Physiognomie eben nicht die größte natürliche Sanftmut andeutete, so mochte doch ihr Gemüt durch einen Umstand noch etwas mehr versäuret sein, der gewöhnlich das Glück der Ehen vergiftet. Denn Kinder werden gar richtig Liebespfänder genannt und ihr Mann, ob sie schon neun Jahre im Ehestande lebten, hatte ihr noch kein solches Pfand gegeben. Ein Fehler, den er mit nichts entschuldigen konnte, weder mit Alter noch mit Krankheit; denn er war nicht volle dreißig und dabei das, was man so einen wackern fixen jungen Mann nennt.
Hieraus entstand ein andres Uebel, welches dem armen Edukator nicht wenig Unruhe zuzog, auf den sie unaufhörlich so eifersüchtig war, daß er kaum mit einem Weibe oder Mädchen im Kirchspiel sprechen durfte, denn war er gegen ein weibliches Geschöpf nur im geringsten höflich, oder wechselte er nur einige Worte mit ihr, so war ihr sein Weib gewiß auf dem Dache und ihm dazu.
Um sich in ihrem eigenen Hause gegen allen Ehestandsverlust in Sicherheit zu stellen, trug sie beständig Sorge, da sie doch eine Magd halten mußte, solche aus einer Klasse von den Töchtern des Landes zu wählen, deren Gesichter man als eine Art von Bürgschaft für ihre Ehrlichkeit nimmt; von welcher Zahl, wie der Leser vorher schon belehrt worden ist, Hanna Jones eine war.
Da das Gesicht der jungen Dirne eine sehr annehmliche Bürgschaft von vorbesagter Art genannt werden mochte und ihre Aufführung allezeit höchst ehrbar gewesen war (welches beim weiblichen Geschlecht allemal die Folge von Verstand und Klugheit ist), so hatte sie in Herrn Rebhuhns Hause (denn so hieß der Schulpräzeptor) über vier Jahre hingebracht, ohne ihrer Hausfrau den mindesten Argwohn einzuflößen. Man war ihr sogar mit ungewöhnlicher Güte begegnet, und ihre Hausfrau hatte Herrn Rebhuhn erlaubt, ihr die Unterweisung zu geben, von welcher unsre Geschichte bereits Meldung gethan hat.
Allein mit der Eifersucht geht's gerade, wie mit dem Podagra; ist die Krankheit einmal im Blute, so ist man keine Stunde sicher vor ihrem Ausbruche; und der stellt sich oft ein bei der geringsten Veranlassung, und wenn man's am wenigsten vermutet.
So